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Das macht ein Airside Duty Manager | ABC-Z

Thomas Hatzenbühler ist Pilot ohne Fluglizenz. Fast täglich steuert er ein Flugzeug ohne Flügel. Manchmal scheint er zu vergessen, dass er nicht in einer Kleinmaschine, sondern in einem Mercedes-Sprinter sitzt. Dann beschleunigt er. So, als würde er am Ende der Startbahn tatsächlich abheben wollen. Aber Hatzenbühler bleibt am Boden. Von hier aus kontrollieren er und seine Kollegen alles, was den Ablauf auf dem Rollfeld, also auf den Start- und Landebahnen am Frankfurter Flughafen, stören könnte. Hatzenbühler arbeitet als Airside Duty Manager. „Die Frage, wofür wir zuständig sind, ist die falsche. Die Frage müsste lauten, wofür wir nicht zuständig sind.“ Die Antwort gibt er im gleichen Atemzug: „Für das Terminal.“

Und so fahren Hatzenbühler und seine Kollegen alle vier bis sechs Stunden die Start- und Landebahnen auf dem weiten Gelände des Frankfurter Flughafens ab, halten Ausschau nach allem, was den Betrieb stören oder ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte. Der Sprinter, in dem der Zweiundfünfzigjährige und seine Kollegin Katja Schollenberg an diesem Morgen sitzen, erscheint auf dem Radar der Flugsicherung als kleines Flugzeug – auch ohne Triebwerke. Über Funk hält er Verbindung zum Tower. Die Bahnen sind an diesem Morgen frei. Keine Spuren von Verschmutzung, wie etwa ausgelaufenes Öl, kein toter Vogel, noch nicht einmal ein Schräubchen ist zu finden. Es ist ein Dienststart wie Hatzenbühler ihn mag. „Wenn alles läuft, wie es laufen soll, muss man auch mal aushalten, dass nichts passiert“, sagt er.

Pilot mit Bodenhaftung: Thomas HatzenbühlerLando Hass

Es gibt aber auch die anderen Tage. Tage, an denen er die Entscheidung treffen muss, dass eine Start- und Landebahn temporär nicht genutzt werden kann, und der gesamte Flugplan damit durcheinandergeworfen wird. Etwa, weil eine Verschmutzung auf der Bahn erst beseitig werden muss. „Wenn etwas die Betriebssicherheit einschränkt, muss man schon den Charakter und das Selbstbewusstsein haben, sofort aktiv zu werden und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten“, sagt er. Hatzenbühler hat das Auftreten, das es braucht, eine solche Entscheidung durchzusetzen. Groß ist er, breit gebaut. „Wir sind die letzte operative Instanz, die dafür sorgt, dass der Betrieb so läuft, wie er laufen soll.“

Verkehrspolizisten des Rollfeldes

Und doch ist nicht alles plan- oder vermeidbar. Kommt es etwa zu Not- oder Sicherheitslandungen, sind es auch Hatzenbühler und seine Kollegen, die mit als erste vor Ort sind. Sie nehmen, ähnlich wie ein Verkehrspolizist, den Unfall auf, halten in einem Protokoll den ersten Eindruck der Szenerie fest. Das alles wird dann an die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) gemeldet. „Wir sichern vergängliche Spuren und sorgen dafür, dass der Betrieb so schnell wie möglich wieder aufgenommen werde kann“, sagt er. Auch dafür musste Hatzenbühler wie alle Airside Duty Manager in Frankfurt als Beauftrager der BFU extra ausgebildet werden.

Mehr als ein Jahr dauert die Zusatzausbildung zum Airside Duty Manager. Unter anderem müssen die Anwärter als künftige „Bodenpiloten“ ein Flugfunkzeugnis erlangen, um auf der offiziellen Flugfrequenz mitfunken zu dürfen.

Am Flughafen muss ein Rad in das andere greifen

2007 hat Hatzenbühler beim Frankfurter Flughafen als Ramp Agent angefangen, war als solcher für die Flugzeugabfertigung am Boden verantwortlich. Es folgte intern der erste Jobwechsel, zehn Jahre lang arbeitete er als sogenannter Load Controller. Als solcher musste er unter anderem die Beladepläne berechnen um sicherzustellen, dass sich das Gewicht im Flugzeug optimal verteilt. All sein Wissen komme ihm auch in seinem jetzigen Job zugute. „Dass jemand ohne Flughafenerfahrung in diesem Job anfängt, das halte ich schier für unmöglich“, sagt Hatzenbühler. Denn es gelte als Vertreter des Frankfurter Flughafens, die unzähligen Einzel-Einheiten, die dafür sorgen, dass die Flugzeuge landen und abheben können, im Blick zu behalten, sicherzustellen, dass ein Zahnrad ins nächste greift.

