Christlich Demokratische Union-Chef Jan Redmann ruft vor Landtagswahl in Brandenburg dazu hinaus, gegen die Ampel-Parteien zu stimmen | ABC-Z
Jan Redmann eilt gerade von Termin zu Termin in Brandenburg. Der Chef der Landes-CDU hat ein hohes Ziel. Er möchte Ministerpräsident seines Bundeslandes werden. Doch lange bestimmt nicht die Politik das Gespräch, sondern etwas anderes: Er fuhr betrunken E-Scooter. Im Interview erklärt er, wie er dennoch der Nachfolger von Dietmar Woidke werden will.
ntv.de: Herr Redmann, sie wollen der erste Ministerpräsident der CDU in Brandenburg werden. Übernächsten Sonntag, am 22. September, wird gewählt- wie ist die Stimmung?
Jan Redmann: Meine Stimmung ist sehr gut. In elf Tagen wird gewählt und ich bin guter Dinge, dass wir unsere Ziele erreichen werden. Dietmar Woidke hat erklärt, unter den gegebenen Umständen in Rente zu gehen.
Sie meinen seine Ankündigung, nicht noch einmal Ministerpräsident werden zu wollen, wenn die SPD nicht stärkste Kraft wird?
Jan Redmann: Genau. Seit zwei Jahren liegt die SPD in jeder Umfrage klar an zweiter Stelle. Deshalb entscheiden die Brandenburger und Brandenburgerinnen am 22. September, wer Nachfolger von Dietmar Woidke wird. Soweit ich das Feld überblicke, bietet sich außer mir niemand als sein Nachfolger an – vor allem nicht in der SPD.
Sie reisen mit einer alten Holzbank aus Ihrem Elternhaus über die Dörfer und laden Menschen zum Gespräch ein. Was lernen Sie aus diesen Begegnungen?
Es ist einmal mehr spannend und aufschlussreich, wie unterschiedlich Brandenburg ist. Wie sich der Alltag der Menschen unterscheidet, je nach dem, wo sie leben. Zu oft werden Entscheidungen mit Blick auf die größeren Städte getroffen. Dabei sind die Herausforderungen in den kleinen Orten noch einmal völlig andere.
Inwiefern?
Zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr, aber nicht nur dort. Wenn Sie ein 200 Jahre altes Bauernhaus den Standards der Wärmewende anpassen wollen, ist das ungleich schwieriger als in einem Neubau. Viele Menschen machen sich Sorgen über ihre Zukunft. Sie haben nicht den Eindruck, dass genug getan wird, um unseren Wohlstand zu sichern, etwa in der Wirtschafts- oder Bildungspolitik.
Werden Sie noch oft auf ihr E-Scooter-Fahrt angesprochen? Vor zwei Monaten wurden Sie betrunken von der Polizei so einem Roller kontrolliert. Sie mussten den Führerschein abgeben und 8000 Euro Strafe zahlen.
In den vergangenen zwei Monaten habe ich sicher jeden Witz darüber gehört. Das ist auch in Ordnung. Wer so einen Fehler macht, muss mit dem Spott auch leben. Aber inzwischen interessieren die Menschen andere Fragen mehr, insbesondere wie dieses Land in Zukunft geführt wird.
Es war immerhin eine Straftat, weil mehr als 1,1 Promille gemessen wurden. Es waren 1,3. Kann man danach wirklich noch das höchste Amt in Brandenburg anstreben? Würden Sie einen politischen Gegner so einfach vom Haken lassen?
Das eine sind Verfehlungen im Amt und das andere sind persönliche Fehler. Ich habe den Eindruck, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger diesen Fehler selbst sehr gut einschätzen können.
Sind Sie seitdem mal wieder E-Scooter gefahren?
Nein.
Reden wir über Inhalte, zum Beispiel über das vielleicht wichtigste Landesthema Bildung. Wie wollen Sie dem Lehrermangel begegnen?
