Coach Sebastian Clensmann gibt Tipps für ein Bewerbungsgespräch | ABC-Z
München/Berlin – Im alten Job ist man nicht mehr glücklich, man will sich endlich weiterentwickeln. Oder aber man muss sich unfreiwillig einen neuen Job suchen. Egal, was zum beruflichen Neuanfang führt: An der Bewerbung und dem Vorstellungsgespräch kommt man nicht vorbei. Das ist nicht für jeden die angenehmste Situation.
Sebastian Clensmann aus Berlin hat nach eigenen Angaben zwölf Jahre Erfahrung als Bewerbungscoach. Grundsätzlich sagt er: “Bewerben ist gleich verkaufen.” In diesem Fall muss man sich selbst verkaufen und sich als passenden neuen Mitarbeiter präsentieren.
Er ist allerdings der Meinung: “Gerade in Deutschland ist das keine Disziplin, die groß gelehrt wird, etwa in der Schule.” Dazu kommt: “Wenn man nicht regelmäßig auf Jobsuche ist, fehlt einem auch die gewisse Routine.” Beides ist aus seiner Sicht aber entscheidend: Vorbereitung und Routine.
Herausforderung Bewerbungsgespräch: “Die Boomer-Generation ist etwas zurückhaltender”
Ist das ein generationsübergreifendes Problem oder verhält sich die Gen Z (ab 1996 Geborene) anders als etwa die Boomer (zwischen 1956 bis 1965 geboren)? Clensmann will durchaus einen Unterschied erkannt haben, wobei er selbst beruflich mit seiner Marke “Der Bewerbungscode” eher mit der Generation Boomer zu tun hat. “Die Boomer-Generation ist etwas zurückhaltender damit, was sie kann, und kann es dementsprechend nicht so transportieren.”
Zur Generation Z ist seine Einschätzung im Vergleich dazu: “Sie können weniger, aber können sich besser verkaufen.” Sein Fazit: “Bestenfalls kann man was und kann es auch verkaufen.”
Die AZ hat zehn Fragen mit Clensmann durchgesprochen:
1. Welche Schritte sind beim Vorstellungsgespräch zentral? Clensmann unterteilt es in vier Phasen: zunächst die Selbstpräsentation des Bewerbers. Als zweite Phase beschreibt er die Bedarfsermittlung beim Gegenüber. Damit meint er: Worauf kommt es dem Arbeitgeber bei der Stelle an? Welches Ziel hat die Position?
Denn erst, wenn man das herausgefunden hat, kann Phase drei anschließen, die Lösungspräsentation. Sprich: Das kann ich als Bewerber oder Bewerberin bieten, um die Aufgabe zu erfüllen. Die vierte Phase: der “Call-To-Action”.
Das Gespräch nicht mit “Wir melden uns” auslaufen lassen
Darunter versteht er ein Resümee, wie es nun weitergeht und wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist. “Am besten ist es, das Gespräch nicht zu beenden, indem die Firma sagt: Wir melden uns.” Sondern konkreter: bis wann, was werden die nächsten Schritte sein. “Damit schwebt man nicht in einem Zwischenzustand.”
2. Wie bereite ich mich vor? “Man sollte sich viele Fragen im Vorfeld überlegen und ins Gespräch mitnehmen.” Damit meint er firmenspezifische Fragen, die man über den Arbeitgeber wissen möchte. Durchaus 25 bis 30 Fragen könne man sich hierzu zurechtlegen.
Freilich: “Diese müssen auch nicht alle gestellt werden.” Aber es zeige Interesse an dem potenziellen Arbeitgeber, wenn man sich auf diese Weise vorbereitet hat.
“Den ehemaligen Arbeitgeber nicht in die Pfanne hauen”
3. Welche Fragen sollte man selbst beantworten können? Clensmann nennt besonders einen Punkt: warum man bei früheren Arbeitgebern aufgehört hat. Wichtig: “Den ehemaligen Arbeitgeber nicht in die Pfanne hauen und nicht negativ über eine ehemalige Firma sprechen.” Bestenfalls erklärt man das Ende einer Arbeitsstelle, ohne den anderen und auch nicht sich selbst schlecht zu machen.
Ein Beispiel wäre, dass es eine Umstrukturierung gab und die Abteilung minimiert werden musste. Dass man gekündigt wurde, weil man in der Arbeit Spiele gespielt hat, würde der Bewerbungscoach dagegen nicht sagen, wie er mit einem Lachen als Beispiel nennt.
Mehrwert der eigenen Personalie herausstellen
Weitere Fragen, auf die man vorbereitet sein sollte: “Warum sollten wir Sie einstellen?”, “Warum ausgerechnet Sie?”, Was sind Ihre Stärken (welche man beim Unternehmen einsetzen kann, d. Red.)?”
Auch hier gilt wie schon bei der Bewerbung den Mehrwert der eigenen Personalie für das Unternehmen klarmachen.
4. Was ist mit eigenen Schwächen? Auf Fragen in diese Richtung würde Clensmann “ironisch antworten mit Perfektionismus oder etwas Ähnlichem”. Wenn man allerdings im Gespräch merkt, dass man die erwarteten Anforderungen nicht erfüllen kann, sollte man so ehrlich sein und es zugeben.
