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Christian Lindner im Interview: “Mir ist schon klar, wie ich auf manche wirke” | ABC-Z

Christian Lindner will nach dem Ampel-Aus zurück in die Regierung. Trotz schwacher Umfragewerte für seine FDP und ausbaufähiger persönlicher Beliebtheitswerte hofft der Ex-Finanzminister auf eine Koalition mit der Union und setzt auf Disruption. Ihm sei nicht wichtig, kurzfristig populär zu sein, sagt er im Interview. Mit Lindner sprach ntv.de auch über syrische Flüchtlinge, Robert Habeck und Bitcoin.

ntv.de: Wir treffen Sie als Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten in der FDP-Bundesgeschäftsstelle. Was waren denn – neben Gestaltungsmacht und spannenden persönlichen Begegnungen – Ihre größten Privilegien als Bundesminister?

Christian Lindner: Winston Churchill sagte nach seinem Ausscheiden aus den höchsten Staatsämtern, ihm fehlten ‘information and transportation’. Als Bundesminister verfügt man immer über beste Informationen und eine überlegene Logistik. Aber man darf sich nicht daran gewöhnen, weil diese Ämter auf Zeit sind.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie diese Privilegien bald wieder nutzen können?

Die Privilegien sind mir nicht wichtig. Ich hätte ja die Bedingungen von Olaf Scholz akzeptieren können, neue Schulden zu machen und die untaugliche Wirtschaftspolitik fortzusetzen. Dann wäre ich heute noch Minister. Ich kämpfe aber für eine politische Neuausrichtung unseres Landes. Eine Neuorientierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der einen Seite, die unseren Lebensstandard und unsere wirtschaftliche Stärke erhält. Und auf der anderen Seite einen Staat, der sich wieder um die wesentlichen Dinge kümmert: Bildung, Digitalisierung, Forschung, Infrastruktur, Durchsetzung der öffentlichen Ordnung und Kontrolle der Migration statt Subventionen, Umverteilung, Bürokratisierung und Bevormundung.

Die Ausgangslage ist für Sie aber schwierig: Die FDP-Bundestagswahlkampf ist ganz auf Ihre Person zugeschnitten, zugleich sind Ihre persönlichen Beliebtheitswerte ausbaufähig. Warum ist das so?

Alle Parteien konzentrieren sich auf ihre Spitzenkandidaten. Mir ist wichtiger, richtige Entscheidungen zu treffen als kurzfristig populär zu sein. Zum Beispiel entweder eine neue Politik in der Ampel zu erreichen oder Neuwahlen herbeizuführen. Das gefällt nicht jedem. Außerdem polarisieren die Werte, die ich für die FDP vertrete. In einem Land, das stark an Staat und Gleichheit orientiert ist, plädieren wir am stärksten für Freiheit, Eigenverantwortung, Respekt vor Leistungsbereitschaft und Eigentum und damit auch für legitime Vielfalt in der Gesellschaft.

Viele Menschen lehnen aber offensichtlich nicht nur Ihre politischen Vorstellungen ab, sondern reiben sich an Ihrer Person. Beschäftigt Sie das nicht?

Kann man das trennen? Meine persönliche Seite kommt doch öffentlich gar nicht zum Tragen. Wenn man sich an mir reibt, dann an Images oder der politischen Funktion, die ich ausübe. Mir ist schon klar, wie ich auf manche wirke, wenn ich oft aus einer Minderheitsposition argumentieren und deshalb kantig auftreten muss. Das gilt insbesondere für den von meiner Partei verkörperten positiven Individualismus, jeder und jedem einzelnen etwas zuzutrauen. Wir wollen die Menschen durch gute Bildung stärken und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, ohne sie mit finanzieller Überforderung und Schablonen für die private Lebensführung zu behelligen. Die politische Philosophie, die ich vertrete, ist in Deutschland kein Selbstläufer. Ich muss in Kauf nehmen, dass es nicht Applaus von allen Seiten gibt.

Die Frage “Wer ist Christian Lindner wirklich?” beschäftigt selbst ehemalige Kollegen. Robert Habeck sagte im “Spiegel”, er habe gedacht, einen Draht zu Ihnen zu haben. Gab es den?

