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Freising: Wie ein Zahnarzt das Alte Gefängnis rettete – Freising | ABC-Z

Begonnen hat die Geschichte vor etwas mehr als 20 Jahren. Das Freisinger Ehepaar Mücke war damals zu einem kleinen Fest in der „Jagdhütte“ bei Stadtrat Benno Zierer in Hohenbachern eingeladen – und Thomas Mücke hatte auf die Stadt geschimpft. Seit 40 Jahren lasse die das Alte Gefängnis an der Brennergasse verfallen, empörte er sich, ein Denkmal, das es so in ganz Deutschland kein zweites Mal gebe, skandalös sei das, die Stadt sei zum Erhalt verpflichtet, so in etwa sein Tenor.

Gehört wurde er von Monika Nanko, der Chefsekretärin des damaligen Oberbürgermeisters Dieter Thalhammer, und sie war offenbar die richtige Person. Gewohnt resolut habe Nanko ihren Mann erst aufgefordert, „nicht zu schimpfen, sondern zu machen“, erinnert sich Ingrid Mücke heute. Schon wenige Tage später habe die Sekretärin ihm einen Termin bei Thalhammer verschafft – und es kam ins Rollen, was bis heute als einmalige Erfolgsgeschichte erzählt werden kann. Denn der OB stimmte Mückes Plänen zu.

Das Freisinger Gefängnisgebäude stammt aus dem Jahr 1663, wurde mehrfach erweitert – auch um den berüchtigten „Hexenturm“ während der Kinderhexenprozesse 1715 bis 1723. Bis 1965 war es in Betrieb, dann ging das Gebäude in den Besitz der Stadt Freising über – schon wegen des Turms und der erhaltenen originalen Zellen ein Denkmal europäischen Ranges, sagt Mücke.

Umso weniger Verständnis hat das Ehepaar für das Desinteresse, das die Stadt ihrer neuen Liegenschaft 40 Jahre lang entgegenbrachte – obwohl sie verpflichtet gewesen wäre, ein Konzept zu deren Erhalt zu entwickeln. Vielleicht seien die Verantwortlichen deshalb froh gewesen, als sich mit dem Engagement der Mückes eine Lösung abzeichnete – und die ging so: Es sollte ein Pachtvertrag für das Alte Gefängnis abgeschlossen werden, mit einer Pacht von einem Euro im Jahr. Das klang zwar ganz wunderbar, hatte aber einen nicht unwesentlichen Haken. Die Pächter wurden verpflichtet, sich um die Liegenschaft zu kümmern und sie herzurichten.

Ingrid und Thomas Mücke kümmern sich seit 20 Jahren um den Erhalt des Gefängnisses und um den Förderverein mit seinen gut 300 Mitgliedern. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein finanzieller Beitrag der Stadt Freising dazu wurde ausgeschlossen und so stand schnell fest, dass das für Privatleute so nicht zu stemmen sein würde. Zu groß schien das Projekt – und so wurde am 5. März 2005 der Förderverein Altes Gefängnis gegründet. Am 12. September 2005 wurde der Pachtvertrag unterzeichnet, der bis heute gilt, und schon eine Woche später machten sich Mücke und seine Mitstreiter ans Werk.

In unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden wurde das Alte Gefängnis mit viel Herzblut Zug um Zug renoviert. Handwerker rückten ohne Lohn an, Betriebe spendierten Material. Es gab viel Begeisterung und natürlich wurde Geld in das alte Gemäuer gesteckt, über Spenden, die der Förderverein generierte, Flohmärkte zugunsten des Projekts, solche Sachen halt.

In dem Projekt steckt gut eine Million Euro an Spenden und Arbeitsleistung

Und Mücke? Von Berufs wegen eigentlich Zahnarzt, galt seine Leidenschaft schon in jungen Jahren der Renovierung alter Häuser. Jetzt also verbrachte er seine Freizeit im Alten Gefängnis, arbeitete dort unter anderem mit Gruppen junger Leute, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten – und es wurde.

