So schmecket es bei Jan’s Restaurant in Detmold | ABC-Z

Der Zwang, in Sternerestaurants immer gleich große Menüs essen zu müssen, die man meist nur geringfügig verkürzen kann, ist für viele Gäste ein Problem. Man will gut und entspannt essen, aber oft eben sozusagen kammermusikalisch und nicht immer in Form der großen Oper. In „Jan’s Restaurant“, im beeindruckenden lippischen Fachwerkort Detmold, hat man als Gast deutlich mehr Freiheiten.
Das nutzt dann übrigens bei einem Familienessen am Nebentisch ein junger Mann, um das sehr gut aussehende, üppige, aber mit 36 Euro auch etwas kostspieligere Wiener Schnitzel des Hauses – fröhlich auch von anderen Gästen wahrgenommen – gleich zweimal hintereinander zu bestellen.
Und weil auch der aufmerksam-entspannte Service einmal nicht in eher jugendlichen Händen, sondern denen eines gestandenen italienischen Oberkellners liegt, ist die Stimmung hier deutlich anders als in vielen, doch gerne etwas steifen anderen Etablissements dieser Güte.
Ambitioniert und modern
Der Gast isst Gerichte aus dem À-la-carte-Angebot. Mit den Amuse-Bouche vorab wird – Schnitzel hin, Schnitzel her – erst einmal schnell klar, dass Koch Jan Diekjobst ambitioniert und modern arbeitet. Es gibt ein kleines Tartelette mit Bergblumenkäse, Feige und Liebstöckel, ein Tartelette vom Saibling mit Holunderblüte und Dill sowie ein Cornetto von Rindertatar, Kimchi, Ponzu und Gurke. Auch wenn man diese Elemente so oder ähnlich aus anderen Gourmetrestaurants kennen kann, fallen sofort die gute Qualität und ein individuelles, keinen Klischees folgendes Geschmacksbild auf.
Das bestätigt sich sofort bei der ersten Vorspeise, „Kohlrabi – Joghurt – Purple Curry – Limette“ genannt (26 Euro). Das Gericht ist ein ätherisches Gebilde, so etwas wie eine Kohlrabivariation mit feinsten Kohlnoten durch bestens proportionierte Scheiben, Würfel und Streifen und einer Aromatisierung, die das Ganze nie verdichtet, sondern in einer Art eleganter Schwebe hält.
Auch beim „Geflämmten Reh – Bete – Radicchio – Sauerkirsch“ (28 Euro), einer erst einmal prächtig anzusehenden Komposition, die weitgehend in Rottönen gehalten ist, geht es mehr um eine Impression, um aromatische Farben und weniger um die konkreten Produkte. Das wirkt sehr kreativ und neuartig und schmeckt sehr gut.
Viele Köche haben wohl zwei Seelen in ihrer Brust
Da muss man dann wieder einmal darüber nachdenken, dass viele Köche, die gleichzeitig – wie Diekjobst hier im Hotel „Detmolder Hof“, dessen Herzstück das Restaurant ist – verantwortliche Gastronomen sind, möglicherweise zwei Seelen in ihrer Brust haben: die Kunst und ebendas, was man gut verkaufen kann, was grundsätzlich gut ankommt. Hier wird es bei den Hauptgerichten dann auch wieder konkreter als bei den Vorspeisen, weil die Gerichte näher an das gehen, was den meisten Gästen eher vertraut sein dürfte.
Der „Gegrillte Steinbutt mit Pilzen, Trüffel und Parmesan“ (44 Euro) ist vielleicht in der Garung etwas fest, überzeugt aber mit einer sehr guten Parmesankruste und einer Art Pilzvariation mit einer gegrillten Scheibe vom Kräuterseitling und roh marinierten Pilzen, einem Püree und einer Krokette, die den Fisch mit einer ausgewogenen Herzhaftigkeit vielfältig umspielen. Lediglich die Trüffel bleiben ein wenig matt. Bei diesem Gericht geht es also mehr ins Handwerk und um die Überzeugungskraft guter Produkte in einer adäquaten Zubereitung.
Noch klarer wird das beim fast demonstrativ puristisch präsentierten „US-Beef – Béarnaise-Aromen – Kartoffel“ (44 Euro). Die Qualität von Fleisch, einer Art handgeschnitzter, großer Pommes frites, wildem Brokkoli und vier verschiedenen Soßen und Gels ist überragend und in dieser vereinzelten Form selbstbewusst präsentiert. Da kann man einfach einen Biss vom Fleisch nehmen und bekommt ein makelloses Aroma mit präziser Proportion von Kruste zu schierem Fleisch und genau der richtigen Menge an Fleur de Sel obenauf. Selbst das Kartoffelstäbchen wirkt glatt wie eine Delikatesse.
Mit Jan Diekjobst ist hier in Detmold also ein Koch am Werk, der nicht nur über ein großes Potential verfügt, sondern auch eine bestechend gute Mischung aus Vergnügen, Vision und Vernunft realisiert. Dazu gehört übrigens auch, dass die offenen Weine hier endlich einmal wieder auffällig fair kalkuliert sind.