Dafür kein Misstrauensvotum: Frankreichs Premier will Rentenpaket wieder aufschnüren | ABC-Z
Dafür kein Misstrauensvotum
Frankreichs Premier will Rentenpaket wieder aufschnüren
14.01.2025, 18:37 Uhr
Der neue französische Premier muss sparen, aber er darf es sich mit der Opposition von links und rechts nicht verscherzen. Andernfalls droht ihm der jähe Sturz per Misstrauensvotum. Bayrou verspricht daher, das einst heftig umstrittene Rentengesetz wieder zur Debatte zu stellen.
Frankreichs Premierminister François Bayrou will die bereits seit 2023 greifende Rentenreform noch einmal für drei Monate zur Debatte stellen. “Ich habe beschlossen, dieses Thema noch einmal aufzurollen”, sagte Bayrou in seiner Regierungserklärung. “Wir können den Weg zu einer neuen Reform suchen, ganz ohne Tabus”. Dies umfasse auch die Frage nach dem Rentenalter, das durch die Reform schrittweise von 62 auf 64 Jahre erhöht wurde.
Dazu solle ein neues Gremium mit Vertretern aller Seiten eingesetzt werden. “Wenn diese Delegation eine ausgeglichene und gerechte Lösung findet, werden wir sie übernehmen”, versprach Bayrou. “Aber wenn die Sozialpartner sich nicht einigen, dann wird die aktuelle Rentenreform weiter umgesetzt”, fügte er hinzu.
Bayrou betonte zugleich, dass Frankreich unter seiner enormen Verschuldung leide. “Bei allen Wirtschaftskriterien liegt Frankreich deutlich hinter Deutschland zurück”, sagte er. “Die Verschuldung ist ungerecht und unerträglich, wenn unsere Ausgaben von unseren Kindern geschultert werden müssen”, sagte Bayrou. Er rechne für 2025 mit einem Defizit in Höhe von 5,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts und einem Wachstum von 0,9 Prozent.
Offen für Wahlrechtsreform
Die linksgrüne Opposition hatte die Rücknahme oder Aussetzung der Rentenreform zur Bedingung gemacht, um auf ein Misstrauensvotum zu verzichten. Bayrou hatte versucht, einen Keil zwischen die Linkspopulisten und die gemäßigteren Sozialisten zu treiben, um sich die Unterstützung der Letzteren zu sichern.
Bayrou zeigte sich offen für eine Wahlrechtsreform, die der Verhältniswahl einen größeren Platz einräumt – eine Forderung unter anderem der Rechtspopulisten. Zudem wolle er “die Frage der Ämterhäufung” neu stellen, sagte er – eine Anspielung auf seinen Wunsch, als Premierminister sein Amt als Bürgermeister beizubehalten.
Mit Blick auf die anstehende Amtsübernahme des künftigen US-Präsidenten Donald Trump beschränkte sich Bayrou auf den Appell, dass Frankreich sich nicht unterkriegen lassen solle. “Wir müssen diesen Großmächten ins Gesicht sehen. Wir müssen ihnen zeigen, wer wir sind”, sagte er. Wenn Frankreich dazu nicht in der Lage sei, werde es “vergessen und ignoriert”. Bayrou bekräftigte die von Präsident Emmanuel Macron häufig geäußerte Forderung, Europa müsse sich neben China und den USA auf dieselbe Stufe stellen. “Europa muss eine strategische Gemeinschaft, eine politische und eine Verteidigungsgemeinschaft werden”, sagte er. Dazu seien entsprechende Investitionen nötig.
Bekenntnis zur Atomstrategie
Mit Blick auf die konservativen und rechtspopulistischen Parteien kündigte Bayrou an, die Zahl der Abschiebungen von Menschen ohne Bleiberecht zu steigern. “Derzeit werden 93 Aufforderungen zum Verlassen des Landes nicht befolgt”, kritisierte er. Dies liege vor allem daran, dass die Herkunftsländer die Zusammenarbeit verweigerten. Um dies zu ändern, wolle er ein neues Einwanderungsgremium einsetzen.
Die Herausforderungen des Klimawandels handelte Bayrou mit einer Bekräftigung der bisherigen Atompolitik ab. “Für eine klimafreundliche und bezahlbare Energie ist Atomenergie der richtige Weg”, betonte er. Den Ausbau erneuerbarer Energien erwähnte er nicht.
Seit seiner Ernennung kurz vor Weihnachten hatte Bayrou mit den Vertretern aller politischen Lager über eine Art Stillhalteabkommen verhandelt, um zumindest den Haushalt für das laufende Jahr verabschieden zu können. Wegen der Pattsituation in der Nationalversammlung ist Bayrous Minderheitsregierung gefährdet, durch ein Misstrauensvotum gestürzt zu werden. Dies ist möglich, sobald Links- und Rechtspopulisten gemeinsam dafür stimmen. Dies hatten sie zuletzt im Dezember getan, als sie Bayrous Amtsvorgänger Michel Barnier gestürzt hatten.