Gesundheit

Corona-Folgen: Chronisch erschöpft im Alltag – Diagnosen mit ME/CFS haben sich verdreifacht |ABC-Z

Über die Erschöpfungskrankheit ME/CFS ist trotz Forschung noch wenig bekannt. Ebenso über die Heilungschancen. Jetzt liegen aus Nordrhein-Westfalen neue Fallzahlen für alle Altersklassen vor – und sie klingen beunruhigend.

Die Zahl der Patienten, bei denen eindeutig die schwere neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS diagnostiziert worden ist, hat sich in Nordrhein-Westfalen innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht. Das geht aus einer Zwischenbilanz hervor, die die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein (KVNO) und Westfalen-Lippe (KVWL) gezogen haben.

ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom. Die Erkrankung führt oft zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung. ME/CFS kann nach einer Corona-Infektion auftreten und ist eine der schwersten Langzeitfolgen von Long Covid.

Auch lange vor der Corona-Pandemie sind die Zahlen der gesicherten Diagnosen aber stetig gestiegen: in Westfalen-Lippe zwischen 2014 und 2023 von 8845 auf 22.531 Patienten und im Rheinland zwischen 2015 und dem ersten Quartal dieses Jahres von 6863 auf fast 20.000.

Bislang ist ME/CFS eine kaum erforschte Krankheit, für die es noch keine zugelassene schulmedizinische Behandlung oder Heilungsmethode gibt. Dass die Diagnose-Zahlen in den Jahren der Pandemie angestiegen seien, sei leicht herzuleiten, da das Coronavirus Sars-CoV-2 auch ME/CFS auslösen könne, erklärte die Leiterin des Fatigue Centrums der Berliner Charité, Carmen Scheibenbogen.

Über die Ursachen des Anstiegs vor der Pandemie gebe es hingegen keine Daten. „Hier kann man nur spekulieren“, räumte die Medizin-Professorin ein. „Ich denke nicht, dass es an Änderungen bei den Viren, die neben Sars-CoV-2 ME/CFS auslösen, liegt.“

Möglicherweise hat sich die Diagnose-Kompetenz erhöht und damit auch zu höheren registrierten Fallzahlen beigetragen. Immerhin veranstaltet die als führend in der ME/CFS-Forschung geltende Charité laut Scheibenbogen bereits seit 2008 Fortbildungen zu dem Krankheitsbild. Viele Betroffene berichteten in den vergangenen Jahren in Selbsthilfeforen von etlichen frustrierenden Arztbesuchen, bevor ihre Erkrankung erkannt wurde.

Kinder bekommen Hausunterricht

Wie aus Zahlen der KV Nordrhein hervorgeht, stammen die meisten Betroffenen aus der Altersgruppe der 18- bis 67-Jährigen. Im ersten Quartal dieses Jahres waren das 16.217. Hinzu kommen 270 Patienten unter 18 Jahren und fast 3500 über 67 Jahren.

Kinder, die aufgrund einer solchen Erkrankung nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könnten, hätten die Möglichkeit auf Hausunterricht, heißt es in einer Antwort von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf eine SPD-Anfrage. „Die Schulaufsichtsbehörde richtet auf Antrag der Eltern oder der Schule Hausunterricht unter anderem für Schülerinnen und Schüler ein, die wegen Krankheit voraussichtlich länger als sechs Wochen die Schule nicht besuchen können.“

Das gelte ebenso für Schüler, die wegen einer lange andauernden Erkrankung langfristig und regelmäßig an mindestens einem Tag in der Woche nicht am Unterricht teilnehmen könnten.

Oft sind Erkrankte über einen langen Zeitraum jedoch gar nicht in der Lage, Leistungen zu erbringen. Neben Fatigue und Belastungsintoleranz können bei ME/CFS noch Muskel-, Kopf- und Gliederschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie weitere schwere körperliche und geistige Beschwerden auftreten. Für die Krankheit ist charakteristisch, dass sich der Zustand nach geringer Anstrengung deutlich verschlechtert.

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS in Deutschland wurde die Zahl der Betroffenen vor der Covid-19-Pandemie hierzulande auf etwa 250.000 geschätzt, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche. Experten gingen aber davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch Covid-19 verdoppelt habe, berichtet der Verein.

dpa/krei

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