Finn Flebbe: “Wir müssen raus aus der eigenen Bubble” | ABC-Z

Die Jugendorganisation der FDP hat seit Samstag einen neuen Vorsitzenden: Finn Flebbe. Auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen setzte sich der 29-Jährige aus Schleswig-Holstein im zweiten Wahlgang durch. Den ersten Tag nach dem Wochenende habe er sich freigenommen, um für sich allein zu sein und erst mal alles zu verarbeiten, erzählt Flebbe bei einem Telefonat am Montagvormittag. Er studiert Jura und ist zudem Geschäftsführer einer Firma, die sich auf Datenschutzmanagement und Informationssicherheit spezialisiert.
DIE ZEIT: Herr Flebbe, die FDP taumelt Richtung
Bedeutungslosigkeit, zuletzt verlor die Partei bei den Kommunalwahlen in
Nordrhein-Westfalen viele Stimmen. Warum tun Sie sich das Amt des Vorsitzenden
der Jungen Liberalen gerade jetzt an?
Finn Flebbe: Das ist eine berechtigte Frage, aber die
Antwort ist für mich einfach: aus Überzeugung. Ich kenne die Lage der FDP, ich
kenne die Lage der Jungen Liberalen. Aber eine Politik, die den Einzelnen in
den Mittelpunkt stellt und fragt, wie es für ihn oder sie vorangeht, die gibt
es nur bei uns. Ich will Verantwortung übernehmen und am Comeback mitarbeiten.
ZEIT: Welche Rolle sollen die Jungen Liberalen dabei
einnehmen?
Flebbe: Wir wollen die FDP in den nächsten Wahlen nicht nur
antreiben, sondern anführen. Als Junge Liberale müssen wir die Lobby der jungen
Menschen werden. In Deutschland gibt es für viele Gruppen starke
Interessenvertretungen – für Beamte, für Rentner, für Arbeitgeber, für
Arbeitnehmer. Aber für junge Menschen, die die Zukunft dieses Landes tragen,
gibt es das nicht. Wir sehen, wie Debatten geführt werden, und es sind immer
die Jüngeren, die ausbaden sollen, was Ältere verbockt haben. Unsere Aufgabe als
Julis ist es, diesen fleißigen jungen Menschen eine Stimme zu geben und ihnen
eine politische Heimat zu bieten.
ZEIT: Das ist zuletzt allerdings nicht gut gelungen, gerade
bei jungen Wählern hat die FDP verloren. Woran liegt das?
Flebbe: Wir haben uns in der Vergangenheit zu sehr mit uns
selbst beschäftigt und nicht in der Lebensrealität junger Menschen
stattgefunden. Das hat uns geschadet. Ich will, dass die Julis dort präsent
sind, wo junge Menschen sich wirklich aufhalten: auf großen Events wie der
Gamescom, aber genauso im Schützenverein, in der freiwilligen Feuerwehr, im
Sportverein. Wir müssen raus aus der eigenen Bubble und rein in die
Gesellschaft.
ZEIT: Und womit wollen Sie außerhalb Ihrer Bubble punkten?
Flebbe: Für mich steht das Aufstiegsversprechen an erster
Stelle. Ich habe das selbst erlebt: mit 17 zur Bundeswehr, später Abendschule,
Abitur nachgeholt, dann Studium und Unternehmensgründung. Viele junge Menschen,
mit denen ich spreche, haben das Gefühl: Es ist in Deutschland schwerer
geworden, sich etwas aufzubauen. Manche überlegen, ob sie ins Ausland gehen
sollen. Das darf nicht sein. Wir müssen in Deutschland wieder klarmachen:
Jeder, der hart arbeitet, hat die Chance, aufzusteigen. Dieses Prinzip “Aufstieg
durch Leistung” ist für mich das zentrale Thema der Julis.
ZEIT: Sie waren acht Jahre bei der Bundeswehr. Ein großes
Streitthema ist die Wehrpflicht. Braucht es einen Pflichtdienst?
Flebbe: Wir lehnen die Wehrpflicht strikt ab. Auch hier soll
die junge Generation wieder etwas ausbaden, was andere verbockt haben,
nämlich das Kaputtsparen der Bundeswehr. Natürlich sehe ich, dass die
Bundeswehr mehr Personal braucht. Aber Zwang ist der falsche Weg. Wir plädieren
für eine freiwillige Musterung. Und ja, die Wehrpflicht kann im Grundgesetz als
Notfallinstrument bleiben – aber nur für den Fall einer existenziellen
Bedrohung. Aber in Friedenszeiten ist die Wehrpflicht für uns ein freiheitsfeindliches
Konstrukt.
