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Dann sagt Friedrich Merz im Quadrell einen Satz, der ihm noch leidtun könnte | ABC-Z

Als Robert Habeck die wahrscheinlich schlimmste Erfahrung seines bisherigen politischen Lebens machen muss, da hat er das Fernsehstudio längst verlassen. Bislang galt der Kanzlerkandidat der Grünen als der bei weitem beste und auch der sympathischste Kommunikator. 

Das ist seit gestern Sonntagabend Geschichte. Bisher schon lief der Wahlkampf der Grünen und ihres Spitzenmannes einfach schlecht – eine Partei-Affäre, die nicht gelöst wird und die den hohen moralischen Anspruch der Grünen kühl dekonstruiert hat. 

Ein Steuer-Vorschlag, der als Beitrag zur Gerechtigkeitsdebatte gedacht war und am Ende doch mehr Furcht und Schrecken bei den Steuerzahlern gestiftet hat. Und dann dieser seltsame „Quadrell“-Abend , an dem Habeck es zu keinem Moment schafft, die Oberhand über die anderen zu gewinnen.

Habeck kann nicht mal Weidel hinter sich lassen

Nicht gegen Merz kann er punkten. Aber auch nicht gegen Olaf Scholz, den viele Bürger im Grunde schon abgeschrieben hatten – damit sollte man, das konnte man an diesem Sonntag auch lernen, vorsichtig sein. 

Aber: Nicht einmal Alice Weidel konnte Habeck hinter sich lassen. Die beiden schnitten auf gleicher Höhe ab – was damit: ein eindeutiger Erfolg von Weidel ist, der Kanzlerkandidatin der AfD. Und eine Schmach für Habeck. 

Kühl formulierte es – als einziger der vielen Journalisten an diesem Abend – Nikolaus Blome. Weidel gehöre von jetzt an wohl dazu. Und man kann vielleicht sagen: Für ihre Partei hat sie an diesem Abend wohl das Maximum herausgeholt. Und: Sie ist nicht letzte geworden, was bemerkenswert war. Denn Weidel stand gegen alle, sie wollte es aber auch so. Und es ist gut möglich, dass Weidel auch das Thema setzt der letzten Tage dieses bemerkenswerten Bundestagswahlkampfs.

Trump ist dabei zu tun, was AfD, Linke und BSW lange empfohlen haben

Denn die AfD-Frontfrau ist die Einzige, die sagt: Keine Waffen mehr an die Ukraine. Schon gar nicht jetzt, nachdem Donald Trump mit Wladimir Putin einen Separat-Frieden anstrebt. Einen Frieden, bei dem es weder auf die Ukrainer noch auf die Europäer und schon gar nicht die Deutschen anzukommen scheint. Und bislang haben auch weder der amtierende Kanzler noch der wahrscheinlich nächste Regierungschef den Amerikanern – außer Trotz und Durchhalteparolen – irgendetwas Substantielles entgegenzusetzen.

Im Grunde ist Trump gerade dabei zu tun, was in Deutschland die AfD, die Linke und das BSW lange empfohlen haben: Verhandeln mit den Russen, Frieden zu schließen, zur Not auf dem Rücken der Ukraine. 

Inzwischen finden sich, passend dazu, immer mehr Videos von ukrainischen Soldaten, die jetzt fragen: Wozu das alles? Wozu die ganzen Opfer, die vielen Toten? 

Die einzige wirklich belastbare Antwort auf die ganz neue strategische Herausforderung gaben weder Scholz, noch Habeck und auch nicht Merz. Gegeben hat diese Antwort überraschenderweise der schwer unter Druck stehende ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Wenn es jetzt um die europäische Sicherheit vor Russland geht, wenn man sich auf die Amerikaner nicht mehr verlassen kann, dann ist die Zeit reif für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft.

Merz will Taurus-Mittelstreckenraketen liefern – Scholz will es nicht

Die Idee ist naheliegend, aber nicht einmal Lady Europe, die Brüsseler Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wagte sich damit vor. Wäre es nicht ihr Job gewesen? Als so hilflos wie wortreich einen Status Quo zu verteidigen, den Trump und seine Leute gerade in die Luft gejagt haben? 

Merz will Taurus-Mittelstreckenraketen an die Ukraine liefern, Scholz will es nicht. Aber was kann dieses an sich hoch wirksame Waffensystem, überhaupt noch ausrichten, wenn die Amerikaner sogar bereit sind, Selenskyj fallenzulassen – und genau so sah es in den vergangenen Tagen aus.

