Kultur

Christian Kracht: Cottagecore ist auch nur eine Fantasy-Geschichte | ABC-Z

Der Schweizer Autor Christian Kracht © [M] Stefanie Loos/​AFP/​Getty Images

Dass in einem Podcast, der den Pulsschlag der Gegenwart erfühlen soll, kein Weg an Christian Kracht vorbeigeht, versteht sich fast von selbst. Deshalb ist Kracht auch der einzige Schriftsteller, der einzige Künstler, mit dem sich das Team des Feuilleton-Podcasts bereits ein zweites Mal beschäftigt: Nach Krachts Roman Eurotrash, der sehr autobiografisch sein Debüt Faserland fortgeschrieben hat, landet der Leser des neuen Kracht-Romans Air nun im hohen Norden, auf einer Inselgruppe irgendwo zwischen den Hebriden, Färöer Inseln und Norwegen. 

Wie bereits in seinem Roman 1979 ist der Protagonist ein Innenarchitekt, also ein erbarmungsloser Ästhetizist, dessen ganze Existenz vor allem um die Frage kreist, in welcher Farbe die Wände eines hippen Restaurants am besten anzustreichen sind. Der Roman wimmelt voller toller Oberflächen-Detailbeobachtungen, und man fühlt sich zurückversetzt um einige Jahre in die Vergangenheit, als sich in der Lifestyle-Welt alles um Handwerklichkeit und authentische Ursprünglichkeit drehte: Vor die Wahl gestellt zwischen dem Rohen und dem Gekochten, wählte man stets das Rohe. 

Air ist hier wie ein Besuch in dem um 2010 berühmtesten Restaurant der Welt, dem Noma in Kopenhagen. Doch dann kippt der Roman, raus aus der Lifestyle-Welt, hinein in eine Science-Fiction- und Fantasy-Welt, die sich aber überraschenderweise von der Noma-Welt gar nicht so sehr unterscheidet und doch ganz anders ist. Rettet uns nur eine Askese, die nichts kennt außer „Steine und Wasser“ aus der sinnlosen ästhetischen Existenz im Spätkapitalismus? Air ist ein großer Roman, weil er, wie so oft bei Kracht, am Ende eben auch ein rätselhafter, mystischer Roman ist – und ein gegenwärtiger.

Das Thema beginnt bei Minute 15:50.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"