Wirtschaft

Chip-Hersteller Nexperia investiert in Hamburger Standort – Wirtschaft | ABC-Z

Schmutzpartikel sind die Feinde des Halbleiters. Wer die Produktion von Nexperia in Hamburg etwas näher betrachten möchte, muss deshalb im Schutzanzug verpackt von einer Schleuse in die nächste, zum Wegpusten letzter verbliebener Fremdkörper. In einem weißen Raum stecken sie dann in ihren Vorrichtungen, kurz vor der nächsten Bearbeitung mit Chemikalien: lauter dunkelgraue platte Scheiben, 20 Zentimeter im Durchmesser – sie bedeuten die Welt von allem Elektronischem.

Ganze Industriezweige hängen von den später herausgetrennten Bauteilen ab, ohne die Halbleiter würden weder Smartphones, Solaranlagen noch Autos funktionieren. Ziemlich wichtig also diese Fabrik in Hamburg – nur warum ist sie den meisten Deutschen kaum ein Begriff?

Wer Chipfabrik hört, denkt ja zuerst an andere Regionen in Deutschland: an Intel etwa mit seiner Bauoffensive bei Magdeburg, an Infineon in München, Bosch oder NXP in Dresden. Etliche Firmen wurden zuletzt von der deutschen Regierung subventioniert, damit die eigene Chiplandschaft wächst und die Abhängigkeit von Produkten aus Asien schrumpft. Bei Nexperia ist das allerdings so eine Sache: Der Eigentümer sitzt in China und ist teilweise in staatlichem Besitz.

Das macht das Unternehmen mit seiner Zentrale in den Niederlanden nicht gerade zum Liebling im Bundeswirtschaftsministerium. Im vergangenen Jahr wurde gar eine zunächst geplante Förderung der EU-Kommission gestrichen. Nun geht man bei Nexperia aus eigener Kraft in die Zukunft: Am Donnerstag verkündete die Firma eine Investition über 200 Millionen Dollar (184 Millionen Euro). Sie will so die Entwicklung und Produktion sogenannter Wide-Bandgap-Halbleiter (WBG) vorantreiben.

„Wir sind sehr stolz darauf, diese Investition aus Eigenmitteln zu fördern und unseren Beitrag zu leisten“, sagt Finanzvorstand und Deutschlandgeschäftsführer Stefan Tilger. Die Förderung der EU hätte nur einen Bruchteil des jetzigen Volumens betragen, aber in der Absage lag auch große Symbolik. Darüber reden wollen die Chefs heute nicht mehr. „Wir blicken positiv nach vorne“, sagt Tilger knapp.

Wide-Bandgap-Halbleiter sind besonders leistungsstarke Elemente, die in E-Autos etwa längere Reichweiten und geringere Ladezeiten versprechen. Sie gelten insgesamt als energieeffizienter. „E-Mobilität, Energiewende und Digitalisierung sind ohne unsere Produkte nicht denkbar“, sagt Tilger, „unsere Produkte sind die Schrauben und Muttern, die neue Technologien möglich machen“. Mehr als 100 Milliarden Produkte entstehen im Unternehmen jedes Jahr. An den Standorten in China werden aus den bearbeiteten Platten die Bauteile herausgetrennt und auf ihre Qualität überprüft, bevor sie in den Handel gehen.

Die Verkündung der Investition hatten sich die Bosse extra für den 100. Geburtstag des Standorts aufgehoben, der am Donnerstag mit einer ganzen Schar an Gästen zelebriert wurde. Denn die Fabrik im Stadtteil Lokstedt steht hier schon seit 1924. Erst wurde dort unter dem Namen Valvo Röhrenfabrik produziert, 1927 gingen die Geschäfte an den Elektronikkonzern Philips in den Niederlanden. 2017 wurde Nexperia ausgegliedert aus der Halbleiter-Sparte NXP und zwei Jahre später von Chinas Wingtech Technology mehrheitlich übernommen. Eine Struktur, die für Spannungen in der Politik sorgte.

Auch der Standort soll nun ausgebaut werden, denn der Platz wird allmählich eng

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte ja auch schon die Übernahme von Chipherstellern von chinesischen Investoren verhindert, etwa den Verkauf des Dortmunder Unternehmens Elmos. Heute will man bei Nexperia keine Gedanken mehr an den gescheiterten Förderbescheid verschwenden, „wir haben es jetzt für uns abgehakt“, sagt Achim Kempe, Vorstand für die operativen Geschäfte. Und so ganz einig ist man sich in der Regierung mit Nexperia offenbar auch nicht: Wie zunächst das Handelsblatt berichtete, darf das Unternehmen in zwei Forschungsprojekten der Regierung mitwirken und wird dort auch mit vergleichsweise geringeren Beträgen finanziell gefördert – es ist ein kompliziertes Unterfangen.

Auch in Großbritannien war Nexperia schon Thema in Regierungskreisen: 2021 hatte das Unternehmen die größte Halbleiter-Fabrik des Landes mit Sitz in Newport übernommen. Zwei Jahre später erfolgte dann die Anweisung der Regierung, sie wieder zu verkaufen. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Standort des Eigentümers sowie einem befürchteten Risiko für die nationale Sicherheit, auch wegen eines möglichen Transfers sensibler Informationen. „Wir hatten ursprünglich vor, unsere Aktivitäten in Newport auszubauen“, sagt Tilger. Nun kam das Geld unter anderem Hamburg zugute.

Mit der Investition soll auch der Standort ausgebaut werden, denn der Platz wird allmählich eng, unter anderem für so manches Büro. „Auch Herr Kempe und ich mussten vor einiger Zeit weichen“, sagt Tilger, die Produktion dehnt sich aus. Seit 2017 ist die Zahl der Mitarbeiter von 950 auf 1600 angewachsen, viele Millionen Euro sind bereits in den Standort geflossen. Aus Hamburgs Politik gab Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard Rückendeckung, als Gast auf der Geburtstagsparty. „Die Produktion am Standort in Hamburg trägt zur europäischen Halbleitersouveränität bei“, sagt sie. Zumindest daran gibt es also keinen Zweifel.

Back to top button