Der Wahlkämpfer Robert Habeck ist nun wirklich keine objektive Quelle. Im Übrigen modifiziert er seine Erzählung vom Ampel-Aus auch so, wie es gerade passt. Jedenfalls gab es natürlich kollegialen Austausch. Aber er wie alle anderen wussten immer, woran sie bei mir sind. Deshalb gab es ja so lange Verhandlungen und Kontroversen. Gescheitert ist die Ampel am gegensätzlichen Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft zwischen Rot-Grün und FDP. Robert Habeck will die Entwicklung unserer Wirtschaft am Reißbrett planen, um das dann mit geliehenem Geld und Subventionen, Verboten und Regulierung herbeizuführen. Ich bin dagegen überzeugt, dass nur Freiheit und marktwirtschaftlicher Ideenwettbewerb nachhaltig wirtschaftliche Stärke sichern. Wir als Politiker können nicht wissen, welche Technologie, welche Branche und welches Unternehmen Zukunft hat. Deshalb will ich für alle faire Bedingungen schaffen, also geringere Steuern, minimale bürokratische Belastungen und eine rationale Energie- und Klimapolitik.

In diesem Zusammenhang haben Sie zuletzt wiederholt die Idee der schöpferischen Zerstörung oder auch Disruption in den Raum gestellt. Was verstehen Sie darunter?

Der Staatsapparat wächst seit Jahren, die Ergebnisse des Staates werden aber schlechter. Der überdehnte Staatssektor kostet uns Dynamik, weil er teuer ist und das Leben bürokratisiert. Wir haben uns selbst gefesselt. Deutschland ist vom Vorbild zum abschreckenden Beispiel abgestiegen. Da hilft ein bisschen Kurskorrektur nicht mehr. Wir müssen einen anderen Weg einschlagen.

Als Inspiration haben Sie den argentinischen Präsidenten Javier Milei und seine Kettensägen-Politik sowie den Tech-Milliardär Elon Musk genannt. Bleiben Sie dabei?

Elon Musk ist unverändert der erfolgreichste Unternehmer der Gegenwart. Verändert hat sich nur die Einsicht, dass politisches Urteilsvermögen nicht unbedingt Hand in Hand geht mit unternehmerischer Gestaltungskraft. Unverändert ist auch die Tatsache, dass Milei ein heruntergewirtschaftetes Land durch marktwirtschaftliche Reformen wieder auf Kurs bringt, sodass Inflation und Armutsquote sinken und sich wieder Wachstum einstellt. Weder haben wir argentinische Verhältnisse noch möchte ich den politischen Botschaften von Herrn Musk folgen. Doch Arroganz wird uns nicht helfen. Wir brauchen vielleicht keine Kettensäge, aber statt der Nagelfeile sollten wir zur Heckenschere greifen.

Geht es Ihnen – mit Blick auf Bürokratie und Regulierung – darum, einen Tabula-Rasa-Moment zu schaffen? Alles weg und noch einmal neu aufsetzen?

Ich möchte verhindern, dass die liberale Demokratie infrage gestellt wird. Diese Gefahr besteht, wenn die Politik Probleme nicht mehr löst, sondern sie befördert: wenn die Menschen verarmen, wenn ihre Jobs unsicher werden und man die Teenager-Tochter aus Sorge nicht mehr abends alleine zum Bahnhof gehen lassen will. Solche Entwicklungen haben dazu geführt, dass in den USA ein Mann mit bekannten Defiziten und autoritären Zügen Präsident geworden ist. Ich will einen Politikwechsel, der belegt, dass die liberale Demokratie liefern und die Probleme lösen kann.

Elon Musk ist ein Freund von Kryptowährungen. Hat Sie das inspiriert zu der Anregung, die EZB solle einen Teil ihrer Reserven in Bitcoin anlegen – und wie ernst haben Sie das gemeint? Sie sind schließlich ehemaliger Finanzminister.

