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Christian Streich erhält Auszeichnung für Engagement gegen Rechtsextremismus – Sport | ABC-Z

Christian Streich musste 59 Jahre alt werden, ehe er Nürnberg erstmals in all seiner geschichtsträchtigen Pracht bestaunen durfte. Und das, obwohl er zuvor „schon 50 Mal da war“. Als Trainer sehe man immer nur das Mannschaftshotel und das Stadion. Und verpasse damit zuweilen Wichtigeres, so Streich, der mit seiner Frau in den Genuss einer historischen Stadtführung gekommen war. Im Laufe des Abends sollten dann dennoch ernsthafte Zweifel auftauchen, ob der als Pflichtmensch bekannte Streich jemals so uneingeschränkt im selbstgewählten Müßiggang aufgehen wird. Dass er jetzt in Städten wie Nürnberg mehr zu sehen bekommt als Hotelzimmer und Umkleidekabinen, das genießt er schon. Und die Radtour, die ihn jüngst zusammen mit einem Freund vom Elsass über die Pyrenäen nach Bilbao geführt hat, die hat er auch genossen. Und die Preisverleihung, die am Freitagabend zelebriert wurde, die auch. Immerhin.

Gut eine Stunde nach dem Ende der Galafeier der „Akademie für Fußballkultur“, verließ er jedenfalls schwer bepackt die Tafelhalle. Unterm Arm hielt der langjährige Trainer des SC Freiburg gleich zwei schwere Holzfiguren, stilisierte Kicker namens „Max“. Einen davon hatte er für den Fußballspruch des Jahres bekommen: „Jagger, Keith Richards, John Woods – die sind Kult. Ich bin ein Kültle.“ Diesen Preis teilt er sich mit Horst Hrubesch („Bei unserer Qualität macht es keinen Sinn, Spiele zu verlieren“). Und den zweiten erhielt er als Symbol für den Walther-Bensemann-Preis, mit dem die Jury die „Persönlichkeit des Jahres“ auszeichnet.

Den nach dem Kicker-Gründer Walther Bensemann benannten Hauptpreis bekam Streich auch wegen seines Engagements gegen Rechtsextremismus und Intoleranz: „Er war die klarste Stimme des Fußballs gegen die antidemokratischen Kräfte in unserem Land“, lobte Kicker-Chefredakteur Jörg Jakob. „Dieser merkwürdige Kerl mit dem alemannischen Dialekt“, sei ein „herausragender Typ, der die Fehlentwicklungen der Branche erkannte und benannte, ohne als Lautsprecher oder Besserwisser aufzutreten.“ Jakob hob dann auch die „kluge und unverstellte Art“ Streichs hervor, ließ aber auch durchblicken, dass genau die auch schon zu wütenden Leserbriefen geführt habe, als die Redaktion (wie 2022 geschehen) ihn zum „Trainer des Jahres“ kürte. Ausgerechnet Streich, so der Tenor, der mit seiner impulsiven Art an der Seitenlinie doch nun wirklich kein Vorbild sei?

Streich ist schließlich oft genug selbst erschrocken, wenn er sich selbst im Fernsehen sah. Diese entgleisenden Gesichtszüge, die Wut im Blick – all das wollte er eigentlich selbst nicht sehen. Für die Jury war das alles aber sowieso zu vernachlässigen. Wer braucht schon einen Knigge-Trainer, wenn die AfD die Landtage im Sturm erobert? Wenn immer noch zu wenige Prominente Sätze sagen, wie sie Streich formulierte, als das Recherchenetzwerk Correctiv im Januar über „Remigrations“-Pläne von AfD-Hardlinern berichtet hatte: „Wer es jetzt nicht verstanden hat, der hat nichts verstanden in der Schule, als Geschichtsunterricht war.“ Als der Satz zitiert wurde, brandete tosender Applaus auf. Betretenes Schweigen dann, als David Zabel (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland), der die Laudatio für Ronny Blaschkes preisgekröntes Buch „Spielfeld der Herrenmenschen“ hielt, dem wohlmeinenden Milieu vorhielt, als mehrheitlich weißes Publikum reflektiere es die eigenen Privilegien nicht.

Eine Rückkehr in den Fußball kann sich Streich erstmal nicht vorstellen

Auf der Zielgeraden des Abends ging es dann wieder heiterer zu. So ganz, das wurde deutlich, ist Streich jedenfalls der Übergang vom Bundesligatrainer zum Privatier noch nicht gelungen. Auf die Frage, was er seit dem 18. Mai 2024,seit seinem letzten Spiel als Coach, gemacht habe, sagte er – „das frage ich mich manchmal auch“ – und sorgte damit das erste Mal für Gelächter. Es falle ihm jedenfalls nicht leicht, 24 Stunden am Tag zur freien Gestaltung zu haben: „Die Struktur ist weg.“ In den vergangenen drei Jahrzehnten habe er „jeden Montag, Dienstag, Mittwoch gewusst, was ich zu tun hatte, nämlich arbeiten gehen. Jetzt bin ich in interessanten Zuständen teilweise.“ Man müsse „alles selber gestalten, selbst überlegen, was du tust, du musst damit umgehen können, wenn du Montagmorgen um zehn im Wald rumläufst. Wenn man viele Möglichkeiten hat, heißt das nicht, dass man die richtigen auswählt, dazu braucht man Zeit.“ Die will er sich offenbar nehmen.

Die meistgehörte Frage bei den Gesprächen des Publikums blieb jedenfalls unbeantwortet. Ob Streich irgendwann wieder einen Trainerjob übernimmt? Sein letzter Satz des Abends deutet jedoch darauf hin, dass er das erst einmal nicht vorhat: „Jetzt hoffe ich, dass ich andere Dinge finde neben dem Fußball, wo ich etwas lernen kann und nicht immer nur sage: Das kann ich nicht und das kann ich nicht.“

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