Das Buch thematisiert das schwierige Zusammenleben von Mensch und Wildtier | ABC-Z

Der Bär ist den meisten von uns nur aus dem Zoo oder als „Problembär“ präsent. Man kann sagen: Das Verhältnis zwischen Menschen und Bären ist angespannt. Die französische Autorin Clara Arnaud hat in China, dem Kongo und in Honduras gelebt, bevor sie nach Frankreich zurückkehrte und nun vor allem in den Pyrenäen lebt. Sie weiß also, wovon sie schreibt, kennt die Menschen und ihre Geschichten, die Stimmung und die Landschaft dieser Region. Und das merkt man ihrem Roman „Im Tal der Bärin“ auf jeder Seite an.
Arnaud arbeitet verschiedene und gegensätzliche Interessen und Sichtweisen auf die Bären, diese „Sohlengänger“ heraus, stellt sie nebeneinander in unfriedlicher Koexistenz. Da ist zunächst Jules, der Ende des 19. Jahrhunderts ein Bärenjunges aus der Höhle seiner Mutter stahl, es großzog und dressierte, mit seiner Bärin durch die Welt bis nach Amerika reiste, um reich und berühmt zu werden und der Armut seiner Herkunft zu entkommen. Seine Geschichte, die letztlich eine ziemlich tragische sein wird, rahmt diesen Roman wie die Vergangenheit einer Region immer ihre Gegenwart prägt.
Eine Schäferin stirbt, ist der Bär schuld?
Die anderen beiden Hauptfiguren leben heute: Alma ist ans Zentrum für Biodiversität in Arpiet gekommen, um die neu angesiedelten Bären zu erforschen. Sie ist fasziniert vom Sozialverhalten dieser Tiere, will herausfinden, wie die Koexistenz zwischen Menschen und Bären gelingen kann.
© Marie-Laure Duarte
von Marie-Laure Duarte
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Gaspard dagegen hat im vergangenen Jahr als Schäfer auf der Hochalm miterlebt, wie nicht nur Schafe vom Bären gerissen wurden, sondern auch seine junge Kollegin in diesem Zusammenhang unter ungeklärten Umständen tödlich abstürzte. Sein Verhältnis zu den Tieren ist zwiespältig, er fürchtet ihre Angriffe und hat doch auch Ehrfurcht vor ihnen. Wo er das Mitgefühl der Bergmenschen auf seiner Seite hat, ist Alma ihrem Misstrauen, Spott und Argwohn ausgesetzt. Als die Bärin, die sie beobachtet, Gaspards Schafe angreift, beginnt die Situation zu eskalieren. Irgendwann fallen Schüsse.
An Verklärung oder romantisierender Bergidylle hat Clara Arnaud kein Interesse. Zwar nimmt sie einen mit in eine atmosphärische, beinahe mystische Bergwelt und schildert mit genauem und zugewandten Blick diese karge Landschaft, ihre Menschen und Tiere. Doch sie zeigt in jedem Augenblick Flora, Fauna und Menschen als gleichwertige, nie aber gleichberechtigte Partner in diesem komplexen Zusammenspiel. Die Bären sind weniger autarke Lebewesen als Objekte des menschlichen Blicks: gefürchtet, dressiert, bewundert, erforscht und ermordet.
Arnaud blickt auf die Probleme hinter der Idylle, auf eine unter dem Klimawandel leidende Natur, auf die harten Realitäten des Schäferlebens: „Inzwischen fragte er sich, ob die Berge seiner Kindheit nicht ein Hirngespinst waren, die nichts mit dem kaputten Ökosystem zu tun hatten, das er als Hirte durchstreifte und dessen offene Wunden er jeden Tag sah.“
Ein Buch für Liebhaber der Natur
Dieses Buch ist eines für alle, die die Berge lieben und vielleicht auch die Bären. Die sich keinen Illusionen hingeben wollen, sondern diese Landschaft als Lebensraum jenseits des Tourismus kennenlernen möchten. Arnaud verwebt Zeiten und Perspektiven zu einem dichten Gewebe aus Emotionen, aus Angst und Ehrfurcht, Hass und Bewunderung.
Clara Arnaud: „Im Tal der Bärin“ (Kunstmann, 352 Seiten, 26 Euro). Am 13. März 2025 liest die Autorin um 19 Uhr im Münchner Literaturhaus aus ihrem Buch.