Nein, angeregt habe ich eine fachliche Diskussion darüber, nicht schon das Ergebnis. Wenn das in den USA und asiatischen Staaten erwogen wird, lohnt die Prüfung. Die Notenbanken sind aber unabhängig. Musk brauche ich für meine Position nicht. Ich habe mich auch als Finanzminister schon für diese Anlageklasse eingesetzt. Sie ist nicht frei von Risiken, aber marktwirtschaftlich, digital und innovativ. Das verdient faire Chancen. Ich habe 2022 daher dafür gesorgt, dass wir hinsichtlich der Besteuerung von Kryptovermögenswerten in Deutschland Rechtssicherheit erhalten. Außerdem sollten wir auch ETFs auf Basis von Kryptovermögenswerten ermöglichen. Das erlaubt die EU-Aufsicht gegenwärtig nicht. Die Argumente überzeugen mich aber nicht mehr.

In den USA sind Bitcoin-ETF mittlerweile erlaubt, das hat den Preis immens nach oben getrieben…

Das reduziert eben die Hürde für Anlegerinnen und Anleger weiter. Auch in Deutschland ist der Bestand von Bitcoin-Vermögenswerten bei Millionen Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern größer geworden. Wir sollten auch deshalb bei der Spekulationsfrist in der Steuer den bisherigen Freibetrag von 1000 Euro erhöhen.

Aber Bitcoin ist extrem riskant. Ist es nicht problematisch, wenn Sie für Bitcoin eintreten?

Ich trete nicht für Bitcoin ein. Ich werbe überhaupt nicht für eine einzelne Anlageklasse. Aber ich trete für die wirtschaftliche Freiheit der Menschen ein. Es ist gewiss falsch, seine gesamten Rücklagen in einer einzigen Assetklasse anzulegen. Aber zur Diversifikation eines Portfolios kann Bitcoin eine Möglichkeit sein. Das muss jeder selbst entscheiden.

Deutschland steckt in der Wirtschaftskrise. Die Antwort der FDP lautet: Steuersenkungen und Deregulierung. Was davon lässt sich so schnell umsetzen, um dieser akuten Krise erstmal ein Stück weit rauszukommen?

Ich habe noch als Finanzminister ein Papier für eine Wirtschaftswende vorgelegt, das von Wirtschaft und Wissenschaft sehr positiv aufgenommen wurde. Ich habe konkret nachgerechnet, dass wir ad hoc spürbare Impulse geben können durch eine Reduzierung der Körperschaftsteuer, das stückweise Ende des Solidaritätszuschlags, Steuerfreiheit für bezahlte Überstunden und die Beseitigung der kalten Progression.

Das klingt aber nicht nach einer schnellen Umsetzung…

Im Gegenteil, das kann eine Bundesregierung in ihren ersten 100 Tagen verwirklichen. Es geht noch sehr viel mehr. Wir sollten das Ziel der Klimaneutralität Deutschlands auf das europäische Ziel von 2050 schieben, um Technologien länger zu nutzen und grüne Subventionen einzusparen. Vom Arbeitszeitgesetz über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bis zur Nachhaltigkeitsberichterstattung können wir uns umgehend von lästiger, teurer und bremsender Bürokratie trennen. Auch dieser Lastabwurf lässt sich im Zuge eines 100-Tage-Programms einer nächsten Bundesregierung umsetzen.

Steuersenkungen müssen aber gegenfinanziert werden. Selbst wenn die Wirtschaft angeschoben wird, kommt das Geld dadurch erst später rein. Erst einmal klafft eine Lücke.

Nein. Die ersten Maßnahmen habe ich noch als Finanzminister amtlich berechnet. Die Reform des Bürgergeldes, Begrenzung der irregulären Migration in den Sozialstaat, der Verzicht auf grüne Subventionen und die Anpassung unserer internationalen Klimasubventionen brächten uns Milliarden Euro Spielraum.

Wie viel sparen Sie mit Ihrer Reform des Bürgergelds?