Was passiert nun in den nächsten Tagen – in diesem Wahlkampf? Nimmt er nun noch einmal eine neue Wendung? 

Dass mit Grünen und SPD eine Asylwende nicht zu machen ist, haben ein weiteres Mal die Diskussionen nach dem jüngsten islamistischen Attentat von München gezeigt. Und deshalb hängt auch ein zentrales Versprechen von Friedrich Merz in der Luft – dass es einen Neuanfang in der Migrationspolitik auch mit seinen wahrscheinlichen Koalitionspartnern geben werde – mit SPD und Grünen. Es gibt allerdings ein großes Aber: Das Einzige, was Merz versprechen kann und auch verspricht, ist, SPD und Grüne hätten „verstanden“, dass sie selbst so nicht weitermachen könnten wie in den vergangenen drei Jahren. Dass sie sich substantiell bewegen müssten in der Migrationsfrage.

Nur: Zuletzt haben sowohl Grüne wie auch Sozialdemokraten klar gemacht, dass mit ihnen weder Abweisungen an der Grenze zu machen sind noch die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Das ist der Honigtopf, aus dem Weidel saugt.  

Mit Macht drängt jetzt das größte aller Themen nach vorn: Krieg und Frieden 

Der Noch-Bundeskanzler sagt: Dass Amerikaner und Russen über die Ukraine entscheiden, ohne die Ukraine, vor allem aber ohne die Europäer, ohne die Deutschen – „das lassen wir nicht zu“. 

Deshalb fliegt Olaf Scholz an diesem Montag zum französischen Präsidenten Emanuel Macron, will mit ihm besprechen, wie die Europäer wieder einen Fuß in jene Tür bekommen, die das amerikanische Spitzenduo aus Trump und Vance mit Wucht zugeworfen hat. 

Aber was hat Scholz zu bieten? Was hat Macron zu bieten? Was haben die Europäer zu bieten? 

Vance gab Weidel Privataudienz, Scholz nicht mal eine halbe Minute

Friedrich Merz sagte im „Quartell“ einen martialischen Satz: „Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe.“ 

Gemeint war die Empfehlung von J.D. Vance, es doch einmal die der AfD zu versuchen und die „Brandmauer“ abzureißen, ganz so, wie Weidel dies verlangt. 

Vance gab Weidel eine halbe Stunde Privataudienz, Scholz nicht mal eine halbe Minute. Immerhin kam Merz zum Zug. Nur: 

Diese Allianz aus Trump und der AfD ändert die Aufstellung in diesem Wahlkampf. Weidel lässt sich nicht mehr ignorieren, auch wenn die anderen sagen: Mit denen nicht. Alle warnen inzwischen schon vor dem 2029-Szenario, obwohl das nicht gerade ein Ausdruck besonderer eigener Stärke ist. Die Mitte-Parteien kriegen die Migration und die Rezession nicht in den Griff, und dann sitzt da mit Weidel nicht nur eine Kanzler-„Kandidatin“.

Scholz schnitt weitaus besser ab als seine eigene Partei in den Umfragen

Ein Wort zu Scholz noch: Der Kanzler hat seine Zahlen parat und seine Parolen. Er kann auch Debatte. Er beherrscht die Körpersprache, die man draufhaben muss, wenn man signalisieren will: ich kann trotzdem noch gewinnen. 

Er ignorierte alle Mahnungen hinter seinem Pult stehen zu bleiben. Er trat daneben – und nahm eine lässige Kanzlerpose ein. Er redet dann auch so, man sah sogar Spurenelemente von Humor aufblitzen. Am Ende setzten ihn die Zuschauer in die Mitte zwischen Habeck-Weidel und Merz. Jedenfalls schnitt Scholz weitaus besser ab als seine eigene Partei in den Umfragen. 

Friedrich Merz sollte sich nicht zu sicher sein. Eine Woche kann sehr lang sein. Gegen Ende rutschte dem CDU-Vorsteher, augenscheinlich provoziert von Weidel – im Gefühl der fast Unbesiegbarkeit – noch ein gefährlicher Satz heraus, einer, den man vor allem in München noch von allen Seiten beleuchten wird. Er lautet: „Herr Söder schreibt mir gar nichts vor.“

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