Stil

Das Ende des „We should all be Feminists“-Zyklus? | ABC-Z

„Mehr maskuline Energie“, das wünscht sich Mark Zuckerberg für sein Tech-Imperium Meta. Die Laufstege liefern, in Form von Anzügen. Einen Begriff gibt es auch schon dafür: Office Core, oder Corp-core. Ist das das Ende des „We should all be Feminists“-Zyklus in der Mode?

Für ein paar Jahre sah es so aus, als wäre (in der westlichen Welt) die Gleichberechtigung in greifbarer Nähe. Die Girlboss-Ära feierte Frauen für ihre Erfolge, sie erreichten die höchsten Ränge in den größten Unternehmen der Welt, oder bauten gleich ihre eigenen auf. Die Laufstege reflektierten den Geist der Zeit. 2016, während Donald Trump und Hilary Clinton um die amerikanische Präsidentschaft kämpften, trat Maria Grazia Chiuri bei Dior mit einer feministischen Kampfansage an: „We should all be feminists“. Das Zitat von Autorin Chimamanda Ngozi Adichie prangte auf den T-Shirts der nun wohl wichtigsten Modedesignerin der Welt. Man war sich sicher, bald die erste Frau im amerikanischen Präsidentschaftsamt mitzuerleben.

Zwei Aktivistinnen mit pinkfarbenen „Pussy Hats“ im Januar 2025 in WashingtonAFP

Doch stattdessen schaffte es Donald Trump ins Weiße Haus. In seiner ersten Amtszeit gab es, nicht nur in der Mode, klare Kante gegen Trump: Die Laufstege waren voll von Botschaften wie „The Future is Female“ oder „This is What a Feminist Looks Like“ (bei Prabal Gurung); Frauen marschierten mit sogenannten Pussy Hats, pinken Strickmützen, durch Washington und Models über den Laufsteg von Missoni; die deutschen Designer Talbot Runhof nannten ihre Kollektion ‚Lie to Me‘ und schickten Abendkleider mit der Aufschrift ‚un-president-ed‘ und ‚persist‘ über den Laufsteg um gegen den misogynen Mann im Amt zu protestieren. Überall war der Widerstand sichtbar.

Pelz und dunkle Sonnenbrille: „Mob wife“-Trend in Paris
Pelz und dunkle Sonnenbrille: „Mob wife“-Trend in ParisAFP

Sprung ins Heute: Die Demokratie steht unter Dauerbeschuss. Donald Trump hat seine zweite Amtszeit angetreten – diesmal tatsächlich von der Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner gewählt. Und das, obwohl seine autokratischen Züge und sein Sexismus offensichtlicher sind, denn je. Die Trump-Frauen Ivanka und Melania sind von der Bildfläche verschwunden, stattdessen regiert Trump mit Hilfe von männlichen Milliardären. Die politische Agenda wendet sich klar gegen Frauen und Inklusion: Abtreibungsverbote, Transgender-Hass, das Ende von DEI-Massnahmen (Diversity, Equity, Inclusion). Aber die großangelegte feministische Antwort bleibt bisher aus, auch in der Mode.

Brave Seite

Stattdessen zeigen sich die Laufstege von ihrer braven Seite: Die moderne Frau, so wollen es die Designerinnen und Designer, macht sich hübsch, passt sich an und schweigt. Romantische Flatterkleider (Stichwort: „Trad Wife“-Trend), hosenlose Outfits (wer die Hosen anhat, ist klar) und Pelz (Stichwort: „Mob Wife“-Trend) prägen das Bild der Frau als Anhängsel und Eyecandy, die offenbar weder Frauenrechte, noch Tierleid, noch Demokratie kümmern.

Rückgriff ins Konservative: Miu Miu Herbst/Winter 2025/26
Rückgriff ins Konservative: Miu Miu Herbst/Winter 2025/26AFP

Als einzigen vermeintlichen Gegenentwurf zu diesen Frauenbildern offerieren Marken wie Dior, Balenciaga, und Miu Miu weite Anzüge mit breiten Schultern und Bundfaltenhosen – nicht unähnlich derer, die Donald Trump gerne trägt. Also kurzum: Die Laufstege bieten Frauen entweder einen ultra-femininen Look, um dem männlichen Blick zu schmeicheln, oder gleich die totale Assimilation: Cosplay für die Bro-Kultur.

