Wirtschaft

Das Ende aller Illusionen: Das war das Autojahr 2024 | ABC-Z

Es rappelt ganz schön in der deutschen Autoindustrie: Werksschließungen, Entlassungen, Pleiten. Wie konnte es so weit kommen? Schafft die deutsche Schlüsselbranche noch die Wende? Worauf kommt es jetzt an?

Das Automobiljahr 2024 wird in Deutschland als “Jahr der geplatzten Illusionen” in die automobilen Geschichtsbücher eingehen. Abschiednehmen von großen Illusionen müssen sie alle. Allen voran die Politik und mit ihr die vom “grünen” Zeitgeist infizierte woke Gesellschaft und deren Glauben, die Elektromobilität sei ein Selbstläufer und der Autostandort Deutschland gegen Herausforderungen von außen nicht zu erschüttern. Die größten Illusionsverluste hat indessen die Autoindustrie als wichtigste Branche erlitten: zum einen als Ganzes – und das auf allen großen Märkten der Welt -, zum anderen in besonders hohem Maße einzelne Hersteller mit Leuchtturmcharakter als Teile des Ganzen.

Auf Ebene der Autohersteller traf der Realitätsschock vor allem Ford und VW, aber auch Mercedes. Dicht gefolgt von allen Zuliefer-Giganten wie Bosch, Continental, Schaeffler und ZF. Nicht explizit benannt werden können die vielen kleinen und mittleren Zulieferer am Ende nicht nur der automobilen Wertschöpfungskette, sondern vielfach auch ihres finanziellen Durchhaltevermögens (oder schon in der Insolvenz).

Nichts ist unantastbar

Willkommen in der Realität. Alle Illusionen, Irrtümer und Fehlkalkulationen in und um die Automobilbranche im Jahr 2024 aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Verloren gegangen ist 2024 bei allen das Gleiche: die Illusion, ihr traditionelles Geschäftsmodell sei trotz aller externen Herausforderungen durch Krisen ohne Ende unantastbar.

Eine exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche kommt aus dieser Gemengelage an widrigen Rahmenbedingungen kaum ohne Blessuren raus. Das böse Wort von der Deindustrialisierung geistert durch die ökonomische Fachwelt. Die “grüne” Vorstellung, die deutsche Autoindustrie wäre bürokratisch unendlich belastbar und würde Elektro-Transformation und Killing ihres Geschäftsmodells durch das Verbrenner-Aus schadlos überstehen, nimmt gesellschaftsweit rapide ab.

Katzenjammer allerorten

Mit diversen Autogipfeln versucht die Politik, eigene Klima-Fehlentscheidungen zu kaschieren. In der Wirtschafts-und Klimapolitik brach die Illusion weg, man könne binnen kürzester Zeit eine hochgradig auf fossile Verbrennung spezialisierte Industrie wie die deutsche Autoindustrie auf Elektromobilität transformieren. Und dabei auch noch ein zweites Wirtschaftswunder mit Wachstum und Wohlstand generieren statt Verluste und Arbeitsplatzvernichtung.

Der Verlust der ersten Illusion gebar zwangsläufig die nächste: Man könne wirtschaftlichen Fundamentalschäden der Transformation mit Autogipfeln und sozialistischen Parolen bei betriebswirtschaftlich notwendigen Werkschließungen und Lohnkürzungen begegnen. Im schlimmsten Fall mit staatlichen Interventionen. Oder man könne aggressive chinesische Anbieter von billigen Elektroautos, die man so nicht gerufen hatte, mit hohen Einfuhrzöllen zurückdrängen. Obwohl die doch nach landläufiger Meinung genau die E-Autos liefern könnten, die man von den heimischen Herstellern haben wollte aber nicht bekam.

Wo ist der “Drache”?

War aber auch gar nicht erforderlich. Denn die Furcht vor dem “Drachen”, der die deutsche Autoindustrie mit kleinen und billigen Elektroautos am Autostandort Deutschland überrollen würde, erwies sich als Fata Morgana. Zum einen erlebte der Markt für Voll-Elektroautos (BEV) 2024 in allen großen EU-Märkten und hier vor allem in Deutschland einen regelrechten Absturz mit hohen zweistelligen Schrumpfungsraten. Die deutschen Autokunden mögen bislang entgegen aller politischen Beschwörungen in der Masse grundsätzlich keine Batterie-Elektroautos. Auch keine aus China, aber auch nicht aus Grünheide: Tesla und fast alle chinesischen Markteroberer mussten 2024 Absatzverluste von 50 Prozent und mehr hinnehmen.

Aus alldem ist nur ein sicherer Schluss zu ziehen: Der internationale Wettbewerb auf gesättigten Automärkten ist beinhart geworden. Und das erfordert Anpassungen bei allen Herstellern ohne Rücksicht auf Tradition und glorreiche Verdienste in der Vergangenheit.

Bei der deutschen Autoindustrie, vor allem aber bei allen Marken des Volkswagen-Konzerns (VW, Audi, Porsche) wurden zwei wesentliche Illusionen 2024 abrupt gekappt. Der Irrglaube, die Absatzerfolge auf dem chinesischen Giga-Markt der letzten 30 Jahre hielten ewig an, und China liefere hohe Gewinne bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag und kompensiere wie gewohnt alle sonstigen Unternehmens-Torheiten wie strukturelle Kostenineffizienzen.

Die chinesische Autoindustrie ist dabei, die deutschen Wettbewerber mit E-Autos radikal zu verdrängen. Drastische Absatz- und vor allem Gewinneinbrüche sind die Folge. Am schlimmsten hat es den VW-Konzern getroffen, weil gleich alle drei Marken (VW, Audi, Porsche) gleichzeitig in die Bredouille gerieten. In Folge sank die Konzernrendite im dritten Quartal gegen null.

Als Konsequenz zog Vorstandschef Oliver Blume im September die Reißleine, kündigte einen harten Kostensenkungskurs an und stellte sogar Werksschließungen in Aussicht. Doch auch der mit der Gewerkschaft gefundene Kompromiss kann nicht verdecken, wie stark die einzelnen Autohersteller in ihrem ureigenen Geschäftsmodell durch die Kombination von politischen und individuellen strategischen Fehlentscheidungen angeschlagen sind. Dazu 2025 dann sicher mehr.

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