Lehrermangel betrifft alle Bundesländer. Aber nehmen Sie das Beispiel Sachsen. Auch dort herrscht ein Mangel an Lehrern. Und dennoch liegt Sachsen im Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft auf Platz 1. Brandenburg hingegen liegt auf dem vorletzten Platz. Das Brandenburger Bildungsministerium wird seit 30 Jahren von der SPD geführt. Jedes zweite Kind kann am Ende der vierten Klasse nicht richtig lesen, schreiben oder rechnen. Das verärgert viele Eltern und ich verstehe das.
Was wollen Sie besser machen?
Die Grundkompetenzen müssen wieder ins Zentrum gerückt werden: Lesen, Schreiben, Rechnen. Deshalb wollen wir in der Kita mit einer verbindlichen Vorschule anfangen, damit die Unterschiede nicht schon am Beginn der ersten Klasse so groß sind. Und: Noten sind ein wichtiges Feedback für Eltern, Kinder und Lehrer. Deshalb sollen sie früher vergeben werden als erst in der vierten Klasse wie es derzeit in manchen Schulen der Fall ist. Wer Schwierigkeiten hat, soll zusätzlichen Unterricht bekommen. Kinder verdienen unsere bestmögliche Unterstützung.
Auch Brandenburger Unternehmer klagen über zu viel Bürokratie. Was lässt sich da auf Landesebene machen? Sehr viele Vorgaben kommen doch aus Berlin und Brüssel.
Das wird leider zu oft als Ausrede gebraucht. Schauen Sie nach Nordrhein-Westfalen. Dort hat die CDU-geführte Regierung schon mehrere Entfesselungspakete verabschiedet. Das ginge in Brandenburg auch. Wir müssen den Handwerkern, Unternehmen und Bürgern zuhören, welche Regeln sie besonders ausbremsen und die Verbesserungen dann auch umsetzen. Deshalb wollen wir neue Gesetze nur noch befristet auf fünf Jahre beschließen. Es ist eine Verpflichtung zu überprüfen, ob es vielleicht effizientere Lösungen gibt. Etwa auch durch Künstliche Intelligenz. Die kann in der Verwaltung eine Chance sein. Wir brauchen außerdem einen Digitalcheck, um bestehende Vorschriften auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Unternehmen leiden außerdem unter hohen Energiepreisen. Wäre es eine Option für Sie, wieder russisches Gas zu beziehen, so wie es auch Michael Kretschmer in Sachsen sagt?
Wir brauchen mehr Vernunft in der Energiepolitik. Dazu gehört eine bessere Energieinfrastruktur, damit wir die in Brandenburg gewonnene Windenergie auch hier nutzen können. Wir dürfen auch nicht vorzeitig aus der Braunkohleverstrohmung aussteigen. Der Kohlekompromiss mit Ausstiegsdatum 2038 wurde hart erarbeitet und der muss weiter gelten. Steigen wir vorzeitig aus, so wie es die Grünen wollen, steigen auch die Energiepreise.
Und wie sieht’s mit russischem Gas aus?
Der Konflikt mit Russland ist vor allem in der Uckermark bei der Raffinerie PCK Schwedt ein Thema. Wir haben immer gesagt: Sanktionen müssen in erster Linie Russland treffen und nicht Deutschland stärker beeinträchtigen. Inzwischen ist mit Kasachstan eine Lösung gefunden worden, die der Raffinerie zumindest vorübergehend hilft. Die längerfristige Perspektive fehlt aber. Das sorgt für Verunsicherung.
In Schwedt wird Öl verarbeitet. Kann aber auch russisches Gas wieder eine Option sein für unsere Energieversorgung?
Die Raffinerie wird jetzt mit kasachischem Öl versorgt, durch eine Pipeline, die über russisches Territorium verläuft. Das ist natürlich eine Notlösung. Nach Ende des Konflikts in der Ukraine sind auch andere Energieträger, ob Gas oder Öl, sicher wieder eine Option für Deutschland. Das für alle Zeiten auszuschließen, hielte ich für falsch.
