Wirtschaft

Gesetzliche Krankenversicherung: Krankenkassen fordern vom Bund Übernahme der Bürgergeld-Kosten | ABC-Z

Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sehen den
Bund in der Pflicht, die Kosten für die gesundheitliche Versorgung von
Bürgergeld-Empfängern zu tragen. Es sei gesetzlich geregelt, dass der
Staat die Kosten übernehme und nicht der Beitragszahler, sagte der
Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, im Interview der
Woche des Deutschlandfunks. Dennoch trügen die Krankenkassen die jährlichen Kosten in Höhe von rund zehn Milliarden Euro derzeit allein. “Wir bekommen das Geld nicht zurück”, sagte Blatt. “Das müsste uns eigentlich erstattet werden – dann hätten wir schon ein deutlich kleineres Problem.”

Die Kassen leiden unter einer strukturell angespannten Finanzlage. Während die Ausgaben laut Blatt um knapp acht Prozent steigen, wachsen die Einnahmen nur um etwa 5,6 Prozent. Diese Entwicklung verschärft die bestehende Finanzierungslücke im Gesundheitssystem. “Wir haben also eine Schere zwischen den Einnahmen und den Ausgaben, die
wir nicht wegbekommen”, sagte der GKV-Chef.

Seit Jahren warnen Expertinnen und Experten vor einem chronischen Ungleichgewicht, das durch demografischen Wandel, medizinischen Fortschritt und wachsende Sozialausgaben weiter verschärft wird. Eine grundlegende Reform der Finanzierung, etwa durch eine stärkere Beteiligung des Bundes oder neue Finanzierungsmodelle wie eine Bürgerversicherung, wurde bislang immer wieder verschoben oder blieb politisch umstritten.

Milliardenloch durch Pandemie noch immer offen

Auch aus der Zeit der Coronapandemie seien laut Blatt noch Milliardenbeträge offen. So hätten die Pflegekassen bis heute keine Rückzahlung für Leistungen erhalten, die sie im Auftrag des Bundes übernommen hätten – ein weiteres Loch von rund fünf Milliarden Euro. Eine Rückerstattung dieser Summen würde die finanzielle Lage deutlich entspannen.

Auf einen Kurswechsel der Politik setzt Blatt nur eingeschränkt Hoffnung. Zwar engagiere sich Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) für eine Lösung, doch Gesundheitspolitik genieße in der Bundesregierung offenbar nicht die Priorität, die sie aus Sicht des Verbands dringend bräuchte. Er habe den Eindruck, dass
Gesundheitspolitik noch immer “kein A-Thema” sei: “Also die Hoffnung ist, sagen
wir mal, nicht groß.” 

Leistungskürzungen hält Blatt jedoch nicht für zielführend: Durch effizientere Strukturen könnten Leistungen erhalten bleiben, ohne sofort zu sparen. Auch Forderungen nach einer weiteren Reduzierung der Zahl gesetzlicher Krankenkassen lehnt er ab. 

Seit 2010 sei deren Zahl bereits von 490 auf 95 gesunken, ohne dass sich die Grundprobleme der Finanzierung gelöst hätten, sagte Blatt. Eine staatlich verordnete Schließung von Kassen würde eher einer Planwirtschaft gleichen. Denn es müssten ja immer
noch rund 75 Millionen Versicherte betreut werden. Die Verwaltungsausgaben lägen nur bei etwa vier Prozent und seien nicht der Grund für das Milliardenloch.

In der Pflege sieht Blatt die Notwendigkeit für mehr Eigenvorsorge der Versicherten, lehnt aber eine Vollversicherung ab, wie sie etwa von Gewerkschaften gefordert wird. Notwendig sei vielmehr eine solidarisch finanzierte Pflegeversicherung, die die größten Risiken abfedere – ergänzt um private Vorsorge.

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