Ingrid Mücke schätzt, dass bis heute gut eine Million Euro an Spenden und Arbeitsleistung aufgebracht wurden. Sie ist Steuerberaterin und hat auch die Einnahmen des Fördervereins im Blick. So ist im Erdgeschoss des Gebäudes eine Weinstube an Pächter vergeben, darüber sind mehrere Ausstellungsräume etabliert, die für 250 bis 300 Euro pro Woche zu haben sind und nicht nur für Freisinger Künstlerinnen, Künstler und Kulturvereine eine Lücke geschlossen haben.

Aktuell ist eine Verkaufsausstellung für Schmuck in den Ausstellungsräumen des Alten Gefängnisses zu sehen.
Aktuell ist eine Verkaufsausstellung für Schmuck in den Ausstellungsräumen des Alten Gefängnisses zu sehen. (Foto: Marco Einfeldt)

„Die kommen von überall her“, sagt Ingrid Mücke. Dabei werde ein demokratisches Prinzip verfolgt. „Bei uns darf jeder ausstellen“, sagt sie: „Wir reden niemandem rein und das kommt sehr gut an.“

Der Turm und die erhaltenen Zellen sind umgebaut zu einem kleinen Museum, in dem die Schrecken der Haft in vergangenen Zeiten auferstehen – inklusive der alten Folterwerkzeuge, die hier zu sehen sind. Immer samstags gibt es Führungen, außerdem zu Sonderterminen, und wer eine Führung bei Ernst Graßy bucht, darf sich auf eine spannende, kabarettistisch angehauchte Tour freuen. Etwa 1000 Besucherinnen und Besucher zählt das Museum pro Jahr – auch ein Beitrag zu den Einnahmen.

In dem Museum im Turm sind die Schrecken der Kinderhexenprozesse plastisch dargestellt.
In dem Museum im Turm sind die Schrecken der Kinderhexenprozesse plastisch dargestellt. (Foto: Marco Einfeldt)
Auch die einstige Folterkammer kann hier besichtigt werden.
Auch die einstige Folterkammer kann hier besichtigt werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Die benötigt der Förderverein für den Unterhalt – und es steht eine Dachsanierung an. Die müsste zwar die Stadt bezahlen, der Verein würde aber 150 000 Euro aus der „Kriegskasse“ beisteuern, sagt Ingrid Mücke. Weil sich das Vorhaben seitens der Stadt jedoch um Jahre verzögert habe, seien die Kosten auf 350 000 Euro gestiegen. Und wieder versteht sie den Umgang der Stadt mit dem wertvollen Denkmal nicht, „denn das gehört eigentlich der Freisinger Bürgerschaft“.

Möglicherweise übernimmt ein „Triumfeminat“ die Vereinsspitze

Wie es mit dem Alten Gefängnis weitergeht, wenn sich Thomas Mücke, bald 74, wie angekündigt aus dem Vorstand zurückzieht, ist offen. Es der Stadt zurückzugeben, sei keine Option, die Idee, das Gebäude in Erbpacht zu übernehmen, würde zu viel Verantwortung für den Förderverein bedeuten. Also überlegt Ingrid Mücke, sich zur Vorsitzenden wählen zu lassen und mit zwei Mitstreiterinnen, Regina Cordary und Julia Gerstl, ein „Triumfeminat“ an der Vereinsspitze zu bilden.

Dass sie dabei – wie mit dem ganzen Projekt – unter dem Schutz guter Geister stünden, ist für die Mückes klar. Zu Beginn hätten immer wieder Spinner jeglicher Art angeboten, die Geister der früheren Häftlinge zu vertreiben, erinnern sich die beiden lachend. Das sei natürlich nicht in Frage gekommen, „wir arbeiten mit unseren Geistern hier sehr, sehr gut“, sagt Mücke – und ernster: „Wir haben hier diesen armen Seelen wenigstens eine Art Denkmal gesetzt.“

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