ZEIT: Was sehen Sie als größte Herausforderung für die FDP?
Flebbe: Die eigene Glaubwürdigkeit. Die FDP hat ihre
Glaubwürdigkeit durch viele Fehler verspielt. Sei es in der D-Day-Affäre oder
beim Umgang mit den Abweichlern in den eigenen Reihen, etwa bei der Abstimmung
zum Zustrombegrenzungsgesetz. Ich hätte diesem Gesetz zugestimmt, aber
diejenigen, die es nicht getan haben, sind für mich keine Verräter. Wenn man
sich in aller Öffentlichkeit selbst zerfleischt, verliert man Vertrauen. Und
dann kommt hinzu: Wir haben mit Christian Dürr einen der Architekten der Ampel
zum Parteichef gemacht. Da ist es schwer, einen wirklichen Neuanfang zu
verkaufen.
ZEIT: Ist er der
falsche Mann an der Spitze?
Flebbe: Christian Dürr gibt sich Mühe, aber das kommt nicht
bei den Menschen an, er dringt nicht durch. Um es offen zu sagen: Was die FDP
seit dem Parteitag im Mai abgeliefert hat, ist keine Grundlage für einen echten
Neustart. Unsere Generalsekretärin Nicole Büttner ist genauso unsichtbar wie
unbekannt. Wir haben stellvertretende Parteivorsitzende, die jede Woche ein
Interview geben, in dem sie die Parteispitze kritisieren, der sie selbst
angehören. Stand jetzt ist Christian Dürr nicht der Mann, der uns 2029 in die
Bundestagswahl führen sollte. Er kann es noch werden, aber wir brauchen an der
Parteispitze mehr Tempo und mehr Kraft.
ZEIT: Haben Sie etwa Sehnsucht nach Christian Lindner?
Flebbe: Lindner war eine Ausnahmeerscheinung. Dieses Vakuum
wird niemand allein füllen können. Wer jetzt auf den Messias wartet, macht
einen Fehler. Wir dürfen nie wieder
alles auf eine Karte setzen. Die FDP muss sich breiter aufstellen.
ZEIT: Und inhaltlich?
Welches Lager soll die FDP künftig stärker in den Blick nehmen?
Flebbe: Wir sitzen
nicht zwischen CDU, SPD und Grünen, sondern wir brauchen ein eigenständiges
drittes Lager. Eine politische Mitte, die Freiheit in allen Lebensbereichen
will. Das ist unsere Rolle. Wir können mit progressiven und konservativen
Partnern zusammenarbeiten.
ZEIT: Ihre bisherige politische Laufbahn ist nicht frei von
Schlagzeilen. Bei einem Treffen der Jungen Liberalen sollen Sie sich geprügelt
haben. Kürzlich berichtete das Hamburger Abendblatt, Sie hätten in sozialen
Netzwerken zweifelhafte Likes vergeben – für Inhalte, die rassistische und
extremistische Anspielungen enthalten haben sollen.
Flebbe: Diese
angeblichen Prügeleien sind frei erfunden. Kurz vor meiner Wiederwahl als
Landesvorsitzender wurden einer Zeitung anonyme Briefe zugesendet, um mich zu
diskreditieren. Auch die Vorwürfe aus dem Hamburger Abendblatt sind komplett an
den Haaren herbeigezogen. Ich kann dazu nicht viel sagen, weil es ein laufendes
Rechtsverfahren ist. Ich habe einen Anwalt beauftragt, gegen diesen Artikel und
die falschen Unterstellungen, die da getätigt wurden, rechtlich vorzugehen, und
es läuft eine Unterlassungsklage.
ZEIT: Wollen Sie die
FDP zu einer konservativeren Partei machen?
Flebbe: Ich sehe mich
als kernliberal, weil ich Positionen vertrete, die manche links und andere
rechts nennen würden. Beim Thema Migration finde ich: Wer keine
Aufenthaltsgenehmigung hat, muss das Land verlassen. Gleichzeitig bin ich
dafür, dass Schwangerschaftsabbrüche im Grundgesetz verankert werden. Das sind
sehr unterschiedliche Forderungen, aber sie zeigen, was Liberalismus ausmacht:
Vielfalt. Wir brauchen keine rein soziale oder rein wirtschaftsliberale Partei,
sondern sollten uns zu beiden Strömungen bekennen. Und das tue ich selbst auch.





















