Dachau: Fachstelle Koordination Ehrenamt Asyl feiert zehnjähriges Bestehen – Dachau | ABC-Z

Seit zehn Jahren gibt es die Fachstelle Koordination Ehrenamt Asyl bei der Caritas Dachau. Sie entstand im Zuge der großen Fluchtbewegung von 2014 an – und ist in vielerlei Hinsicht eine Erfolgsgeschichte. Das wurde am Dienstag bei einer kleinen Feierstunde noch einmal deutlich. Sie war Rückblick und Ausblick zugleich.
Die Frage, warum es eine Koordination ehrenamtlicher Tätigkeit brauchte, wo doch in der Rückschau seit 2015 mit der Zahl der Asylsuchenden auch die Zahl der Ehrenamtlichen stieg, beantwortet Christine Torghele-Rüf, die von Beginn an die Fachstelle leitet. „Wir wollten was machen, aber wir hatten keine Ahnung, was auf uns zukommt“, sagte sie und erinnerte augenzwinkernd an die mittlerweile schon etwas verklärten Anfangszeiten der Helferkreise. „Wir sind in Kleiderspenden untergegangen“, sagte sie, „aber dann kamen die Asylanträge.“ Und mit ihnen die Erkenntnis: „Bildung ist die Lösung.“ Nicht nur für die Asylsuchenden, auch für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer: Workshops und Weiterbildungen in Sachen Vermittlung und Angebote von Deutsch- und Integrationskursen für Geflüchtete, Kenntnissen in Asyl- und Aufenthaltsrecht, konkrete Hilfe bei der Suche nach Kindergärten, Schulen und später Wohnungen und und und… Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Im Vordergrund stand und stehen die persönliche Beratung und die inzwischen selbstverständliche Vernetzung mit kommunalen und landkreisweit arbeitenden Behörden und Institutionen.
„Kultur ist eine Riesenchance“
Es war ein permanenter Lernprozess, der beispielsweise auch dazu führte, in Zusammenarbeit mit dem Dachauer Forum Kulturdolmetscherinnen und -dolmetscher auszubilden. Denn, so die Integrationsmanagerin und sozialpädagogische Mitarbeiterin der Caritas Torghele-Rüf: „Kultur ist eine Riesenchance.“ Die Frauen und wenigen Männer, die diese Ausbildung gemacht haben, seien echte Brückenbauer und leisteten zugleich unentbehrliche Hilfe für neu ankommende Geflüchtete bei Behördengängen, Arztbesuchen oder anderen Terminen. Zudem leiten einige von ihnen inzwischen auch Kurse für Geflüchtete, wie „Leben im Landkreis“ oder „Leben in Bayern“.
Für Christine Torghele-Rüf ist es von essenzieller Bedeutung, dass diese nachhaltigen Strukturen ausgebaut werden, denn „es fehlen nicht nur 400 000 Fachkräfte in Deutschland. Und etliche frühere Asylsuchende sind mittlerweile gut ausgebildete Arbeitskräfte.“ Es gehe ebenso um die Stärkung demokratischer Kräfte, denn „die AfD ist inakzeptabel für die Demokratie“. Erfunden wurde die Koordinationsstelle übrigens bei der Caritas Dachau, finanziert wird sie von der Erzdiözese München und Freising und ist mittlerweile in weiteren Kommunen etabliert.
Landrat Löwl spricht von massiven Kapazitätsproblemen
Landrat Stefan Löwl (CSU) sagte: „Gelungene Integration ist ein ganz großes Thema“; es gehe in der Migrationspolitik „nicht nur um Asyl und Flucht, sondern auch darum, dass Geflüchtete bleiben können und dürfen“. Staatliche Strukturen könnten „nur einen Notrahmen bilden“. Integration im gesellschaftlichen Bereich funktioniere nur durch die Gesellschaft selbst.
Auch für ihn sind die Kulturdolmetscher „ein Erfolgsmodell der Migranten-Selbsthilfe, denn das können staatliche Strukturen nicht leisten“. Integration sei nur mit Ehrenamtlichen möglich, sagte Löwl. Für ihn sei es daher wichtig, mit Stellen wie etwa der des Migrationslotsen im Landratsamt oder dem ebenfalls im Landratsamt angesiedelten Projekt IMA (Integration mit Augenmaß) ehrenamtliche Strukturen zu schaffen und zu begleiten, wozu die Ehrenamtskoordination der Caritas wesentlich beitrage.
Selbstkritisch fügte Löwl hinzu: „Zehn Jahre reichen aber nicht. Wir müssen besser werden.“ Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte er: „Wir haben massive Kapazitätsprobleme. Uns fehlen wegen der Sparmaßnahmen allein im Ausländeramt 15 Stellen“; daher seien zur Zeit „die Bearbeitungsgeschwindigkeit und die Beratungsmöglichkeiten schlecht“ – was immer wieder zu berechtigten Beschwerden von Betroffenen und Ehrenamtlichen führe.
Zu denen, die an der Bürokratie leiden und von teils dramatischen Folgen für Geflüchtete berichteten, gehört Nanette Nadolsky. Sie begleitet und unterstützt seit Jahren afghanische Geflüchtete und kritisierte, dass es „sieben große Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren“ gegeben habe, die die ehrenamtliche Arbeit stark belasteten. Sie seien „wie eine dunkle Wolke“, sagte sie, weil sie immer mehr Fachwissen seitens der Helferinnen und Helfer erforderten.
Am Rande der Veranstaltung wurde sie deutlicher: „Man kann nicht von Integration reden, ohne sie zuzulassen“, sagte sie. Sie berichtete von einem Mann, der seit zehn Jahren auf den Familiennachzug aus Afghanistan warte. „Und nun setzen sie die legale Migration auch aus“, sagte Nadolsky mit Blick auf den Stopp des Familiennachzugs seitens der neuen Bundesregierung. Doch sie gibt nicht auf. „Es muss in der Gesellschaft ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe geben“, auch wenn die Behörden es nicht zulassen wollten oder könnten – und nominierte unter großem Applaus „alle Helferkreise im Landkreis“ für den Integrationspreis, der gerade ausgeschrieben worden ist.