Birkenstock verliert Kunsturteil vor Bundesgerichtshof: Schlappe für die Sandalenmarke – Wirtschaft | ABC-Z

Stimmt schon: Kunst liegt im Auge des Betrachters. Wie sonst wäre es möglich, dass sich Menschen seit Jahrzehnten ebenso leidenschaftlich wie fruchtlos über die Werke eines Joseph Beuys oder Marcel Duchamp streiten? Was die Werke von Karl Birkenstock und seinen Nachfolgern angeht, herrscht jetzt allerdings rechtsverbindliche Klarheit: Die sind keine Kunst.
Denn die Betrachter waren in diesem Fall die Richter des ersten Zivilsenats am Bundesgerichtshof (BGH). Und die erkannten in den verschiedenen Modellen der Korksohlenschlappen aus dem Hause Birkenstock zwar „handwerkliches Schaffen“ und auch die „Verwendung formaler Gestaltungselemente“. Aber: „Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt“, ließen die Richter wissen – und schmetterten die Klage ab (Az. I ZR 16/24).
:Sind diese Schlappen Kunst?
Birkenstock will seine Klassiker als Kunstwerk schützen lassen, der BGH entscheidet am Donnerstag über die Sandalen-Frage. Sind „Arizona“ und „Gizeh“ bald museumsreif?
Der Deutschen liebste Latsche mag also das Kunststück gelungen sein, erst die Laufstege der Welt und dann sogar die Wall Street zu erobern. Angewandte Kunst ist sie deswegen trotzdem nicht. Das mag nun all jene enttäuschen, die sich schon darauf gefreut hatten, ihr Schuhwerk bald nicht mehr schnöde im Laden, sondern in einer Galerie zu kaufen. Richtig ärgerlich allerdings dürfte die Sache für Birkenstock sein. Die Firma hat viel Zeit und mutmaßlich auch Geld in den Rechtsstreit gesteckt. Gleich mehrere Klagen wurden angestrengt, damit „Arizona“ und „Madrid“, „Gizeh“ und „Boston“ unter den Schutz des Urheberrechts gestellt werden. Nicht allein um ihres ästhetischen Werts willen, sondern vor allem aus ziemlich schnöden Geschäftsinteressen: Birkenstock wurde 2021 mehrheitlich an die amerikanisch-französische Investmentgesellschaft L Catterton verkauft. Seit etwas mehr als einem Jahr ist die Firma aus Linz am Rhein zudem an der New Yorker Börse notiert. Und für Investoren liegt die Schönheit eben hauptsächlich in steigenden Umsatz- und Gewinnzahlen.
Der Absatz der Schuhe mit der flachen Sohle wächst
Wen das Urheberrecht schützt, der kann leicht gegen unliebsame Nachahmer vorgehen. Denn der Schöpfer eines Kunstwerks und seine Nachfahren haben die exklusiven Nutzungsrechte, und zwar noch 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers und ohne dass sie dafür etwas tun müssten. Karl Birkenstock lebt noch, ein positives Urteil wäre also eine langfristige Absicherung für die Firma gewesen. Denn so markant die Optik der Latschen auch sein mag: Unten eine Korksohle, oben die Lederriemen – technisch ist das überhaupt kein Problem. Es gibt deshalb massenhaft Konkurrenz in allen Preis- und Qualitätsklassen für Birkenstock.
So aber ist der Richterspruch aus Karlsruhe eine weitere Schlappe für Birkenstock. Zuvor war die Firma bereits mit einer Wettbewerbsklage gescheitert. Geschäftlich scheint es jedoch trotzdem zu laufen. So meldete Birkenstock ebenfalls am Donnerstag die neuesten Geschäftszahlen für das vergangene Jahresende: 362 Millionen Euro Umsatz machte das Unternehmen demnach weltweit im Weihnachtsquartal, fast ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Vor allem in Asien wuchs der Absatz der Schuhe mit der flachen Sohle demnach rasant.
Und aufgeben wollen sie bei Birkenstock auch nicht. Der Anwalt der Firma kündigte jedenfalls schon mal neue Verfahren an, dann werde man neue Argumente vorbringen, um den künstlerischen Wert der eigenen Produkte zu belegen. Man möchte hinzufügen: Wie man mit einer Schlappe richtig umgeht, wissen sie eben bei Birkenstock.