Im Bürgergeld können wir einen hohen einstelligen Milliarden-Euro-Betrag erwirtschaften, indem mehr Menschen arbeiten und indem mit Steuergeld effektiver umgegangen wird. Gleichzeitig wollen wir mit einer Erhöhung des Grundfreibetrags weitere bis zu 1000 Euro im Jahr von jeder Besteuerung ausnehmen, um vor allem Menschen mit kleinem Einkommen zu stärken und so einen zusätzlichen Beschäftigungseffekt zu erreichen.

Der Chef des Forschungsinstituts DIW Marcel Fratzscher hat ausgerechnet, dass eine Umsetzung des FDP-Wahlprogramms 138 Milliarden Euro kosten würde. Wie wollen Sie diese Summe wieder reinbekommen?

Bei nur einem Prozent mehr Wachstum haben wir bereits einen erheblichen Effekt auf die Einnahmen. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Staatsquote tendenziell sinken sollte. Insofern sollten Steuersenkungen gar nicht komplett gegenfinanziert, sondern auch durch Begrenzung des Staatsapparats realisiert werden. Ich bin inzwischen überzeugt, dass wir bei bald einer Billionen Euro Staatseinnahmen mehr tun können für Bildung, Bundeswehr, innere Sicherheit, Infrastruktur und Digitalisierung, wenn wir an anderer Stelle besser mit dem Steuergeld umgehen. Der Sozialstaat muss treffsicher werden bei denjenigen, die ihn brauchen. Gleichzeitig wollen wir Mitnahmeeffekte vermeiden und Arbeitsanreize erhöhen. Die Verschiebung des deutschen Klimaziels auf 2050 erlaubt daneben die drastische Reduktion von Subventionen und die längere Nutzung bestehender Anlagen und Technologien für die Wertschöpfung. Auch den Staatsapparat können wir verschlanken, etwa indem Ministerien und Behörden zusammengeführt werden.

Außerdem müssen wir die irreguläre Migration in unser Land massiv begrenzen. Kontrolle und Konsequenz sind die Voraussetzungen dafür, dass Weltoffenheit und Toleranz mehrheitsfähig bleiben. Das heißt beispielsweise auch, die Rückführung von Menschen nach Syrien baldmöglichst zu ermöglichen.

Meinen Sie damit Abschiebungen oder die Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr?

Wer kein Aufenthaltsrecht mehr hat, weil er den Flüchtlingsstatus verloren hat, muss in die Heimat zurückkehren. Irgendeine Beschäftigung in Deutschland, die aber den Lebensunterhalt der Familie ohne Sozialleistungen nicht sichert, darf da auch kein Hinderungsgrund sein. Wir müssen der neuen Führung in Syrien erklären: Voraussetzung für die Bereitschaft Deutschlands, mit Syrien wirtschaftlich zusammenzuarbeiten, ist auch die Kooperation bei der Rückkehr syrischer Staatsbürger.

Derzeit weiß aber niemand, wohin sich Syrien entwickelt. Wecken Sie nicht wie die Union völlig unrealistische Erwartungen in der Bevölkerung, die am Ende zu großer Enttäuschung führen?

Nein, denn die Position zu Syrien ist ja nur ein Aspekt. Wirksamer europäischer Grenzschutz, europäisches Asylsystem, Sachleistungen statt Geldleistungen, kein Geld mehr für Dublin-Flüchtlinge in Deutschland, mehr sichere Herkunftsländer, Asylverfahren in Drittstaaten, Migrationsabkommen zur Rücknahme – wir brauchen insgesamt eine neue Realpolitik bei der Einwanderung.

Es gibt einen gewaltigen Investitionsbedarf in Deutschland. Es fehlt an Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Rüstung. Ist es nicht an der Zeit, die Schuldenbremse zu reformieren, um dringend nötige Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen?

Olaf Scholz hat doch entlarvt, worum es den Gegnern der Schuldenbremse geht. Er hat am selben Tag, als er eine Reform der Schuldenbremse vorgeschlagen hat, erklärt, dass er den Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel reduzieren will. Das würde Milliarden kosten. Diese Milliarden sollten wir stattdessen für das einsetzen, was Jobs bringt und das Land modernisiert. Die Gegner der Schuldenbremse argumentieren mit Investitionen, tatsächlich wollen sie schlicht mehr Geld verteilen.

