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Dachau Volksfest: Auf der Thoma-Wiese wuselts wieder – Dachau | ABC-Z

Am Donnerstagvormittag parkt vor der Geisterbahn „Haunted Mansion“ auf der Ludwig-Thoma-Wiese ein schwarzer Lastwagen. Von der Ladefläche aus wuchten drei Männer mehrere Platten in den ersten Stock der Gruselvilla, wo zwei andere Männer die Teile nach oben ziehen. Bald können dort schreckresistente Menschen in Gondeln steigen, die von der Decke hängen und sich drehend, kippend und vibrierend in die Dunkelheit bewegen. Jetzt aber treibt vor allem das Gewicht der Platten den Arbeitern den Schweiß in die Nacken – nicht aus Angst, sondern vor Anstrengung.

Am Samstag um 12 Uhr beginnt das Dachauer Volksfest mit dem traditionellen Anstich. Weniger als 48 Stunden davor herrscht auf dem Festgelände Hochbetrieb: Lastwagen schieben sich aneinander vorbei. Schausteller bauen Fahrgeschäfte auf oder verpassen diesen den letzten Schliff. Überall wird gehämmert, geputzt, geschwitzt. Die Arbeiten der Schausteller, Wirte und Standbetreiber greifen so ineinander, dass es einem fast so vorkommt, als wäre die Thoma-Wiese ein Lebewesen, das erwacht ist und sich für seine große zehntägige Kür zurechtmacht.

„Wenn es losgeht, musst du einfach schauen, dass es läuft“

Am Fahrgeschäft „Sound Machine“, wo es die Fahrgäste gleichzeitig im Kreis und kopfüber dreht, schrubbt eine Frau eine Gondel, auf der „shake it“ steht und sich der Putzmittelschaum verteilt. Gegenüber am Autoscooter bauen Männer die Technik zusammen, während an einem Gestell mitten auf der Fahrfläche nasse Kleidung trocknet – am Morgen war ein Platzregen über Dachau niedergegangen. Volksfestreferent Robert Gasteiger kann dem Schauer trotzdem etwas Gutes abgewinnen: Jetzt wisse man immerhin, dass das Zelt dicht sei, sagt er und lacht.

Dort, im großen Festzelt wuselt irgendwo im Küchenbereich Ludwig Rettinger herum und versucht, sich auf seine Premiere als Festwirt vorzubereiten. Zeit hat er eigentlich keine – und nimmt sich trotzdem ein paar Minuten, um einen Tross bestehend aus Oberbürgermeister Florian Hartmann, Volksfestreferenten, Stadtmitarbeitenden und Journalisten zu empfangen. Hinter ihm tut sich eine Küchenlandschaft auf. Die Küche ist nicht nur komplett neu, sondern noch mal größer als im vergangenen Jahr. „Die hat Wiesn-Niveau“, sagt Gasteiger.

Auch hier polieren Rettingers Mitarbeiter noch die chromfarbenen Geräte, einer klopft Schnitzel fast im Akkord, damit spätestens am Freitagabend, wenn Ois Easy das Volksfest mit ihrem traditionellen Konzert einläutet, das Bier in die Krüge fließen und Essen auf die Teller kommen kann. Ja, sagt Ludwig Rettinger, er habe schon mal besser geschlafen. Er fiebere hin auf den Start des Volksfestes. „Wenn es losgeht, dann musst du in den sauren Apfel beißen. Dann musst du einfach schauen, dass es läuft“, sagt er.

Vor der Bühne im Zelt fehlen am Donnerstagvormittag noch Tische und Bänke. Auch die Boxen sind noch nicht aufgebaut, erst am Nachmittag werden die Bedienungen die Garnituren aufstellen. Vereinzelt stehen Paletten herum, auf denen massenweise Masskrüge hinter einer Plastikverpackung hervorblitzen. Die Mass Augustiner kostet dieses Jahr im großen Festzelt 9,70 Euro. Erstmals fließt in Dachau auch das begehrte alkoholfreie Helle der Münchner Traditionsbrauerei aus den Zapfhähnen. Das Dachauer Volksfest sei neben dem Oktoberfest das einzige Volksfest, auf dem Augustiner das neue Trendbier ohne Alkohol ausschenke, sagt Oberbürgermeister Hartmann. Er klingt stolz.

