Kultur

Das Musical “Elisabeth” im Deutschen Theater | ABC-Z

Michael Kunze ist ein Superstar, und doch kennen seinen Namen oft nur wenige. Denn der Autor, Songschreiber und Libretto-Verfasser ist stets im Hintergrund geblieben. Natürlich auch bei der opulenten Neuauflage seines Musicals “Elisabeth” über die österreichische Kaiserin im Schloss Schönbrunn, die ab heute im Deutschen Theater in München zu sehen ist. Ein Gespräch mit dem Mann, der Peter Maffay entdeckte und Udo Jürgens mit “Griechischer Wein” und “Ich war noch niemals in New York” seine größten Hits schrieb. 

AZ: Herr Kunze, gibt es ein Erfolgsrezept für ein Musical?
Michael Kunze: Nein. Es gibt handwerkliche Dinge, die man lernen und können muss. Nach dem Ende der Operette ist in Deutschland das Handwerk des Musiktheaters in Vergessenheit geraten. Insofern war es auch kein Zufall, dass ich erst einmal 15 Jahre lang nichts anderes gemacht habe als das Handwerk zu lernen, indem ich internationale Musicals studiert und übersetzt habe. Was allein kein Erfolgsrezept ist: Letztlich liegt es auch am Talent, den Zeitgeschmack zu treffen.

Nicht nur zur Freude ihrer Hofdamen ist Kaiserin Elisabeth immer auf Achse.
© Zheng Tianran
Nicht nur zur Freude ihrer Hofdamen ist Kaiserin Elisabeth immer auf Achse.

von Zheng Tianran

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Begonnen hat diese Lehre bei Ihnen 1979 mit einem Anruf von Andrew Lloyd Webber: Er wollte, dass Sie sein Musical “Evita” für die deutschsprachige Erstaufführung übersetzen. Was hat Sie an diesem Auftrag gereizt, wo Sie zuvor doch bereits mit Songs sehr erfolgreich waren?
Zum einen war ich als Produzent mit der Band Silver Convention beschäftigt. Deren Tourneeauftritte waren recht theatralisch, weshalb ich mir immer überlegt habe: Wie kann man ein Publikum zweieinhalb Stunden mit Leuten auf der Bühne unterhalten? Mein eigentlicher innerer Antrieb aber war meine Mutter: Sie war Schauspielerin und hat mich schon als Kind mit hinter die Bühne genommen. Und irgendwann kam dieser kindliche Wunsch nach dem Theater wieder hervor.

Michael Kunze – der Superstar im Hintergrund 

Wollten Sie selbst endlich auch einmal ins Rampenlicht treten und nicht immer nur Ghostwriter sein?
Nein, komischerweise nicht. Das ist ein Antrieb, den ich bis heute nicht spüre. Insofern war ich im Grunde lang sehr gern Schlager-Texter gewesen…

…da klingt ein aber durch.
Aber ich war als Platten-Produzent Tag und Nacht im Studio und unter Druck. Hattest du vielleicht in den Charts eine Nummer eins, wollten Plattenfirma und der Künstler, dass der nächste Titel wieder eine Nummer eins werden muss. Irgendwann habe ich das satt gehabt und habe nur noch Texte sowie ein Buch geschrieben.

“Das naturalistische Theater ist ein Irrweg” 

Ihre Musical-Übersetzungen haben zum Musical-Boom in Deutschland beigetragen.
In der Kulturszene schaut man das Musical bis heute noch von oben herab an. Dabei kommt die Entwicklung des Theaters eindeutig vom Musiktheater: Schon die Griechen hatten Musik zum Theater, die Römer erst recht – und in anderen Kulturen wie der japanischen oder der chinesischen hat sich alles Theater immer mit Musik entwickelt. Theater ohne Musik ist eine relativ neue Entwicklung – und das naturalistische Theater ist ohnehin ein Irrweg, der eigentlich vorbei und vom Film abgelöst worden ist. Doch der Wunsch nach Musiktheater ist im Publikum bis heute stark.

