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Darum zählte das Eintracht-Tor von Bahoya gegen FC Bayern München nicht | ABC-Z

Die Klasse der Fußballspieler des FC Bayern lässt sich in vielerlei Hinsicht bemessen. Dass sie am Samstagabend beim souverän erspielten Sieg bei Eintracht Frankfurt auch das zehnte Spiel dieser Saison gewannen, ist nur eine hervorstechende Statistik. Durch das 3:0, erzielt durch Tore von Luis Díaz (1. und 84. Minute) und Harry Kane (27.), erhöhten die Münchner ihr Bundesliga-Konto auf 18 von 18 möglichen Punkten und 25 erzielte bei nur drei kassierten Treffern. Dabei schoss auch die Eintracht ein Tor, ein sehr schönes noch dazu, doch fand es keine Anerkennung.

So paradox es auf den ersten Blick klingt, zeigte sich auch bei diesem vermeintlichen Gegentor die Klasse der Bayern-Spieler. Weil sie etwas wahrnahmen, was viele andere im Stadion nicht wahrnahmen, auch Schiedsrichter Daniel Siebert nicht, zumindest nicht vollumfassend. Kurz nachdem Jean-Mattéo Bahoya den Ball mit seinem rechten Fuß sehenswert in den Winkel des Tores von Manuel Neuer gezirkelt hatte, ging dessen Reklamierarm in die Höhe. Nun ist das beileibe keine Seltenheit. Doch diesmal hatte der frühere Nationaltorwart einen guten Grund.

Und nicht nur das: Kaum jubelten die Frankfurter über den vermeintlichen Ausgleich, standen schon Leon Goretzka und andere Bayern protestierend vor dem Schiedsrichter. Goretzka sah, weil er wie wild geworden zu Siebert stürmte, die Gelbe Karte, dann winkte der Schiedsrichter Joshua Kimmich, den Feldspieler-Vertreter von Kapitän Neuer, zu sich, um seine Sicht auf die Situation zu erläutern. Das machte Siebert nach dem Spiel auch beim Fernsehsender Sky und schilderte dort, wie die Entscheidungsfindung lief. Was aber hatte die Münchner derart aufgebracht?

Der Frankfurter Kapitän Robin Koch hatte mit einem weiten Pass Mitspieler Ritsu Doan auf der rechten Außenbahn gefunden. Nach der Annahme wollte der Japaner den Ball an Konrad Laimer vorbeilegen. Dabei berührte er ihn aber leicht mit der Hand. Statt nach links, wie von Doan gewünscht, flog der Ball durch den Kontakt nach rechts. Nach der Hereingabe in den Rückraum kam Hugo Larsson nicht an den Pass, berührte den Ball aber leicht, sodass er genau in den Lauf Bahoyas rollte, der ihn ins Tor schoss. Die Frankfurter jubelten, die Münchner protestierten – mit Erfolg.

Nach Rücksprache mit Videoassistent Benjamin Cortus sah sich Siebert die Szene auf dem Bildschirm an und erkannte den Treffer nicht an. „Das regeltechnische Kriterium, das hier alles schlägt, ist, dass die Hand zum Ball geht“, sagte Siebert bei Sky: „Der Ball geht eigentlich in eine andere Richtung. Doch durch diese Ballberührung ist er auf einmal wieder an seinem Fuß und er hat ihn unter Kontrolle.“ Er sei überzeugt davon, Laimer hätte den Körper „dazwischen gepackt, die Ballkontrolle gehabt und den Gegenangriff einleiten können“, sei der Ball nicht an die Hand gegangen. „So hat sich der Spieler den Ball praktisch wieder vorgelegt.“

So traf Siebert zwar letztlich die aus seiner Sicht korrekte Entscheidung, dennoch war er nicht glücklich mit seiner Leistung in dieser Situation. „Es ist ärgerlich“, sagte er. „Das wäre alles nicht passiert, wenn man einfach die Szene gleich tot macht (abpfeift/d. Red.), dann erspart man sich eine Menge Emotionen, Ärger und Minuspunkte in meinem Beobachtungsbogen.“ Dabei hatte Siebert die Ballberührung von Doans Hand gar nicht übersehen, aber nur peripher wahrgenommen. Seine detaillierten Aussagen dazu veranschaulichten später das komplexe Schiedsrichterspiel.

„Ich habe es ein bisschen gesehen, aber wenn man ein Tor wegpfeift, muss man es klar sehen“, sagte Siebert und gab zu, schlicht überrascht gewesen zu sein. „Das ist eine Situation, in der ein Handspiel normalerweise unerwartet ist. Ich hätte eher mit einem Handspiel vom Verteidiger gerechnet oder mit einem Foul. Wir schauen eigentlich immer nur auf die Verteidiger, auf die offene Hand oder auf die Füße: Lässt er sein Bein stehen? Fällt Doan drüber?“ All das passierte nicht, dafür eben Doans Handspiel. „Dass der Spieler sich den Ball selbst an die Hand schießt, war für mich zu unerwartet, deswegen war da nicht der komplette Fokus drauf.“

Dass die Entscheidung nach Ansicht der Bilder von Siebert so getroffen wurde, wie sie getroffen wurde, konnte Dino Toppmöller nachvollziehen. „Wenn man sieht, dass er den Ball gegen die Hand bekommt und das die Regel ist, muss man das akzeptieren“, sagte der Frankfurter Trainer bei Sky, gab jedoch zu bedenken: „Letzte Woche in Gladbach – auch wenn der Spielstand 6:0 war – spielt der Gegner Basketball in der eigenen Box. Dann geht keiner raus und guckt sich das an, daher verstehe ich das nicht.“

Ein 1:1 nach 14 Minuten hätte dem Spitzenspiel womöglich einen Dreh gegeben. So kam keine neue Spannung auf, die Bayern siegten am Ende souverän. Dass Münchner Spieler besonders wach sind auf dem Spielfeld, war nicht nur in Frankfurt zu sehen. Schon am ersten Spieltag, als der Leipziger Castello Lukeba bei einem Freistoß regelwidrig einfach losdribbelte, statt den Ball zu spielen, war Joshua Kimmich einer der wenigen, die die Regelwidrigkeit sofort erkannten und protestierten. Den meisten Zuschauern und dem Schiedsrichter-Team war das schlicht entgangen.

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