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Concorde-Nachfolge? Der Meilenstein für die Rückkehr der Überschalljets | ABC-Z

Vor gut 20 Jahren endete die Ära der Concorde. Nun hat erstmals ein ziviles Flugzeug aus den USA die Schallmauer geknackt – und damit Hoffnungen auf ein Comeback der Überschalljets geschürt. Bis zum kommerziellen Betrieb wird es aber noch dauern. Es gibt mehrere Hürden zu überwinden.

Für Blake Scholl ist diese Entwicklung nur in den USA möglich. Vor gut zehn Jahren war er Mitgründer des Start-ups Boom Technology und ist heute der Unternehmenschef. Am Dienstag schrieb das Kleinunternehmen mit einer Doppelpremiere Luftfahrtgeschichte.

Boom baute das erste zivile Überschallflugzeug der USA. Es ist zudem das erste privat entwickelte Mach-1-Modell überhaupt. Bei einem Flug über der Mojave-Wüste in Kalifornien durchbrach das Testmodell XB-1 nun in zehn Kilometer Höhe gleich dreimal hintereinander die Schallmauer.

Scholl räumte nach dem erfolgreichen Flug ein, dass dies erst die Vorstufe für den Bau des größeren Boom-Überschallflugzeugs Overture als Nachfolger von Europas Concorde ist. Deren Flüge über den Atlantik wurden vor gut 20 Jahren eingestellt. Wörtlich sagte Scholl nach dem Überschallflug in Anspielung auf seinen Firmennamen: „Let America boom again“ – sinngemäß: „Amerika soll wieder aufblühen“. Offensichtlich eine Anspielung auf die Wiederwahl des US-Präsidenten Donald Trump und seinem Motto „Make America great again.“

Boom gehört zu den Initiativen in den USA für die Rückkehr der Überschalljets. So arbeitet auch die Raumfahrtbehörde Nasa und der Rüstungskonzern Lockheed Martin mit dem X-59-Modell an einer „Flüster-Concorde“. Der Knall beim Durchbrechen der Schallmauer soll nur noch so laut wie das Zuschlagen einer Autotür sein.

Die Geräuschreduzierung gilt als Schlüssel, um das aktuelle Verbot von zivilen Überschallflügen über den USA aufzuheben und die Tür für die kommerzielle Nutzung zu öffnen. Nach mehreren Verzögerungen wird der Erstflug des gut 30 Meter langen X-59-Testmodells ebenfalls in diesem Jahr erwartet.

Bei den Plänen von Boom für den Bau des privaten Überschalljets gab es ebenfalls wiederholt Verschiebungen. Das soeben geflogene Testmodell XB-1 mit einem Piloten ist mit 21 Metern nur ein Drittel so lang wie das künftige geplante Modell Overture für bis zu 88 Passagiere.

Das neue Modell ist langsamer als die Concorde

Es gibt zudem Pläne für eine Militärversion. Im Juli 2022 gaben Boom und der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman eine Zusammenarbeit für ein Overture-Modell für Militär-Kunden oder die Regierung bekannt. Damals hieß es noch, das erste Overture-Flugzeug für den kommerziellen Einsatz werde 2024 produziert, mit ersten Flugtests 2026 und dem ersten kommerziellen Einsatz 2029. Dieser Zeitplan ist offensichtlich hinfällig.

Boom-Chef Scholl sprach davon, dass bei dem jetzt eingesetzten Testmodell 20 Jahre alte Luftfahrttechnik verwendet wurde – dazu zählen die drei General-Electric-Triebwerke. Das große Modell Overture soll in Zukunft über vier eigens für das Überschallmodell entwickelte Triebwerke (Symphony) verfügen.

Sie sollen mit SAF-Treibstoff, also als nachhaltig bezeichnetem Treibstoff, funktionieren. Es wäre der erste speziell für Überschall-Zivilflugzeuge entwickelte Antrieb. Das Overture-Modell soll 1,7-fache Schallgeschwindigkeit erreichen. Damit wäre das Boom-Modell etwas langsamer unterwegs als seinerzeit die Concorde, die über dem Atlantik meist Mach 2,0 erreichte.

Für Branchenkenner ist die Triebwerksfrage eine der großen Hürden für den weiteren Erfolg von Boom. Im Herbst 2022 wurde eine Zusammenarbeit mit dem britischen Triebwerkshersteller Rolls-Royce beendet. Für Boom-Chef Scholl beruht die bisherige Entwicklung des Unternehmens auch darauf, dass es „schneller und besser“ als die alteingesessenen Konzerne arbeite, womit er wohl Boeing und Airbus meinte.

Boom kann für den geplanten US-Concorde-Nachfolger auf Interesse bei Airlines verweisen. Angeblich gibt es 130 Vorbestellungen und Optionen. Die US-Fluggesellschaft United Airlines hat 15 Overture-Flugzeuge bestellt – mit einer Option auf 35 weitere Maschinen. American Airlines hat 20 Exemplare bestellt – mit der Option auf 40 weitere. Japan Airlines hat ebenfalls Vorbestellungen platziert.

Gerhard Hegmann schreibt für WELT über Rüstung, Luft- und Raumfahrt und Militär.

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