Kurz darauf hocken Hartmann und Gasteiger in einer verglasten Gondel des Riesenrads, das sich erstaunlich schnell dreht. Zwei sogenannte Panoramagondeln gibt es bei diesem Riesenrad der Schaustellerfamilie Landwermann. Diese sind barrierefrei, damit auch Rollstuhlfahrer zusammen mit Menschen ohne Behinderung in Richtung Himmel kreiseln können. Im Frühjahr habe man die beiden inklusiven Gondeln eingebaut, sagt Betreiberin Amy Landwermann. „Wir wollen jeden mitnehmen können.“

Im großen Festzelt wird noch gewerkelt. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Ludwig Rettinger freut sich auf seine Premiere als Festwirt. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Eine Geisterbahn entsteht nicht durch Geisterhand, sondern durch harte Arbeit. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Andrea Löffler, Volksfestbeauftragte im Rathaus, OB Florian Hartmann (l.) und Volksfestreferent Robert Gasteiger testen die barrierefreie Gondel des Riesenrads. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Stefan Ringer ist mit seiner traditionellen Schiffsschaukel auf dem Volksfest. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Annika Hauß bietet an ihrem Stand „Tante Frieda“ unter anderem einen Volkstanzkurs an. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein Volksfest ist ja buchstäblich ein Fest für die ganze Bevölkerung, das schließt alle ein. In diesem Sinne kann man auch das kulturelle Angebot verstehen, das Besuchern am Stand von „Tante Frieda“ gleich am nördlichen Eingang zum Gelände geboten wird. Dort können Interessierte am zweiten Sonntag an einem Volkstanzkurs unter professioneller Leitung von Veronika Schweikl teilnehmen. Annika Hauß von den „Samstagskindern“, die den Stand betreiben, sagt: „Jeder kann einfach dazukommen und mittanzen.“

Zeit zum Anzapfen

Dass Tradition auch verschwinden kann, kann man unweit von „Tante Frieda“ bei Stefan Ringer erfahren. Er betreibt eine klassische Schiffsschaukel. Doch heuer kann er erstmals keine Schaukeln mehr anbieten, die sich überschlagen. Der Grund: Es fehlt ihm Personal. Und ohne das könne er bei den sich überschlagenden Schaukeln keine 100-prozentige Sicherheit gewährleisten, sagt Ringer. So wie ihm ergeht es auch anderen: Ihm seien, sagt Ringer, in Oberbayern nur noch drei Schausteller bekannt, die Schaukeln mit Überschlag betreiben.

Nicht zum Überschlag, aber hoch hinaus kommen Volksfestbesucher bei Dany Hartmann. Ihm gehört das vielleicht spektakulärste Fahrgeschäft auf der Thoma-Wiese. „1001 Nacht“ heißt es und erinnert an einen fliegenden Teppich. 27 Meter geht es mit der riesigen Schaukel in die Höhe – und von dort wieder steil nach unten, sodass es einen in den Sitz drückt. Zum ersten Mal ist Dany Hartmann mit seiner Schaukel in Dachau. Er erzählt, er habe einen Kollegen angerufen und gefragt, ob er sein Fahrgeschäft lieber in Straubing oder in Dachau aufbauen solle. „Der Kollege hat gesagt: Dachau.“ Also sei er eben hier.

Der fliegende Teppich schaukelt sich jetzt an diesem Donnerstagvormittag noch einmal ganz nach oben und bleibt dort kurz stehen. Von hier hat man einen guten Überblick über die Thoma-Wiese. Man sieht jetzt alles, die Zelte, Fahrgeschäfte, Buden und Menschen. Und man denkt sich: Zeit zum Anzapfen.

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