Geopolitik

CSU-Parteitag: „Wir haben die Chance, die Arbeitnehmerpartei in Deutschland zu werden“, sagt Merz | ABC-Z

So einig wie derzeit als Opposition waren sich CDU und CSU schon lange nicht mehr. Die beiden grenzen sich nicht nur von der Ampel ab, sondern auch von AfD, Freien Wählern und Sahra Wagenknecht. Man wolle künftig auch Wählergruppen ansprechen, „die uns nicht immer so nahe gestanden haben“.

Am Ende stehen Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) nebeneinander auf der Bühne und halten ein Paddel hoch, das schwarz-rot-gold und blau-weiß-bayerisch beklebt ist. Die Delegierten des CSU-Parteitags in Augsburg stehen und beklatschen die beiden Vorsitzenden der Unionsparteien rhythmisch. „Das war Spitze!“, lobt Söder die gerade beendete Rede von Merz.

So einig wie derzeit als Opposition gegen die Ampel-Regierung in Berlin waren sich CDU und CSU schon lange nicht mehr. „Wir haben zu einem neuen Miteinander gefunden“, sagt Merz am Samstag. „Wir haben aber auch beide Parteien erneuert.“ Der Kanzlerkandidat setzt in Augsburg dieselben Themen, die auch Bayerns Ministerpräsident am Vortag aufgriff.

Das ist an erster Stelle die Migration. „Wir haben den Kurs der Union bei der illegalen Migration korrigiert“, ruft Merz den CSU-Delegierten zu. Und damit es wirklich klar wird: „Wir haben heute eine andere Meinung als noch vor Jahr und Tag.“ Spätestens da steht Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Elefant im Raum und dazu die Erkenntnis: Der neue Unionskurs ist ein Bruch mit ihrer Politik.

„Ich möchte keinen Migrations- und Einwanderungswahlkampf führen“, versichert Merz. „Aber wenn die Ampelkoalition sich nicht im Stande sieht und vor allem die Grünen auf der Bremse stehen, werden wir eben nächstes Jahr auch zu diesem Thema einen Wahlkampf zu führen haben.“ Der Saal jubelt. Es klingt wie Bierzelt, obwohl es nur eine Messehalle ist.

Nächster Aspekt, ähnliche Rhetorik: „Flucht vor Not und Krieg ist allemal ein ehrenhaftes Motiv“, beginnt Merz. „Aber bitte verschließen wir die Augen nicht, dass in den letzten Jahren junge Männer angekommen sind, die uns die allergrößten Probleme machen. Und über diese Probleme müssen wir offen sprechen.“ Etwa dahingehend, „dass Juden in Deutschland wieder Angst haben. Das ist eine Schande.“ Oder dass sich „junge Frauen“ nicht mehr in „Innenstädte trauen.“ Merz wird laut: „Das müssen wir beenden“. Die Delegierten werden noch lauter, der Rest geht im Beifall fast unter: „Wir müssen für Sicherheit sorgen, und zwar 24 Stunden und sieben Tage die Woche.“

BSW ist „Fortsetzung der Linkspartei“

Dann kommt er auf Thema Nummer zwei, die „Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit“. Es brauche vor allem „weniger Bürokratie“. Merz fordert frei nach Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Agenda 2030 „für die Fleißigen und die Anständigen“. Er wolle Wählergruppen ansprechen, „die uns nicht immer so nahe gestanden haben“, sagt Merz und nennt die Arbeitnehmer: „Wir haben die Chance, die Arbeitnehmerpartei in Deutschland zu werden.“ Der AfD überlasse man diese Rolle nicht, die sei keine Alternative, sondern stehe für Abstieg, sei antisemitisch und rechtsradikal. „Mit der AfD wird es keine Zusammenarbeit geben. Nicht heute, nicht nach der Bundestagswahl. Das kommt schon aus moralischen Gründen nicht in Frage.“

Das gelte nicht anders „für das sogenannte Bündnis Sahra Wagenknecht“, für Merz nichts anderes „als die Fortsetzung der Linkspartei“. Wagenknecht sei „Kommunismus in Chanel“. Am Vortag hatte Söder sie den „Teufel in Prada“ genannt. Dass die CDU-Verbände in Thüringen und Sachsen mit dem BSW um Regierungsbündnisse verhandeln, erwähnen beide freilich nicht.

Richtig laut im Saal wird es, als Merz ankündigt, als Kanzler den Staatsapparat verkleinern zu wollen. Keine Sorge, beschwichtigt er, er meine nicht den Gemeindebeamten und auch nicht die Polizei. Sondern: „Das ist der aufgeblähte Wasserkopf und die ganzen Beauftragten, die da rumlaufen“. Von denen gebe es inzwischen 34 mitsamt Stäben. „Die einzige, die wir brauchen, ist die Wehrbeauftragte“, ruft er in den Saal. Das Bürgergeld wolle er ebenfalls abschaffen: „Wir sind auch Treuhänder der Steuerzahler.“

Merz untermauert den Anspruch der Union als letzte verbliebene Volkspartei. Man beschränke sich nicht auf eine Klientel, „wir nehmen die ganze Gesellschaft in den Blick“. Und das heißt: CDU und CSU grenzen sich nicht nur von der Ampel ab, sondern auch von AfD, BSW und Freien Wählern (FW) – also jenen Parteien, die von sich behaupten, sie würden die Interessen einer schweigenden Mehrheit vertreten.

Das Abschneiden seines bayrischen Koalitionspartners bei den ostdeutschen Wahlen nannte Söder ein „Debakel“, der FW-Bundesverband sei im Begriff zu zerfallen. Es scheint, als wollten Merz und Söder tatsächlich die Merkel-Ära rückabwickeln und sich auf einen Satz von Franz-Josef Strauß besinnen. Der CSU-Grande hatte einst postuliert, rechts der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben.

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