Das Münchner Ausstellungsjahr 2025: Danach kräht doch der Hahn! | ABC-Z
Alles wird gut. Vor 20 Jahren hat das eine Moderatorin immer am Ende ihrer Leute-Sendung geflötet. Solches versuchen, einem auch Politiker einzureden, selbstredend an ihre Wahl gekoppelt, aber es kann ja besser werden. Ob es dafür “Change-Manager” braucht – wer denkt sich im Kunstministerium bloß diese Titel aus? -, das muss sich erst erweisen. Wenn man allerdings das vergangene Münchner Kunstjahr in Betracht zieht, gibt es durchaus Grund zur Freude. Und damit ist keineswegs die kürzlich erst als “spektakulär” verbreitete, aber bereits 2023 präsentierte Entdeckung eines “vergessenen” Gelehrten-Doppelporträts des grandiosen Giorgione gemeint.
Die Alte Pinakothek wird schon nicht übersehen und ins Hintertreffen gerät sie auch nicht so schnell. Aktuell ist das Haus sowieso mit der Blumenstilllebenmalerin Rachel Ruysch gut dabei. Für die erste monografische Schau dieser umwerfenden Künstlerin gab es immerhin einen AZ-Stern des Jahres, und wir werden auch jetzt nicht müde, diese hoch talentierte und von Fortuna gleichermaßen überschüttete “Amsterdamse Pallas” anzupreisen (bis 16. März).
Auch im neuen Jahr ein Highlight: Rachel Ruyschs Blumen
Doch mit Rachel Ruysch nicht genug, es sind noch andere beachtliche Ausstellungen am Laufen. Der Surrealismus im Lenbachhaus hätte zwar etwas straffer ausfallen dürfen, ist aber dennoch eine erhellende Angelegenheit, die wie ein – Obacht – “Perspektiv-Changer” wirken kann (bis 2. März). Und noch so ein “Wechsel”: Der farbintensive Münchner Jugendstil in der Kunsthalle und im Duett mit dem Stadtmuseum beweist, dass zwei Häuser meistens mehr zerreißen als eines (bis 23. März).
Wobei man bei einem solchen Thema zwei weitere Museen hätte mit ins Boot holen können: die Villa Stuck und das Bayerische Nationalmuseum. Wenigstens wird im BNM ab 24. Januar der “schönste Bucheinband des Jugendstils” zu sehen sein: Der Rundum-Gestalter Peter Behrens hat zu Nietzsches “Also sprach Zarathustra” im Jahr 1902 einen Leder- und Silbereinband geschaffen, der seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen galt und nun in einer Privatsammlung aufgetaucht ist.
Warum nicht mal Exzentrisches aus dem Mittelalter?
Die sicher nicht ganz einfache Teamarbeit in den Fünf Höfen ist ein schöner Anfang, dem hoffentlich so viel Zauber innewohnt, dass es zu Wiederholungen und Ausweitungen kommt. Man fragt sie eh, weshalb eine Ausstellung über die exzentrische Kunst (“Eccentric”, 27. April) in der Pinakothek der Moderne nicht übers Zeitgenössische hinaus reicht. Schon das Spätmittelalter ist voll, sagen wir ruhig, überspannter Werke, desgleichen der Manierismus. Zudem könnte man alles mit hiesigen Exponaten bestücken. War da nicht mal was mit dem Klima?
Bouchers Mädchen spart sich die Heizdecke
An das dachte womöglich François Bouchers Mädchen, das seit Ewigkeiten nackt auf ihrem Canapé durchhält und selbst eine elektrische Heizdecke verweigert. Weshalb sie da so liegt, und für welche royalen Augen ihre Blöße bestimmt war, dazu wird es ab 18. Februar in der Alten Pinakothek eine kleine Präsentation geben – wie auch über das sogenannte “Storytelling” in bekannten Bildern aus der Altdeutschen und Altniederländischen Abteilung sowie der Flämischen Malerei des 16. und frühen 17. Jahrhunderts (ab 29. Juli).
Endlich wieder eine Königsklasse auf Herrenchiemsee – und passend zur Demokratie
Vorher aber geht’s endlich wieder ans bayerische Meer: Die Königsklasse auf Herrenchiemsee wird erneut aufgelegt, passend zur Insel dreht sich ab 10. Mai alles um die Demokratie. Im August 1948 hat der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee die Grundlagen für unser Grundgesetz erarbeitet. In den räumlichen Überbleibseln der bayerischen Monarchie kommen Nachkriegs- und Gegenwartskunst der Staatsgemäldesammlungen immer gut. Vieles wirkt im unvollendeten Schlossflügel prägnanter als im neutralen Weiß der Pinakothek der Moderne.
Spannend dürfte auch die “Fünf Freunde”-Schau im Brandhorst werden. Im Fokus steht das intensive Tête-à-Tête von John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Cy Twombly. Gattungsübergreifend und zum Teil in sehr privater Hinsicht (ab 10. April).
Wem Auguste Herbin aufs Erste nichts sagt, der muss sich nicht grämen. Auch seine Landsleute, die Franzosen, haben ihn erst vor ein paar Monaten wiederentdeckt. Was ihn so aufregend macht, ist seine Experimentierfreude. Noch vor den Fauvisten hat er zu wilden Farben gefunden. Im Lenbachhaus wird Herbin ab 3. Juni als Revolutionär der Moderne und Begründer der Abstraktion in Frankreich gefeiert. Und echt jetzt, das ist nicht übertrieben.
KI$$ES mit Dollarzeichen? Ist das Liebe?
Eine weit Vorausblickende unserer Tage hat ab 13. Februar ihre erste institutionelle Überblicksschau im Haus der Kunst. Die 70-jährige Shu Lea Cheang begann bereits in den 80ern mit Video, Live-TV und Netzwerktechnologien zu puzzeln. Auch die Entwicklung von Kryptowährungen hat sie vorweggenommen und sich lange schon mit gamifizierten Gesellschaften beschäftigt. Der leuchtende KI$$-KI$$-Mund macht gleich mal was her.
Die Kunsthalle wird 40 Jahre alt – und feiert mit Bildern der Zivilisation
Und schließlich gibt es 2025 sogar ein Jubiläum zu feiern. Die Kunsthalle wird 40. Das erstaunt, weil sich das Ausstellungshaus dauernd und mit viel Lust neu erfindet und dabei von einem famos eingespielten kleinen Team umgetrieben wird. Ab 11. April geht es um die sichtbaren Spuren der Menschheit – rund um den Globus und aus der Perspektive von 150 international renommierten Fotografen. Das reicht von beklemmenden Erfahrungen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze bis zum ungebremsten Hedonismus. Dazwischen hat bekanntlich sehr viel Platz.