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Das war Trumps erster Tag | ABC-Z

Der neue amerikanische Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die Randalierer des 6. Januar 2021 zu begnadigen, die seiner Darstellung nach „friedliche Demonstranten“ und „Geiseln“ der Regierung seines Vorgängers Joe Biden waren. Doch sogar innerhalb der republikanischen Partei rechneten viele nicht damit, wie weit er schließlich gehen würde.

Am Montagabend unterzeichnete Trump im Oval Office einen Erlass, mit dem er fast alle im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol Verurteilten „vollständig und bedingungslos“ begnadigte – auch jene, die an gewaltsamen Angriffen auf Polizeibeamte beteiligt waren. Allein die Strafen von 14 Personen, allesamt Mitglieder der rechtsradikalen Milizen „Proud Boys“ und „Oath Keeper“, wurden nicht aufgehoben, sondern nur abgemildert; auch sie sollen laut Medienberichten jedoch bald freikommen. In dem Papier heißt es, mit den Begnadigungen ende „eine große nationale Ungerechtigkeit“ und beginne ein „Prozess der Aussöhnung“.

Trump äußerte am Montagabend zu seiner Entscheidung, die Verurteilten seien „zerstört“ worden. „Was man ihnen angetan hat, ist empörend.“ Der wegen „aufrührerischer Verschwörung“ zur längsten Haftstrafe von 22 Jahren verurteilte frühere Anführer der „Proud Boys“, Enrique Tarrio, gehört zu denjenigen, die eine vollständige Begnadigung erhalten haben. Außerdem hat Trump das Justizministerium angewiesen, die rund 300 noch anhängigen Fälle im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol fallen zu lassen. Bei der Unterzeichnung am Montag sagte er, die Inhaftierten kämen hoffentlich „noch heute Abend frei“.

Gnadenfrist für Tiktok

Trump deutete am Montag eine Lösung für Tiktok an. Ein Gesetz verbietet den Kurzvideo-Dienst in den Vereinigten Staaten, wenn er nicht durch amerikanische Investoren übernommen wird. Der Präsident strebt dabei ein Gemeinschaftsunternehmen an, bei dem die Vereinigten Staaten fünfzig Prozent des Dienstes kontrollieren. Weitere Details zu einer möglichen Eigentümerstruktur blieb er zunächst schuldig. Trump sagte, dass zahlreiche amerikanische Investoren ihm gegenüber Interesse an dem Unternehmen bekundet hätten. Tiktok sei eine Billion Dollar wert, aber nur wenn er genehmige, dass das Unternehmen in den USA weiter senden dürfe. Sollte China sich gegen eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse sperren, würde das als „feindlicher Akt“ gewertet. In diesem Fall könne Washington Zölle verhängen.

Endgültig raus der Weltgesundheitsorganisation

Es war ein Déjà-vu aus Pandemiezeiten, als Trump am Montagabend im Oval Office den abermaligen Rückzug der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ankündigte. Im Sommer 2020 wetterte Trump gegen den Umgang der WHO mit der Corona-Pandemie. Schon damals wollte er austreten, doch bevor die Entscheidung nach einem Jahr gültig werden konnte, machte Trumps Nachfolger Joe Biden diesen Schritt rückgängig. Nun beginnt der Republikaner einen zweiten Versuch. Die Vereinigten Staaten würden von der Organisation „abgezockt“, sagte er zur Begründung. Im Erlass wird außerdem auf die angeblich mangelhafte Reaktion der WHO auf die Pandemie und deren Weigerung, Reformen umzusetzen, verwiesen.

Aufschub im Handelskrieg

Für China und die EU blieb der große Zollschock am Tag von Trumps Amtseinführung aus. Auf Importe aus Kanada und Mexiko dagegen würden am 1. Februar Zölle in Höhe von 25 Prozent in Kraft treten, sagte Trump. Statt Einfuhren aus China mit Zöllen von bis zu 60 Prozent zu belasten, wie im Wahlkampf angekündigt, weist er die zuständigen Bundesbehörden an, die Handelsbeziehungen mit China einer genaueren Prüfung zu unterziehen und Vorschläge zu Unterbindung unfairer Handelspraktiken und Währungsmanipulationen weltweit vorzulegen. Die EU könnte um Zölle herumkommen, wenn sie sehr viel Öl und Flüssiggas kauft, sagte Trump. Das große Handelsbilanzdefizit mit der EU ist für ihn immer noch ein Ärgernis ebenso wie Einfuhrbeschränkungen für Autos und Agrargüter aus Amerika.