Aktuell regiert die SPD mit der CDU und den Grünen. Wäre das auch Ihre Wunschkonstellation?
Ich kämpfe für ein starkes Ergebnis der CDU. Im Moment sieht es danach aus, dass wir in Brandenburg eine Koalition aus der Mitte heraus bilden können. Natürlich wünsche ich mir ein Ergebnis, das uns die Möglichkeit gibt, auszuwählen. Aber das entscheiden die Wählerinnen und Wähler.
Käme der Bildungsminister dann von der CDU?
Die CDU hat den Anspruch, in allen Bereichen Verantwortung zu übernehmen. Wer welche Ressorts bekommt, ist Ergebnis der Koalitionsverhandlungen.
Auch in Brandenburg könnte die AfD stärkste Kraft werden. Sie grenzen sich klar ab, eine Koalition schließen sie aus. Sie wollen den Wähler aber ein Angebot machen. Aber sind die nicht zu sehr gegen Ausländer, zu sehr für Russland, zu rechtsextrem?
Es wäre ein Riesenfehler, AfD-Wähler pauschal auszugrenzen. Sicher gibt es unter den AfD-Wählern Rechtsextreme. Aber es gibt auch die anderen, die ein Signal an die etablierten Parteien senden wollen. Die eine andere Politik wollen. Eine, die sich stärker an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Mit denen möchte ich ins Gespräch kommen und ihnen ein Angebot machen, das attraktiv ist.
In Thüringen und Sachsen spielte der Frust über die Ampelkoalition in Berlin eine Rolle, nach Meinung vieler Kommentatoren. Wie erleben Sie das?
Der Ampel-Frust in Brandenburg ist mindestens so groß wie in Sachsen, Thüringen und im Rest des Landes. Aber: In Brandenburg ist es möglich, die Ampel auszuschalten. Eine verlorene Wahl in ihrer letzten Herzkammer kann die SPD nicht einfach vom Tisch wischen. Auch Saskia Esken und Olaf Scholz müssen sich dann fragen, ob es so weitergehen kann. Wer eine stabile Regierung in Brandenburg will und dass der Ampelmurks in Berlin schnell beendet wird, muss am 22.09. CDU wählen.
Aber Sie würden ja auch vermutlich wieder mit SPD und Grünen regieren. Hat ihre Argumentation da nicht eine Schwäche?
Nein. Die SPD hat dieses Land seit mehr als 30 Jahren aus der Staatskanzlei geführt. Jeder kann sehen, dass es Zeit ist für eine Veränderung. Und dabei macht es einen Unterschied, wer Ministerpräsident ist. Ich habe vor, eine Veränderungsregierung zu bilden, die wesentliche andere Akzente setzt bei Bildung, innerer Sicherheit und Migration.
Wie sieht es mit dem BSW aus? Wäre das wirklich ein denkbarer Partner?
Wenn man sich allein die landespolitischen Positionen anschaut, gibt es Schnittmengen, zum Beispiel bei der inneren Sicherheit. Aber wollen die überhaupt regieren? Das ist die Frage. Ich erlebe Frau Wagenknecht eher so, dass sie Sollbruchstellen anlegt, um am Ende eine Ausrede zu haben, nicht in Regierungsverantwortung zu gehen. Die Gretchenfrage ist für mich: Wie hältst du es mit der Bundeswehr? In der nächsten Legislatur haben wir auch als Bundesland erhebliche Aufgaben, die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen. Da geht es um Infrastruktur und Bundeswehrstandorte, die ausgebaut werden müssen. Wir stehen hinter unseren Soldatinnen und Soldaten. Daran wird sich jeder orientieren müssen, der mit der CDU koalieren will.
Nach der Wahl wird auch die K-Frage in der Union entschieden. Wer ist Ihr Favorit? Herr Merz, Herr Söder oder doch Herr Wüst?
Wir entscheiden das gemeinsam nach der Wahl. Das haben wir so verabredet und daran halten wir uns.
Mit Jan Redmann sprach Volker Petersen