Kultur

Das Konzert als Therapie: Achtsam hören mit Nicolas Namoradze | ABC-Z

Es gibt viele Gründe, Konzerte zu besuchen: Man kann angenehme Zeit mit Freunden verbringen, ohne allzuviel reden zu müssen. Für das Gesprächsthema sorgt der Veranstalter. Man kann im Konzert auch eine Auszeit nehmen und die Gedanken schweifen lassen. Und natürlich ist es nicht verboten, vor allem wegen der Musik und ihrer Interpretation die eigenen vier Wände zu verlassen.

Der in Georgien geborene und in Budapest aufgewachsene Pianist Nicolas Namoradze beschränkt sich bei seinen Auftritten nicht nur auf Musik: Er verbindet seine Konzerte mit kleinen Meditationen. Man wird aufgefordert, die Augen zu schließen und auf den Atem achten. „Achtsam hören“ nennt er diesen Ansatz. Das Publikum im gut besuchten Prinzregententheater lacht erst, als es aufgefordert wird, auf den dortigen, eher harten Stühlen bequem zu sitzen.

Schweifende Gedanken beruhigen

Aber es folgt willig und hört sich Claudes Debussys ruhiges Prélude „La Cathédrale engloutie“ konzentriert an. Und es hält sich auch an den Vorschlag, den stillen Schluss dieses Stücks auf sich wirken zu lassen und auf Beifall zu verzichten. So weit, so gut. Und wenn man sich darauf einlässt, wie von Namoradze empfohlen, schweifende Gedanken zu bitten, für die Dauer des Konzerts ihr Anliegen zurückzustellen, kann das tatsächlich entspannend wirken. Aber Namoradze hat nicht nur therapeutische, sondern auch beträchtliche pianistische Ambitionen: Er möchte Beethovens ziemlich rabiate Hammerklaviersonate spielen.

Der Pianist Nicolas Namoradze.
© Anoush Abrar
Der Pianist Nicolas Namoradze.

von Anoush Abrar

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Und auch wenn der Begriff „Hammerklavier“ historisch gesehen einen aus heutiger Sicht eher leisen und kleinen Vorläufer des modernen Konzertflügels meint, enthält der Beiname der Sonate Nr. 29 eine tiefere Wahrheit: Tatsächlich wirkten vor allem der erste und letzte Satz wie mit dem Hammer komponiert. Und die 50 Minuten dieses Stücks sind eine geistige und körperliche Kraftarbeit für Pianisten wie Hörer.

Braver Beethoven

Die Hammerklaviersonate ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was man mit „achtsamem Hören“ verbinden würde. Namoradzes vorangehende Achtsamkeitsübung beschäftigte sich durchaus passend mit der Körperwahrnehmung. Und der Pianist wies – zu Recht – darauf hin, dass die Hammerklaviersonate ein Werk voller heftiger Kontraste sei.

Nur: Seiner Interpretation war das nicht wirklich anzuhören. Man muss wahrscheinlich nicht auf den von Beethoven gewünschten, radikal raschen und auch nicht unumstrittenen Tempi bestehen. Aber es wurde schon versucht. Und nicht mit den schlechtesten Ergebnissen.

Der Pianist Nicolas Namoradze.
Der Pianist Nicolas Namoradze.
© Neda Navae
Der Pianist Nicolas Namoradze.

von Neda Navae

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Namoradze begann das Allegro vergleichsweise langsam. Er verlegte sich beim zweiten Thema auf eine perlende Säuselei, als sei’s ein Stück von Chopin. Was immer Beethoven auch gemeint hat: das jedenfalls nicht. Dem Scherzo fehlte der Grimm, das Adagio zerfiel in schöne Stellen. Und die widerborstige Fuge blieb auch ziemlich brav.

Niemand zwingt Namoradze, die Hammerklaviersonate zu spielen, die ihm offenbar nicht liegt. Und es mag zwar puristisch sein, es grenzwertig zu finden, dass der Pianist danach ausgerechnet das Klavierstück von Enrique Granados nachlegte, auf dem der Schlager „Bésame mucho“ basiert. So richtig es ist, nach der Hammerklaviersonate einen Kontrapunkt zu setzen, dieses Stück passte jedenfalls nicht.

Zuletzt folgte noch eine Gymnopédie von Erik Satie, die mit ihrem leicht esoterischen Einschlag als Inbegriff von Meditationsmusik gelten kann. Solche Miniaturen spielt Namoradze sehr ansprechend. Beethoven hätte da einige passende Bagatellen im Vorrat.

Aber die ohne Unterbrechungen aufgeführte, 50-minütige Hammerklaviersonate passt auch nicht wirklich zu einem Konzert, bei dem der Reiz zu mindestens einem Viertel in einer mit angenehmer Stimme vorgetragenen Moderation besteht.

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