Trump kündigte am Montag außerdem die Gründung eines External Revenue Services an, der die „massiven Mengen an Geld“, die laut Trump nach Amerika kommen werden, sammelt. „Anstatt unsere Bürger zu besteuern, um andere Länder reich zu machen, werden wir andere Länder besteuern und mit Zöllen belegen, um unsere Bürger zu bereichern.“ Die Aktien-Futures in Asien und in den USA, wo wegen des Martin-Luther-King-Tags die Börse ruhte, wiesen nach oben angesichts der Aussicht, dass Zölle weniger scharf ausfallen könnten.

Mit aller Kraft gegen „gefährliche“ Migranten

Alle hätten ihm gesagt, dass Inflation das beherrschende Thema sei, sagte Trump am Montag vor seinen Anhängern im Kapitol. Doch er habe gewusst, Migration sei noch wichtiger. Und so machte der Republikaner die Lage an der amerikanischen Grenze zum zentralen Thema seines Wahlkampfs – und zu einer Priorität an Tag eins im Amt. Schon wenige Minuten nach der Vereidigung Trumps schaltete die neue Regierung die App „CBP One“ ab, über die Migranten Termine für die legale Einreise in die Vereinigten Staaten buchen mussten. Im selben Moment wurden alle schon ausgemachten Termine abgesagt, auf die viele seit Monaten warteten.

Außerdem kündigte Trump in seiner Antrittsrede an, den nationalen Notstand an der Südgrenze auszurufen. Diesen Schritt war er schon in seiner ersten Amtszeit gegangen, um auf Milliarden Dollar aus den Mitteln des Pentagons zugreifen zu können. In dem am Montagabend von Trump unterzeichneten Papier ist von einer „Invasion“ die Rede. Amerikas Souveränität werde „angegriffen“ und die Südgrenze von Kartellen, kriminellen Banden, Drogenhändlern und Terroristen „überrannt“. Infolge des Notstands darf auch das Militär an der Grenze eingesetzt werden. Außerdem verfügte Trump in einem Erlass den Weiterbau der Grenzmauer und die Rückkehr zur sogenannten Remain-in-Mexiko-Politik (zu Deutsch: Bleib in Mexiko) aus seiner ersten Amtszeit. Diese sieht vor, dass Migranten, die einen Asylantrag in den Vereinigten Staaten gestellt haben, in Mexiko auf dessen Bescheid warten müssen.

Neu war ein Vorstoß, der in den Vereinigten Staaten geborenen Kindern von Eltern ohne legalen Aufenthaltsstatus die amerikanische Staatsbürgerschaft durch Geburt vorenthalten will. Dieses Recht ist im 14. Verfassungszusatz festgeschrieben. Trump unterzeichnete jedoch einen Erlass zum „Schutz der Bedeutung und des Werts der amerikanischen Staatsbürgerschaft“, der eine Neuinterpretation dieses Verfassungsabschnitts vorsieht. Unter Juristen ist dies höchst umstritten. Ohnehin wird gegen die schon mehr als zehn Erlasse zum Thema Migration mit Klagen gerechnet. Aus Trumps Team hieß es, dieses Mal sei man auf solche Schritte besser vorbereitet.

Zweiter Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen

Wie schon in seiner ersten Amtszeit ordnete der Präsident den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Klimaabkommen an. Er unterzeichnete das entsprechende Dekret noch in der Capital-One-Arena vor Tausenden Anhängern. Das Abkommen koste die USA eine Billion Dollar, sagte er zur Begründung. Überdies beendet Trump die Verpachtung von Meeresgebieten, die Bidens Regierung für die Errichtung von Windparks im Meer reserviert hatte. Offshore-Windparks verschandelten die Landschaft und verfehlten das Ziel, den amerikanischen Stromkosten zu nutzen, teillte das Weiße Haus als Begründung mit.

Trump kündigte auch an, das sogenannte Elektroautomandat zu beenden. Damit meint der Präsident die zunehmend stringenteren Emissionsregeln für Kraftfahrzeuge mit Verbrennerantrieb, die dem Ziel dienten, die Fahrzeugflotte auf Elektroautos umzustellen.