Alleine bei der Infrastruktur besteht auch laut Ökonomen, die Ihrer Sicht eher nahestehen, in den kommenden zehn Jahren ein Investitionsbedarf in dreistelliger Milliardenhöhe.

Ja. Und über die kommenden zehn Jahre wird Deutschland sehr viel mehr als zehn Billionen Euro Einnahmen haben. Das ist finanzierbar, wenn wir Prioritäten setzen. Im Übrigen haben wir europäische Fiskalregeln. Das wird gerne ignoriert. Diese europäischen Fiskalregeln erlauben schlicht nicht die Schulden, die SPD und Grüne wollen. Wenn Deutschland diese Regeln vorsätzlich bricht oder wie Robert Habeck politisch aktiv bekämpft, dann könnten wir Staaten wie Frankreich nie mehr disziplinieren. In wenigen Jahren könnte das Fundament unserer Währungsunion durch Schulden unterspült sein.

Wie viel Prozent der Wirtschaftsleistung kann Deutschland für seine Verteidigung ab 2028 ausgeben, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist

Deutschland muss und kann alle NATO-Verpflichtungen einhalten. Gegenwärtig ist das NATO-Ziel zwei Prozent. Der derzeitige Überbietungswettbewerb ist unvernünftig. Wir sollten uns an die gemeinsamen Regeln halten und im Übrigen auch konkret über Befähigungen sprechen, die wir für unser Geld bekommen. Denn mein Eindruck ist, dass Beschaffung, Effizienz und Planung bei der Bundeswehr weiterhin verbesserungsbedürftig sind. Außerdem haben wir keine europäische Rüstungsindustrie, die leistungsfähig genug wäre. Anders gesagt, wir müssen mehr Sicherheit für jeden eingesetzten Euro Steuergeld erhalten.

Sie wollen deregulieren, Sie wollen Subventionen abbauen. Sollte die FDP noch mal in den Bundestag kommen, wollen Sie eine Koalition mit der Union. Die CSU hat bereits angekündigt, die Mütterrente auszuweiten und die Agrardiesel-Subventionen wieder vollständig einzuführen. Was macht Sie optimistisch, ihre Pläne auch nur ansatzweise umzusetzen?

Was würde denn stattdessen Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün bedeuten? Die CDU hat ja noch zusätzlich angekündigt, man sei offen für Steuererhöhungen. Die Lockerung der Schuldenbremse ist plötzlich kein Tabu mehr. Selbst Robert Habeck im Bundeskabinett ist für Friedrich Merz vorstellbar. Das heißt: Bei einer Koalition ohne die FDP muss die Sorge viel größer sein. Denn mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün wären eine Wirtschaftswende und eine konsequentere Migrationspolitik, eine Politik mit weniger Bevormundung und mehr Vertrauen auf Freiheit und Eigenverantwortung nicht realisierbar.

Aber ihr Dilemma bleibt bestehen: Sie wären dann nach Ihrem Selbstverständnis ein wirtschaftsliberales Korrektiv in einer Koalition – und ihr Klientel wäre am Ende wieder enttäuscht.

Das Risiko ginge ich gerne im Interesse des Landes ein. Eine Koalition mit der Merz-CDU wäre anders als mit der Merkel-CDU. Abgesehen davon, die FDP ist kein Korrektiv und auch mehr als nur wirtschaftsliberal. Wir sind eine liberale Partei, die Freiheit in Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen vertritt. Denken Sie nur an die Einschränkungen von Bürgerrechten während der Pandemie durch die CDU, wogegen wir uns stets gewendet haben.

Von Bundeskanzler Olaf Scholz sind Sie erkennbar wenig begeistert, auch was sein Format und Charakter betrifft. Was überzeugt Sie denn, dass Friedrich Merz besser geeignet ist für dieses Amt?

Anders als Herr Scholz mache ich keine öffentlichen Charakterstudien. Politisch entscheidend ist nicht der Kanzler, sondern seine Koalition. Friedrich Merz mit Robert Habeck wäre anders als Friedrich Merz mit der FDP.

Mit Christian Lindner sprachen Sebastian Huld und Jan Gänger

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