„Office Core“ in Paris, New York und Mailand

Für den Trend zur Frau im Anzug gibt es natürlich schon Begriffe: „Office Core“ oder „Corp-core“ (kurz für Corporation, also Unternehmen), wird der Look genannt, der die Modewelt erobert und auch auf den eben gezeigten Schauen in Paris, New York und Mailand nicht abreißt. Auf TikTok stylt die GenZ ihn mit enganliegender weißer Bluse, Blazer, passender schwarzer Stoffhose und Krawatte.

Blazer und lange Rücke bei Dior im Juni 2024
Blazer und lange Rücke bei Dior im Juni 2024AFP

Das erinnert stark an die Achtzigerjahre. Damals wurden die Anzüge, die Frauen zur Arbeit trugen, „Power Suits“ genannt. Aber von der Macht waren die Frauen in den Reagan-Jahren weit entfernt. Das Büro war eine reine Männerwelt, in der sich Frauen anzupassen und die bestehende Ordnung zu akzeptieren hatten, sexuelle Belästigungen inklusive. Die damalige Variante des ‚Girlboss’ nannte man ‚Working Woman’. Man erkannte sie an auftoupierten Dauerwellen-Frisuren, breiten Schultern und weiten Hosen. Alles, um sich dem männlichen Boss optisch und größenmäßig anzunähern – nur nicht in Sachen Gehalt. 1982 verdienten Frauen 65 Cent für jeden US-Dollar, den ein Mann einnahm (heute sind es in den USA 84 Cent, in Deutschland verdienen Frauen laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich sechs Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen). Ob die Verkleidung im Anzug dabei geholfen hat, diese Lücke zu verringern oder sexuelle Übergriffe abzuwenden: eher fraglich.

Neuer Powersuit: Kreation von Stella McCartney für Herbst/Winter 2025/26
Neuer Powersuit: Kreation von Stella McCartney für Herbst/Winter 2025/26picture alliance / abaca

Zusätzlich angefeuert wird der heutige Büro-Look durch die Rückkehr aus dem Homeoffice in die Unternehmen. In den Pandemiejahren, als das Büroleben hauptsächlich via Zoom-Calls stattfand, etablierte sich bequeme Loungewear. Doch jetzt fordern mehr und mehr Unternehmen eine Rückkehr in die Büros ein – und die sollen gleichzeitig maskuliner werden. Was eignet sich da besser als der Anzug?

Ultimative Uniform

Er ist ein Gleichmacher, die ultimative Uniform des Kapitalismus. Anzugträger bekommen einen Vorschuss an Vertrauen, weil sie mit dem Anzug ausdrücken, dass sie ein Amt bekleiden und deshalb professionell wahrgenommen werden. Warum, das erklärte Modetheoretikerin Barbara Vinken in ihrem Buch „Angezogen“ über die Funktion des Anzugs in der Herrenmode: „die Fleischlichkeit des je einzigartigen Körpers wird transzendiert.“ Der Einzelne wird ersetzt durch einen uniformierten Kollektivkörper, der die Corporate Identity auf jeden überträgt, der sich ihr durch Kostümierung unterwirft. „Die konkrete Person bekleidet ein Amt, ist mit diesem aber nicht identisch.“

Leider funktioniert das aber nur für Männer. Denn, so schreibt Vinken, die weibliche Mode unterstreiche stets die Leiblichkeit der Frau, den Körper als Ware, als Objekt des Betrachtetwerdens. Eine Frau im Anzug wird nicht mit einem Amt (beispielsweise dem der Präsidentin) assoziiert, sondern vielmehr fetischisiert. „Wie immer dient der Raub der Männerkleidung der erotischen Reizerhöhung von Weiblichkeit“, so das traurige Resümee Vinkens. Frauen, so scheint es, können nur verlieren. Ist die Lösung, sich in einem Herrenanzug zu verstecken und auf bessere Zeiten zu warten? Wohl eher nicht.

Die vergangenen Jahre waren geprägt von einer Aufbruchsstimmung, die mit „We should all be feminists“-Slogans plakativ zum Ausdruck gebracht wurde. Aber die Weltlage ist heute eine völlig andere – und sie erfordert mehr als Slogans. Die Mode kann nicht die Aufgabe abnehmen, die der Feminismus leisten muss. Aber sie kann dabei inspirieren. Vielleicht findet sie in der nächsten Saison dazu zurück.

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