Das Märkische Viertel wird sträflich vernachlässigt | ABC-Z
Von Stefan Peter
Wer am Senftenberger Ring das Märkische Zentrum betritt, hat das kleine Shopping Center nach weniger als einer Minute durchquert – und steht plötzlich vor einem Bauzaun. Dahinter eine riesige Grube, Bauarbeiter oder Baumaschinen sind jedoch nirgends zu sehen.
Dabei wurde den Bewohnern des Märkischen Viertels Großes versprochen, ein schickes Projekt namens „Märkisches Quartier“. Mit Markthalle („eine der größten Berlins“), ein Wohnturm („mit über 360 Wohnungen“), jede Menge neue Geschäfte („100 moderne Shops und Showrooms“), ein Dachgarten („eine grüne Oase mit Rooftop Bar“). Es blieb bei bunten Entwürfen.
Stattdessen gibt‘s nur erwähnte Baugrube. Großspurig statt großartig.
„Eigentlich sollte alles längst fertig sein“, heißt es an der Info-Hotline des Projekts. „Doch dann kam erst Corona, dann der Krieg und schließlich die Inflation.“ Dieses Argument hört man hierzulande öfter, wenn es um nicht realisierte Bauprojekte geht.
Meist ist es nichts weiter als eine Ausrede von Immobilien-Firmen, die sich verzockt haben. Denn in anderen Ländern Europas entstehen aktuell durchaus große Quartiere mit Wohnungen, Geschäften und Büros (meistens sogar deutlich attraktiver als in Deutschland).
Das Center Management des nicht vorhandenen „Märkischen Quartiers“ betreibt ein Unternehmen namens Kintyre.
Auf eine Anfrage der B.Z. antwortet niemand. Wer die Festnetznummer des Berliner Büros anruft, hört nur eine Ansage: „Der Vodafone-Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar“. Am Bauzaun hängen Schilder mit Sätzen wie „Wir planen weiter“.
Keine politische Unterstützung für das Märkische Viertel
Wann es aber tatsächlich mit den Bauarbeiten losgeht, kann niemand sagen. Von Umplanungen ist die Rede, angeblich gibt es eine sinkende Nachfrage für Einzelhandelsflächen. Aus dem Reinickendorfer Rathaus kommt ansonsten nicht viel mehr als Schulterzucken. Vom Senat ist schon gar nichts zu hören, was man bei einem Projekt dieser Größenordnung allerdings erwarten könnte.
Wenig verwunderlich, dass sich die über 40.000 Bewohner des Märkischen Viertels wieder einmal von der Politik vernachlässigt fühlen. Seit Jahrzehnten wird ihnen immer wieder eine Verlängerung der U8 bis in ihre Großsiedlung versprochen – passiert ist nichts.
Dabei ist es nicht etwa so, dass in der Hauptstadt keine U-Bahnlinien verlängert werden. Die U2 fährt bereits seit September 2000 bis zum S-Bahnhof Pankow. Kommendes Jahr starten die Bauarbeiten für die Verlängerung der U3 bis zum Mexikoplatz. Bei der U8 hingegen wird aktuell nur geprüft und untersucht – wie seit Ewigkeiten.
Vielleicht sollte die Firma Kintyre ihr Scheitern eingestehen und die Politik einen Investor finden, auf den man sich verlassen kann.