Michael Kunze, Liedermacher und Komponist.
Michael Kunze, Liedermacher und Komponist.
© Michael Brandt/dpa
Michael Kunze, Liedermacher und Komponist.

von Michael Brandt/dpa

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Warum?
Die Verbindung von Text und Musik ist ein Geheimnis, das so alt ist wie die menschliche Kultur – und das wird sich auch nicht ändern. Und was wir heute in Deutschland als Musical bezeichnen, ist ja auch längst nicht mehr das amerikanische Broadway-Musical, sondern das europäische Musical ist ein eigenes Genre – und hat umgekehrt den Broadway beeinflusst. Und das ist nicht etwas, das gemacht wurde, sondern es gab hierzulande einen starken Nachfragedruck: Diese Nachfrage hat 1986 Friedrich Kurz mit “Cats” in Hamburg beantwortet – und dann ist das alles regelrecht explodiert.

“Der Untergang  einer tausendjährigen Kultur”

In deren Folge Sie selbst dann angefangen haben, eigene Musicals zu schreiben, statt andere zu übersetzen.
Ein wichtiger Mentor von mir, der Broadway-Regisseur und -Produzent Harold Prince, hat mir in Wien gesagt: Du musst jetzt selber was schreiben. Ich habe ihm gesagt: Ich werde es versuchen, aber ich möchte kein Broadway-Musical schreiben, sondern etwas, das hierher passt. Er war einverstanden und wollte mir einen US-Komponisten an die Seite stellen, doch das wollte ich nicht: Wenn wir hier etwas machen, passt kein amerikanischer Komponist.

Sie sind dann bei ihrem “Elisabeth”-Libretto ganz anders an das Genre herangegangen, denn auf einmal stand die Geschichte im Mittelpunkt. Die Musik wurde dann für dieses Drama konzipiert.
Ich kann gar nicht sagen, ob ich so daran geglaubt habe. Ich wollte einfach diese Geschichte auf die Bühne bringen. Denn ich war fasziniert von dieser Gestalt und vor allem von dem, was dahinter stand: nämlich dem Untergang einer ganzen Kultur, die tausend Jahre alt war sowie den Geschehnissen, durch die plötzlich eine Frau zur zentralen Figur für den Untergang wurde.

Und was hat Harold Prince dazu gesagt?
Seine Antwort war: Du hast vollkommen recht mit dem Untergang der Welt. Als 1916 Franz Joseph starb, wurde für zwei Tage der Erste Weltkrieg unterbrochen, weil die ganzen Monarchen nach Wien kamen, um der Bestattung des Kaisers beizuwohnen: Im Grunde haben sie ihre eigene Beerdigung gesehen.

Das Ende der Kaiserin
Das Ende der Kaiserin
© Zheng Tianran
Das Ende der Kaiserin

von Zheng Tianran

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Roter Faden in Ihren Libretti, so haben Sie einmal gesagt, seien Menschen, die nach Freiheit strebten und vom Willen zum eigenen Schicksal geprägt sind.
Wobei das eine nachträgliche Beurteilung von mir ist. Ich habe die Stoffe nicht nach diesen Kriterien ausgesucht. Sondern bei der Rückschau auf meine Musicals – “Elisabeth”, “Tanz der Vampire”, “Rebecca” – sind es immer diese Geschichten gewesen.

“Elisabeth” hat sich dann relativ schnell im Theater an der Wien als Erfolg entpuppt, obwohl es eine düster-dramatische Geschichte ist. Sie waren überzeugt von dem Stoff.
Nein, ich wusste bis zuletzt nicht, ob ich das überhaupt kann. Ich hatte nur das Gefühl, dass es eigentlich ganz gut funktioniert. Aber nach den vernichtenden Premieren-Kritiken habe ich dann nur gedacht: So, das war’s. Und natürlich trifft es einen schon, wenn die Kritik schreibt: Die Texte sind banal, keiner kann singen, das ist eine dumme Geschichte. Da sagt man sich nicht einfach, es wird trotzdem etwas werden. Jedenfalls bin ich nicht der Typ.

