CSU Unterfranken: Wie ein weithin unbekannter Bezirkschef Erfolge feiert – Bayern | ABC-Z

Bezirksvorsitzende, das sind in der CSU immer die Granden. Die Mittelfranken-CSU führt selbstverständlich Joachim Herrmann an, in Nürnberg heißt der Boss de facto Markus Söder, wenn auch der Form halber sein politischer Weggefährte Michael Frieser auf dem Klingelschild steht, seit Söder die Landespartei führt. In Schwaben macht den Job CSU-Landtagschef Klaus Holetschek, in der Oberpfalz ist Finanzminister Albert Füracker der Chef, für die Niederbayern-CSU zeichnet Bauminister Christian Bernreiter verantwortlich, für Oberbayern Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Und die CSU in Unterfranken führt, Moment: ein gewisser Steffen Vogel.
Steffen wer? Vogel, ein Abgeordneter, der gleich zu Gesprächsbeginn darauf hinweist, seit Juli 2024 immerhin der Enquete-Kommission für Bürokratieabbau vorzustehen. Das allerdings mit leicht ironischem Unterton, Vogel weiß schon selbst, dass das kein Posten ist, um nach CSU-Maßstäben übermäßig Ehre einzulegen. Nun wäre trotzdem der Fall Vogel nicht allzu auffällig, gäbe es in Unterfranken schlicht keine anderen Partei-Promis, die eine gute Figur als politisches Schwergewicht abgäben. Bei genauerer Betrachtung aber ist die Partei-Granden-Dichte am Main – in einem Regierungsbezirk, der eher zu den kleineren in Bayern zählt – sogar auffallend hoch.
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Aus Unterfranken kommt CSU-Bundesministerin Dorothee Bär, auch Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz stammt von dort, zudem der CSU-Landesgruppenchef, Alexander Hoffmann. Nicht zuletzt die Landesgesundheitsministerin Judith Gerlach, 39, ist Unterfränkin, eine Frau, die manchem einfällt, wenn es um herausgehobene Spitzenämter in der Zukunft geht.
Gerlach war bereits Kabinettsmitglied, als Vogel 2022 zum Bezirkschef gewählt worden ist. Der musste sich in einer Stichwahl indes nicht gegen die Ministerin durchsetzen, sie war nicht angetreten. Immerhin aber gegen den Staatssekretär im Innenministerium, Sandro Kirchner, der bei seiner Bewerbung so argumentieren konnte, wie in der CSU immer schon argumentiert worden ist: Gerade vom Kabinettstisch aus könne man natürlich viel für die eigene Region herausholen. Das Argument verfing nicht, gewählt wurde nicht der betont solide Kirchner – sondern Vogel, dem der Ruf vorauseilt, so ziemlich das Gegenteil von CSU-Gediegenheit zu verkörpern, gerne auch in groß karierten oder pinkfarbenen Anzügen. Die finde er, verbreitet der 50-Jährige auf Social Media, „besser als die langweiligen, in der CSU weit verbreiteten Raiffeisen-Trachtenjanker“.
Im Juli stehen bei der Unterfranken-CSU wieder Vorstandswahlen an, der durchaus bunte Vogel wird erneut antreten. Wer sich zuvor in der Partei umtut, hört ungewöhnlich viele Zufriedene: Bär, Lindholz, Hoffmann, Gerlach – seit den Zeiten von Wolfgang Bötsch, Michael Glos und Barbara Stamm sei man in Spitzenämtern nicht mehr so prominent vertreten gewesen wie eben jetzt. Zumal bei der vergangenen Bundestagswahl kein CSU-Bezirksverband besser abgeschnitten hat als eben die Unterfranken. Die Oberbayern-CSU, die ja immer als die Herzkammer der Partei wahrgenommen wird? Landete mehr als zwei Prozentpunkte hinter den Parteifreunden vom Main.
Zu vernehmen sind zwischen Aschaffenburg und Schweinfurt aber auch grundsätzliche Gedanken über moderne Führung. Klar hätte man 2022 die Ministerin Gerlach zur Chefin gewählt, wäre sie denn angetreten, sagt einer aus der Unterfranken-CSU. Jetzt aber? Seien alle ziemlich glücklich mit der Lösung: Die Granden könnten in Berlin und München öffentlichkeitswirksam ihrer Arbeit nachgehen, Vogel halte derweil die Ortsverbände bei Laune. Letzteres scheint offenkundig ausgeprägt zu sein: Höchstpersönlich lädt der Chef zu „Basis-Camps“, auf denen er dann im pinkfarbenen Anzug eine Stimmung erzeugen soll wie professionelle Motivationstrainer auf ihren „Tschakka“-Veranstaltungen. Vogel trägt dazu T-Shirts mit der Aufschrift: „allesaußerspießig“.

Die politische Unterhaltungskunst beherrscht Vogel also ähnlich gut wie Söder. Das aber offenbar ohne entsprechendes Macht-Gen. Funktioniert das? „Der Erfolg gibt uns recht“, sagen sie in Unterfranken mit vergleichendem Blick gen Oberbayern. Oder kommt Ministerin Gerlach doch noch auf den Chef-Geschmack und tritt an im Juli? Komme für sie nicht infrage, sagt die 39-Jährige, Vogel sei „extrem viel unterwegs“, diese Aufgabenteilung sei „clever“, man sei „gut gefahren“ damit. Eine weitere Amtszeit Vogels unterstütze sie mit voller Kraft.
Teile und herrsche? Klinge fast banal, räumt Vogel ein. Man brauche dafür aber eben auch das richtige Personal. Einen zum Beispiel, der als Bezirkschef keinerlei Ansprüche auf einen Posten am Kabinettstisch erhebe, was in der CSU ja durchaus ungewöhnlich sei. Mindestens so ungewöhnlich wie Vogels laxe Reaktion auf den Verlust des OB-Amts in der unterfränkischen Hauptstadt, Würzburg wird künftig grün regiert. Es gebe „Schlimmeres“, hatte sich Bezirkschef Vogel direkt nach der Wahl zitieren lassen.
Und legt jetzt noch mal nach. Vor nicht allzu langer Zeit sei die Stadt auch von der SPD regiert worden. Ob sie davon untergegangen sei? „Nein, Würzburg steht heute noch!“