Darf man im Kino mitsingen? Ein US-Filmtheater-Betreiber hat das jetzt verboten – Kultur | ABC-Z
Es gibt Menschen, die finden es ganz gut, dass US-Kinobetreiber wie AMC Theatres ihr Publikum gerade mal wieder darauf hinweisen, bei Musicals während der Vorstellung bitte nicht mitzusingen. Auch der australische Schriftsteller Patrick Lenton erklärte in diesem Zusammenhang jetzt im Guardian, mit einer Eintrittskarte, egal für welches Kino, erhalte man ebenso wenig das Recht zum Mitsingen oder Mitreden wie mit dem Kauf eines Buches, damit nach einem Radfahrer zu schmeißen. Durch die Bezahlung eines Essens im Restaurant erkaufe man ja auch nicht den Anspruch, sich des Mahls gleich am Tisch wieder zu entledigen.
Dennoch: Es gibt viele Menschen, die es mögen – etwa während „Mamma Mia!“, „Die Eiskönigin“ oder jetzt „Wicked“ –, anderen mal zu zeigen, was sie musikalisch so draufhaben. Und ist es nicht schön, wenn auch jenseits von Indien oder Italien im Kino mal einer so richtig aus sich rausgeht?
Kino ist eben auch ein sehr intimer Raum
Schon der französische Filmregisseur François Truffaut berichtete vom „großen Verlangen, in Filme einzudringen“, welches er bereits als Jugendlicher verspürt habe. Allerdings wohl eher nicht so wie jene Typen, die bei „Blues Brothers“ oder „The Rocky Horror Picture Show“ plötzlich aus ihren Klappsesseln springen, um das, was gerade auf der Leinwand zu sehen ist, vor dem Notausgang nachzumachen. Truffaut meinte eher das Einswerden mit der Kunst, indem man „immer näher an die Leinwand heranrückt“ und den Kinosaal hinter sich „versinken“ lässt. Denn, das darf man nie vergessen: Kino ist nicht nur ein öffentlicher, sondern auch ein sehr intimer Raum. Da ist der ein oder andere empfindlich für Geräusche und Gerüche.
Aber kommen nicht gerade in diesen Tagen in Deutschland wieder überall Menschen zusammen, um während der Rühmann’schen „Feuerzangenbowle“ in dunklen Sälen Wecker, Wunderkerzen und Glühwein miteinander zu teilen? (Obwohl der Film historisch belastet ist und die Aufführungsrechte bei einer Frau liegen, die zuletzt sehr in der AfD engagiert war.) Und: Ist es nicht ein tolles Gemeinschaftsgefühl, auch mal wieder mit „Mary Poppins“-Darstellerin Julie Andrews „Supercalifragilisticexpialigetisch“ zu buchstabieren oder gemeinsam mit ihr während „The Sound of Music“ unserem sympathischen Nachbarland Österreich zu danken: „Schnitzel with Noodles … these are a few of my favorite things.“
Und so bleibt „Audience Participation“ eben immer ein heikler Spagat. Bei den „lebenden Photographien“ eines Max Skladanowsky schien sich im Jahr 1895 das Publikum im Berliner Wintergarten noch einig zu sein: Das, was da auf der Leinwand zu sehen war, war eine Sensation, da durfte ruhig mal kurz aufgeschrien werden. Auch Victor Klemperer lobte im Jahr 1912 die Kinostimmung allgemein als der „des gegenwärtigen Theaters überlegen“.
Also sollte man sie vielleicht einfach singen lassen, die Leute, die das gerne tun. Wer sich ausgerechnet für ein Musical oder für einen Kultfilm wie „Das Leben des Brian“ im Kino entscheidet, der müsste das aushalten können. Notfalls kann man ja immer noch ein Buch nach hinten schmeißen.