In Frage gestellt haben Sie Ihr Werk aber nicht.
Nein, denn es hat ja alles gestimmt. Ich habe den Untergang einer Welt auf die Bühne gebracht zugunsten einer Welt, die oberflächlich, dumm und faschistisch ist. Dafür habe ich diese Figur des Lucheni, der das symbolisiert.

Am Broadway entscheiden Unternehmer – keine Künstler 

Von Anfang Ihrer Musical-Tätigkeit an hat Silvester Levay Sie als Komponist begleitet. Sie haben 1976 dann den Grammy für “Fly, Robin, Fly” gewonnen.
Ich war Produzent und er Studiomusiker – so haben wir uns kennengelernt. Und mir gefiel von Anfang an, wie er Klavier gespielt hat: Dazu muss man wissen, dass meine Studiomusiker-Crew keineswegs ausgearbeitete Arrangement bekommen, sondern man ihnen oft einfach nur Akkordbezifferungen gegeben hat und sie dann etwas angeboten haben – und das waren bei Sylvester schon immer fantasiereiche Sachen.

Er kam von der Filmmusik.
Er hat damit akzeptiert, dass die Geschichte im Vordergund steht, dann erst die Musik kommt. Das rührt wohl auch daher, weil er als Filmkomponist gequält worden ist. Wir machen uns da kaum eine Vorstellung, wie Filmkomponisten in Hollywood behandelt werden! Da gibt es drei oder vier, die für denselben Film Musik machen und dann gefeuert werden. Sie werden zwar bezahlt, aber behandelt wie der letzte Dreck. Wenn man durch diese Schule gegangen ist, ist man bereit, immer erstmal etwas anderes anzubieten, bevor man es überhaupt nicht machen darf.

Das Ergebnis ist auf jeden Fall so erfolgreich, dass Ihre Werke auch am Broadway aufgeführt werden. Wie konnten Sie die New Yorker gewinnen, denn dort sind Geschäft und Wettbewerb ja besonders hart?
Die meisten Produzenten dort sind Investoren, die keine Ahnung vom Handwerk haben: Stattdessen investieren sie in Stücke, wie andere im Casino Geld setzen. Ich habe acht Jahre in New York gelebt und habe einen der besten dortigen Anwälte einmal gefragt: Sag’ es mir ehrlich: Wie ist meine Chance, hier Fuß zu fassen? Seine Antwort: Wenn Du mit einem hundertprozentigen US-Team arbeitest, hast Du eine große Chance. Aber du hast keine Chance, dass irgendein europäisches Stück von dir hier auf die Bühne kommt. Und mein sehr enger Freund Stuart Oken, der erst bei Disney und dann als freier Produzent am Broadway tätig war, hat mir das bestätigt.

Wird der Kreativarbeit dort eine andere Wertschätzung entgegengebracht?
Das Problem ist am Broadway: Früher ließ sich dort ein Musical für 1,2 Millionen Dollar auf die Bühne stellen – oder in den 70er-Jahren sogar noch für weniger als eine Million Dollar. Heute sind zwischen 15 und 20 Millionen Dollar! Und dieses Geld bringen keine Privatinvestoren mehr auf, das sind Unternehmen, die dahinterstehen. Und in solch einem Unternehmen denkt jeder nur daran, nicht in einem halben Jahr gefeuert zu werden, weshalb er keine falschen Entscheidungen treffen darf. Insofern werden dort auch keine künstlerischen Entscheidungen getroffen.

Ist das in Europa anders?
Zumindest in Wien haben wir den Riesenvorteil, dass die Vereinigten Bühnen ein Unternehmen sind, das letztlich der Stadt gehört: Die können auch mal eine künstlerisch schwierige Entscheidung treffen.

Deutsches Theater, bis 2 Februar 2025

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