Es gehe nicht darum, alle Probleme selbst lösen zu können. Aber er müsse dafür sorgen, dass sie gelöst werden. Dafür muss Hatzenbühler in der Lage sein, auch in Stress-Situationen ruhig zu bleiben, Entscheidungen zu treffen, eigene Grenzen zu kennen und Fähigkeiten anderer richtig einzuschätzen. Ein Handbuch für die standardisierte Problemlösung gibt es nicht. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen mit sich. Das eine Mal muss er dafür sorgen, dass die Mitarbeiter einer Reinigungsfirma, die den Pass eines Fluggastes gefunden haben, auf schnellstem Wege mit der Bundespolizei in Kontakt kommen. Das andere Mal gilt es die Sperrung einer ganzen Bahn anzuordnen. Hatzenbühler mag das Unvorhersehbare, mag die Anspannung, die mit seinem Beruf verbunden ist. Auch Routineaufgaben, wie etwa die Kontrolle der Fahrbahnen, dürfen für ihn niemals zur Routine werden. Er muss gewissenhaft, konzentriert und oft auch einfach nur pragmatisch auf die Situationen reagieren, die sich entwickeln.

Wie in einem Schweizer Uhrwerk

In seiner Freizeit engagiert sich der Zweiundfünfzigjährige als Bergretter bei der Bergwacht in Bayern. Ob beruflich oder privat – der Teamgedanke treibt ihn an: „Alles, was wir machen, ist Teamarbeit. Es funktioniert wie bei einem Schweizer Uhrwerk. Egal wie dick oder dünn das Rädchen ist, wenn es fehlt, funktioniert es nicht. Hier ist niemand nicht wichtig“, sagt er.

Als Airside Duty Manager ist Hatzenbühler Ansprechpartner für Behörden wie etwa die Bundes- und Landespolizei, aber auch für die Airlines. Bei ihm laufen Fäden zusammen, von denen er morgens manchmal noch nicht wusste, dass er sie jemals in der Hand halten wird. „Wir sind die Mädchen für alles. Wenn abzusehen ist, dass wir als Betreiber des Flughafens etwas beeinflussen können, dann landet es bei uns.“

Hatzenbühler hat mittlerweile den Sprinter wieder geparkt, ist zurück am Schreibtisch. Auf gleich mehreren Bildschirmen werden ihm Flugpläne sowie die Bewegungen der einzelnen Flugzeuge angezeigt, die sich gerade auf dem Frankfurter Flughafen befinden. Er kann mit wenigen Mausklicks sehen, welche Maschine woher kommt – und wohin sie bald wieder aufbrechen wird. Die wenigsten bleiben lange am Boden. „Nur ein fliegendes Flugzeug bringt Geld“ – Hatzenbühler kennt die Rechnung vieler Airlines. „Die Zeitspanne am Boden ist minimiert und optimiert.“ Kommt es zu Verzögerungen, etwa beim Tanken oder beim Be- und Entladen, kann das schwere Folgen für die Airlines haben. Denn wenn ein Flugzeug in einer zugeteilten Zeit keinen Start anmelden kann, etwa weil es Probleme bei der Abfertigung gibt, „fliegt es raus und muss sich wieder hinten anstellen“, wie Hatzenbühler erklärt. „Je länger es steht, desto komplizierter ist die weitere Planung auf dem Vorfeld. Das ist dann am Ende wie Tetris.“

Hatzenbühler versucht also, Probleme von seiner Position am Bildschirm aus schon zu erkennen, bevor sie überhaupt entstehen. Sieht er, dass die Startanmeldung eines eigentlich für den Abflug eingetragenen Flugzeugs zeitkritisch werden könnte, versucht er herauszufinden, welche Ursache das Problem hat – und schnellstmöglich nach einer Lösung zu suchen. Denn als Vertreter des Flughafenbetreibers Fraport behandelt er die Airlines als Kunden. Und diese müssen sich auf die Arbeiten am Boden, beispielsweise auf das schnelle Be- und Entladen oder das Betanken der Flieger, verlassen können. „Wenn es an die 23 Uhr-Marke geht, versuchen wir alles – für jeden“, sagt er. Denn wenn das Nachtflugverbot näher rücke, könne es auch schon einmal hektisch werden. Hatzenbühler wird man auch dann die Anspannung nicht ansehen. Er bleibt ruhig – eine wichtige Voraussetzung für die Einstellung als Airside Duty Manager.

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