5. Was ist, wenn man so nervös ist, dass man sich verhaspelt? “Kurz durchatmen”, sagt Clensmann. Der Bewerbungscoach würde sogar offen damit umgehen und sagen: “Ich bin sehr aufgeregt, die Situation habe ich nicht so oft. Ich würde kurz einen tiefen Atemzug nehmen, dann können wir fortfahren.” Er findet in diesem Fall: “Ehrlichkeit siegt immer.”
6. Es sitzen fünf Personen in der Runde ‒ auf wen konzentriert man sich? “In erster Linie auf den Entscheider.” Aber: “Ganz wichtig: Ich würde jeden kurz ins Gespräch miteinbeziehen, damit sich jeder gesehen und gehört fühlt, auch wenn er nur dabei sitzt und sich Notizen macht. So verhindert man, dass man von einzelnen Personen negative Punkte sammelt.”
“Needyness ist nicht besonders attraktiv”
7. Sollte man zugeben, dass man den Job braucht oder gibt man sich eher lässig? Der Rat des Bewerbungscoaches: “Needyness (Bedürftigkeit, d. Red.) ist nicht besonders attraktiv. Im besten Fall also lässig und mit einem Pokerface, damit der Gegenüber denkt, man ist nicht darauf angewiesen.”
8. Was antwortet man auf die Frage nach dem Wunschgehalt? “Grundsätzlich nie ein Monatsgehalt und auch kein fixes Jahresgehalt nennen.” Warum? “Man sollte nie eine fixe Zahl nehmen, weil man sich sonst von Anfang an das Verhandeln verdirbt.”
Besser: eine Spannbreite nennen. Er würde dabei beim letzten Jahresgehalt als untere Grenze beginnen und zehn Prozent Marge oben drauf setzen. Als Beispiel: Hatte man vorher ein Jahresgehalt von 50.000 Euro, würde man angeben: 50.000 bis 55.000 Euro.
“Ablehnung ist nie schön”
9. Was sind Anzeichen dafür, dass es positiv gelaufen ist? Ist eine Sympathie zum Entscheider zu verspüren, ist das für den Bewerbungscoach ein gutes Anzeichen.
Ebenso: der Zeitraum, der als Entscheidungsfrist genannt wird. Clensmanns Theorie: Je schneller die Firma eine Entscheidung ankündigt, desto größer stehen die Chancen, dass es zu einem zweiten Gespräch kommt.
10. Würde er bei einer Ablehnung nachfragen, was man falsch gemacht hat? Nein. “Mit der Antwort, die man bekommt, kann man eh nicht arbeiten. Die Firmen sind zurückhaltend, die wirklichen Gründe zu nennen.” Die Zeit und Nerven könne man sich sparen.
Natürlich weiß auch er: “Ablehnung ist nie schön.” Aber je mehr Gespräche man absolviert, desto geringer wird der Stellenwert eines einzelnen Gesprächs beziehungsweise der Absage. Und mit regelmäßigen Gesprächen komme die Routine. “Dann läuft es in der Regel besser.”
Das sind die drei größten Fehler bei der Bewerbung
Was sind die größten Fehler, die man schon bei der Bewerbung machen kann? Hier nennt Sebastian Clensmann drei zentrale Punkte:
FEHLER 1: Seine Bewerbungsunterlagen nicht so aufbereiten, dass sie “computerlesbar” sind. Lädt man Bewerbungsunterlagen auf einem Portal hoch, werden diese erst einmal vom Algorithmus gefiltert. Entscheidend sind dabei Keywords, also Stichworte, der Stellenausschreibung.
Diese sollten entsprechend in der Bewerbung auftauchen und die Überschneidungsrate zwischen Ausschreibung und Bewerbung hoch sein. “Sonst fliegt man meist schon raus, bevor die Unterlagen in menschliche Hände kommen.”
No-Go: “Ich habe, ich kann, ich will”
FEHLER 2: Egozentrisch von sich selbst berichten ‒ nach dem Motto: Ich habe, ich kann, ich will. Clensmann sagt: “Viele denken immer noch, man muss der Firma erklären, was die eigene Motivation ist. Aber das ist Unsinn. Es interessiert die Gegenseite herzlich wenig, was man hat, kann und will.”
Vielmehr will der potenzielle Arbeitgeber wissen: Was habe ich davon, wenn ich diese Person einstelle? Clensmann formuliert es so: “Welchen Mehrwert kann mir die Person liefern?” Das nennt er Benefit für das Unternehmen. Darauf fokussiert muss man seine Fähigkeiten, die Features, herausarbeiten.
FEHLER 3: Das Bewerbungsfoto ist zu klein und hinten versteckt: “Viele Bewerbungsfotos sind immer noch auf dem Lebenslauf platziert.” Da sticht es nicht sofort ins Auge. Auch die Größe ist oft zu klein gewählt. Der Experte findet: “Das Hochkant-Passbild-Format ist ganz schlimm.” So geht es besser: “Wir arbeiten mit Business-Porträts” ‒ und zwar großflächig.
Auf das Deckblatt der Bewerbung kommt das Bild komplett von links nach rechts im Format 4:3, “das wirkt ganz anders als zurückhaltend auf dem Lebenslauf”. Übrigens: den Lebenslauf bis zurück zur Grundschule und auch Hobbys oder Ehrenämter dürfen für Clensmann drin stehen. “Ich bin ein Freund davon, ein komplettes Bild zu zeichnen.”