Haar: Vom HJ-Heim zum Jugendklub – Landkreis München | ABC-Z

Die Nationalsozialisten haben Haar offenbar als passendes Pflaster angesehen, um ihre Ideologie auf grausame Weise bis zum Ende durchzuexerzieren. Die Heil- und Pflegeanstalt in Eglfing war ein zentraler Tatort im sogenannten Euthanasie-Programm, in dem der bis zum letzten Tag des Krieges streng auf NS-Linie agierende Anstaltsleiter Hermann Pfannmüller Tausende Psychiatrie-Patienten in den Tod schickte.
Auch abgesehen davon war Haar in vielfacher Hinsicht im Sinne des Regimes Vorbild. Sollte die „Kapitulation von Haar“ tatsächlich in Haar stattgefunden haben, dann war es an einem symbolträchtigen Ort. Denn das Heim der Hitlerjugend sollte für die Zukunft des angeblich 1000-jährigen Reiches stehen. Es war als Vorbild für künftige Schulungsgebäude der Nazijugend konzipiert.
Das Gebäude mitten im Ort, in dessen Turnhalle der Zeitzeuge Hauptmann Hans-Otto Berendt das Zusammentreffen der Generäle Devers und Foertsch verortet, wurde 1938/39 als „mustergültiger“ Bau errichtet. Die Ausmaße waren beachtlich mit zwei sogenannten „Scharrräumen“ mit je 175 Quadratmetern Größe, einem Kameradschaftsraum und einem Führerraum. Ein Feierraum mit 475 Quadratmetern war für größere Zusammenkünfte gedacht. Nicht weit entfernt entstand eine Polizeikaserne und der von den Nazis eingesetzte Bürgermeister warb bei den oberen Stellen dafür, eine bereits damals geplante U-Bahn in München bis nach Haar zu bauen.
Alldem setzte am 1. Mai der Einmarsch der US-Einheiten in Haar ein Ende, die in der Anstalt Eglfing auf ausgehungerte Patienten nahe dem Tode trafen. Ein Fund erst aus dem Jahr 2017 zeigte, wie Nazi-Sympathisanten in Haar noch schnell Zeichen der Huldigung verschwinden ließen. Direkt vor dem Rathaus stießen Arbeiter in einer Grube auf eine wohl am Kriegsende demolierte und hastig im Boden verbuddelte Hitlerbüste, die anstelle von Nase und Bärtchen nur noch ein Loch aufwies.
Die Amerikaner feierten im Gasthof „Zur Post“ mit Jazz und Swing den Sieg über die Nationalsozialisten
Mit den amerikanischen GIs am Ort änderte sich die Stimmung schnell. Zeitzeugen berichteten, wie die Amerikaner im heutigen Gasthof „Zur Post“ mit Jazz-Musik und Swing den Sieg gefeiert hätten. Bald darauf richteten sie im ehemaligen HJ-Heim einen Jugendklub ein, in dem Sportveranstaltungen stattfanden. Die von der NS-Diktatur über Jahre auf Linie getrimmten Deutschen sollten mit kulturellen Angeboten für die Demokratie gewonnen werden.
Es gab Ballettaufführungen und Künstler fanden ein Podium, bis das HJ-Heim endgültig zu einem Haus der Bildung wurde. Die 1957 gegründete Volkshochschule zog ein. Mit Nähkursen ging es los, die ersten Computerkurse fanden dort statt. Heute nutzt die VHS das Haus als Gesundheitszentrum.