Die Erklärung des Energienotstandes gibt ihm die Möglichkeit, Bergbauprojekte sowie die Öl- und Gasförderung von Auflagen zu befreien und zu beschleunigen. Trump „wird die Energie Amerikas freisetzen, indem er Bidens Politik des Klimaextremismus beendet, Genehmigungsverfahren vereinfacht und alle Vorschriften, welche die Energieerzeugung und -nutzung, einschließlich des Abbaus und der Verarbeitung von Mineralien, übermäßig belasten, auf eine mögliche Aufhebung überprüft.“ Er will mehr Land und Meeresgebiete für die Öl- und Gasförderung freigeben und speziell in Alaska die zusätzliche Ausbeutung der gewaltigen Ölvorkommen ermöglichen. Biden hatte große Teile Alaskas unter Schutz gestellt.

Kampf gegen den „Verwaltungsstaat“

Eigentlich hatte Trump Elon Musks „Behörde für Regierungseffizienz“ als außerhalb der Regierung agierendes Gremium angekündigt. In einem Erlass vom Montagabend hieß es jedoch, der „United States Digital Service“ – eine Regierungsabteilung, die sich auf IT-Systeme und digitale Dienstleistungen konzentriert – solle künftig „United States DOGE Service“ heißen und als „temporäre Organisation“ dem Stabschef des Weißen Hauses unterstehen. Dabei soll es sich um eine „Software-Modernisierungsinitiative“ und eine Maximierung der „Effizienz und Produktivität“ der Regierung kümmern.

In dem Dokument ist nicht die Rede von erheblichen Kürzungen des Bundeshaushalts, die Musk schon angekündigt hatte. Fraglich ist auch, welche Rolle der Unternehmer in diesem Gefüge einnehmen wird. Möglich ist, dass er externer Berater von DOGE bleibt; damit würden Interessenkonflikte mit seinen Unternehmen zumindest offiziell vermieden.

Im angekündigten Kampf gegen die angebliche Verschwendung und den „Tiefen Staat“ in Washington teilte Trump am Montag unter anderem mit, alle Angestellten von Bundesbehörden müssten künftig wieder im Büro arbeiten. Außerdem unterzeichnete er Erlasse, die etwa eine Reform der Einstellungspolitik in Bundesbehörden und ein Ende der „Politisierung“ der Bundesbehörden vorsehen. Was genau das bedeutet oder wie es umzusetzen wäre, wurde dabei nicht festgehalten. Trump sprach am Montagabend vom „durch die Biden-Regierung verursachten Krebs“, gegen den man vorgehen müsse.

„Die Rekordinflation besiegen“

Das große Wahlkampfthema Teuerung wurde mit einem sehr allgemeinen Präsidenten-Dekret an alle Minister und Bundesbehörden adressiert, „die ihnen zur Verfügung stehenden Befugnisse zu nutzen, um die Rekordinflation zu besiegen und die Kosten und Preise schnell zu senken“. Trump erhofft sich einen deutlichen Beitrag zu Senkung der Lebenshaltungskosten durch einen Förderboom bei Öl und Gas, den er durch die Deregulierung des Sektors erreichen will.

Was Trump für „gesunden Menschenverstand“ hält

Trump fasste zwei Erlasse des ersten Tage in einer Bekanntgabe unter dem Titel „Gesunden Menschenverstand zurückbringen“ zusammen: die Wiederaufnahme der Ausführung der Todesstrafe und die Festlegung, dass es künftig offiziell nur zwei Geschlechter in den Vereinigten Staaten geben wird – männlich und weiblich. Letzteres hatte Trump schon in seiner Antrittsrede angekündigt und mit der Debatte über die angebliche „Wokeness“ im Militär verknüpft. Dort werde man sich künftig wieder darauf konzentrieren können, „Feinde zu besiegen“, sagte er am Montag. Auch mit der Rückkehr zur Todesstrafe war gerechnet worden. In dem Erlass heißt es, wer die Todesstrafe ablehne, „verhöhnt die Gerechtigkeit“. Der frühere Präsident Joe Biden hatte in seinen letzten Wochen daher noch die Todesstrafen fast aller auf Bundesebene Inhaftierten zu lebenslanger Haft umgewandelt.

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