Wirtschaft

Commerzbank: Unicredit pfeift auf das Berliner Machtwort und zeigt ihre wahren Absichten | ABC-Z

Vom Widerstand aus Berlin zeigte sich Unicredit unbeeindruckt: Die italienische Großbank hat sich nun den Zugriff auf weitere 11,5 Prozent der Commerzbank-Aktien gesichert. Damit könnte sie zum größten Aktionär des Geldhauses werden. WELT erklärt, was das Manöver bedeutet.

Wenn ich nicht eingeladen werde, dann lade ich mich eben selbst ein. Dieser Devise folgt offenbar Andrea Orcel, seines Zeichens Chef der italienischen Bank Unicredit und seit knapp zwei Wochen Großaktionär der deutschen Commerzbank. Dass er in der zweiten Rolle in Deutschland nur begrenzt willkommen zu sein scheint, ficht den selbstbewussten Bankchef kaum an. Er sieht offenbar die Gunst der Stunde gekommen und will sie nutzen. Und er ist bereit, den Einsatz nochmals deutlich zu erhöhen.

Dabei hatte die deutsche Finanzagentur, über die der Bund einen Anteil von aktuell noch zwölf Prozent an der Commerzbank hält, am Freitagabend eine deutliche Botschaft gen Italien gesendet. Vorerst, so teilte die Agentur mit, werde sie keine weiteren Aktien der Bank verkaufen.

Dass sie zugleich betonte, dass die Strategie der Commerzbank auf Eigenständigkeit ausgerichtet sei, sollte Luft aus allzu aufgeblasenen Übernahmefantasien nehmen. Die waren aufgekommen, weil Unciredit sich in einer Auktion einen Anteil von 4,5 Prozent aus Staatsbesitz gesichert und parallel dazu 4,5 Prozent am Markt gekauft hatte.

Die Berliner Worte zum Wochenende scheinen den fusionserfahrenen Investmentbanker Orcel eher angespornt als gebremst zu haben. Wie Unciredit am Montagmittag mitteilte, hat sich die Bank über Finanzinstrumente Zugriff auf weitere 11,5 Prozent der Commerzbank-Aktien gesichert. Über diese kann sie ihren Anteil auf 21 Prozent erhöhen, was sie zum mit Abstand größten Aktionär des Frankfurter Instituts machen würde.

Voraussetzung dafür ist lediglich die Genehmigung der Europäischen Zentralbank, den Anteil auf bis zu 29,9 Prozent erhöhen zu dürfen. Diese hat Unicredit bereits vor zehn Tagen beantragt, die Erteilung gilt mehr oder weniger als Formsache. Dass die Bank aus Mailand diesen Schritt geht, ist ein eindeutiges Signal.

Ein offizielles Übernahmeangebot ist zwar erst ab einem Anteil von 30 Prozent fällig. Und in ihrer Mitteilung bekräftigt Unicredit abermals, dass sie ihre Aktien auch wieder verkaufen könnte. Dennoch macht der Schritt deutlich, dass Orcel darauf setzt, Deutschlands zweitgrößte Bank zu schlucken. Um in der Manier eines aktivistischen Investors auf Wertsteigerungen zu drängen, hätten schließlich auch die bisherigen neun Prozent gereicht.

Dass in der Commerzbank aus seiner Sicht noch reichlich Luft nach oben vorhanden ist, hatte Orcel bereits in mehreren Interviews ausgebreitet. Als Beleg dienen ihm zahlreiche Kennzahlen, bei denen Unicredit deutlich besser abschneidet. Dass die Italiener in der jüngsten Mitteilung einmal mehr auf die Notwendigkeit starker europäischer Banken verweisen, dürfte auch eine klare Ansage an Berlin sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten deren Notwendigkeit in den vergangenen Monaten immer wieder betont. Deshalb können sie sich grundsätzlich kaum glaubwürdig gegen einen Zusammenschluss zweier europäischer Banken stemmen. Am Rande seiner Reise nach New York kritisierte Scholz das Vorgehen von Unicredit jedoch ungewöhnlich deutlich. „Unfreundliche Attacken, feindliche Übernahmen sind nicht das, was für Banken eine gute Sache sind“, sagte er. Deshalb habe sich die Bundesregierung klar positioniert: „Wir halten das nicht für ein angemessenes Vorgehen in Europa und in Deutschland, dass man gewissermaßen ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache, ohne jede Rückkoppelung versucht, mit unfreundlichen Methoden sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen.“

Orcel und seine Mitstreiter dürften nun darauf setzen, die Bundesregierung und die Führung der Commerzbank in Gesprächen von ihren freundlichen Absichten zu überzeugen und somit umzustimmen. Management und Aufsichtsrat des deutschen Geldhauses werden bei ihrem Strategietreffen im Taunus nach einer klaren Position suchen. Die Arbeitnehmervertreter haben sie schon gefunden: Die Gewerkschaft Verdi hat sich am Freitag eindeutig gegen eine Übernahme positioniert und 25.000 Arbeitsplätze für gefährdet erklärt. Auch davon wird sich Orcel wohl kaum bremsen lassen.

Cornelius Welp ist Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Von dort aus berichtet er über Banken, Versicherungen und Finanzinvestoren und Unternehmen.

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