Dänemark ist Handball-Weltmeister: Die Krönung des Gekrönten | ABC-Z

Oslo. Die dänische Nationalmannschaft dominiert auch das Finale dieser Handball-WM gegen Kroatien. Mathias Gidsel stich einmal mehr heraus.
Vier Finger, überall streckten sie vier Finger in die Luft. Die Jubelgeste, die zeigte: Dänemark ist Handball-Weltmeister und das zum vierten Mal in Folge! Am Sonntagabend gewann der haushohe Favorit dieses Turniers das Endspiel gegen Kroatien mit 32:26 (16:12) in der ausverkauften Unity Arena in Oslo.
Seit Januar 2021 gehörte Dänemark immer zu den besten drei Mannschaften der Welt oder in Europa. Schon die drei aufeinanderfolgenden Titel 2019, 2021 und 2023 waren eine nie dagewesene Demonstration der dänischen Dominanz. WM-Titel Nummer vier ist die absolute Krönung.
Auf dem Weg dahin erlebten die Dänen eine Partie, in der sie zum ersten Mal in diesem Turnier wirklich gefordert wurden. Schubsereien, hitzige Wortgefechte und eine aggressive Abwehr, die der kroatische Nationaltrainer Dagur Sigurdsson gestellt hatte. Das Team, das seit nun 37 WM-Spielen ungeschlagen ist, kämpfte gegen emotional aufspielende Kroaten um die Deutungshoheit in diesem Finale.
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Mathias Gisel ist erneut WM-Torschützenkönig und MVP
Gefährdet war der historische vierte Titel aber nie, am Ende standen standesgemäße sechs Treffer Vorsprung auf dem Videowürfel – in keiner WM-Partie waren es weniger als sechs Tore. Emil Nielsen parierte erneut auf Weltklasse-Niveau (13 Paraden), das Kollektiv von Nationaltrainer Nikolaj Jacobsen funktionierte reibungslos und dann war da ja auch noch Mathias Gidsel. Der treffsicherste Schütze der Partie (zehn Tore) und dieser WM (74), der MVP des Turniers, der Ausnahmekönner, der größte Superstar, den der Handball momentan zu bieten hat.
Der 25-Jährige hat den Januar genau so verbracht, wie er es am liebsten hat. Im Kreise der dänischen Nationalmannschaft und am Ende mit einer Goldmedaille um den Hals. Als die Dänen 2019 ihren ersten von nun vier WM-Titeln holten, da war der damals 20-Jährige noch mit der U21 unterwegs. Ein lästiger Umweg an die Weltspitze, den Gidsel nach der Corona-Pandemie hinter sich ließ.
Currywurst mag er mittlerweile lieber als dänische Hotdogs
2021 feierte er den ersten großen Triumph mit der A-Nationalmannschaft. Gold bei der WM in Ägypten, und gleich ins All-Star-Team gewählt. Spätestens da wurde die Handball-Welt auf diesen jungen, drahtigen und unglaublich zielstrebigen Spieler aus Skjern aufmerksam.
Stefan Kretzschmar war einer der ersten, der zum Telefon griff, um dieses Juwel von einem Wechsel nach Deutschland zu überzeugen. Der Sportvorstand der Füchse Berlin hatte die richtigen Argumente und schließlich Erfolg. 2022 kam Gidsel in die Hauptstadt.
Was für ihn als Sprungbrett begann, ist die ganz große Handball-Liebe geworden. Der Rückraumspieler fühlt sich mit Freundin Katrine und Hund Hermann in Berlin wohl, mag Currywurst mittlerweile lieber als dänische Hotdogs, fährt überall mit der Straßenbahn hin und hat eine Wohnung gekauft. Die er dann auch noch eigenhändig renoviert hat.
Auszeichnungen als Torschützenkönig und MVP sind die Regel
Was wieder mal die Frage aufwarf, was dieser Mann eigentlich nicht kann. Die Liste seiner Erfolge ist mittlerweile länger als die Einkaufsliste einer vierköpfigen Familie vor Weihnachten.

Die dänischen Fans in Oslo erlebten einen feucht fröhlichen Abend.
© dpa | Soeren Stache
Dänischer Meister und Pokalsieger, Sieger der EHF European League, Olympia-Silber 2021 und die Auszeichnung als wertvollster Spieler des Turniers (MVP), EM-Silber 2022 und 2024, Titel, MVP und Torschützenkönig bei der WM 2023, Torschützenkönig bei der EM 2024, Gold, Torschützenkönig und MVP bei den Olympischen Spielen 2024.
Dazu unzählige persönliche Rekorde, wie die neue Bestmarke der meisten Feldtore in der Handball-Bundesliga (263 Treffer). Als 2023 aus dem Jungen, der mit 14 aufs Handball-Internat zog, ein Welthandballer wurde, war da plötzlich auch eine Menge Druck.
Nicht mal ein Eisbeutel am Knie kann den Welthandballer aufhalten
Gidsel arbeitete mit einem Mentaltrainer, um mit der Erwartungshaltung besser umgehen zu können. Er ist ehrgeizig, kann nicht verstehen, wie man nicht 100 Prozent Leistung geben kann, will sich immer mit den Besten der Welt messen. Das Problem: Die Konkurrenz ist gering. Er ist der Beste der Welt.
Allüren, Arroganz oder anmaßende Sprüche findet man bei ihm trotzdem nicht. Nach dem Halbfinale gegen Portugal (40:27) stand der Däne auf Socken in der Interview-Zone, blieb vor jedem Mikrofon stehen und beantwortete freundlich jede Frage. Trotz Eisbeutel am Knie.
„Ich bin nur alt“, sagte er und schaute kurz auf die Konstruktion aus Frischhaltefolie an seinem Bein. Nichts, was den ambitionierten Berliner davon abhalten würde, zwei Tage später wieder 200 Prozent zu geben.
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Mathias Gidsel spielt „Champagner-Handball“
Pausen kennt Gidsel nicht, er braucht sie auch nicht. Bei der WM spielte er knapp 480 von möglichen 540 Minuten. Als er im Viertelfinale gegen Brasilien trotz dänischer Dominanz bis zur 60. Minute durchspielte, schrieb ihm Füchse-Sportchef Kretzschmar hinterher eine Nachricht. Ob er denn in so einem Spiel wirklich durchspielen müsse. „Come on. A little bit Cardio“, lautete die Antwort von Gidsel. Ein bisschen Ausdauertraining.
Was despektierlich klingt, ist nur eine weitere Erklärung dafür, wie Gidsel tickt. Er kann es nicht ausstehen kann, wenn er auf der Bank sitzt. Er kann nicht verstehen, dass man in einem Spiel irgendwann vom Gaspedal geht, um Kräfte zu schonen. Im Gegensatz zu vielen anderen hat er offenbar ein unerschöpfliches Fitness-Reservoir, kennt keine Schmerzen, wenn er mit Leichtigkeit durch die gegnerischen Abwehrreihen fliegt. Der Lohn sind Titel, Medaillen und Lobeshymnen. Der Weltverband IHF adelte Gidsels Spielweise während des Turniers als „Champagner-Handball“.
Champagner, der dürfte auch in der rauschenden, rot-weißen Partynacht in Oslo noch reichlich geflossen sein.