Wirtschaft

China schneidet Rüstungsbranche von Seltenen Erden ab | ABC-Z

Klare Kante gegen Putin: Mit dieser Botschaft reist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag nach Brüssel zum Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU. Neben der militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine gehört zu diesem Kurs auch, dass Deutschland seine eigenen Verteidigungsausgaben deutlich erhöht. Im kommenden Jahr sollen erstmals mehr als 100 Milliarden Euro in diesen Bereich fließen, bis 2029 soll der Betrag auf mehr als 150 Milliarden Euro anwachsen. Rüstungsunternehmen können eine Flut von Aufträgen erwarten.

Aber werden sie Panzer, Drohnen und anderes militärisches Gerät auch produzieren können? Nach der jüngsten Ankündigung aus dem chinesischen Handelsministerium ist das nicht mehr sicher. Denn China verschärft die Regeln für den Export Seltener Erden aus China. Diese Rohstoffe kommen in praktisch allen technischen Produkten zum Einsatz, von Haushaltsgeräten über Elektroautos bis hin zu Panzern und Kampfjets. Künftig bedürfen nicht nur Exporte aus China einer Genehmigung – auch wenn etwa ein deutsches Unternehmen ein Produkt mit chinesischen Seltenen Erden nach Frankreich exportiert, braucht es dafür grünes Licht aus Peking. Das allein ist für die Wirtschaft schon ein Riesenproblem, aber die Mitteilung enthält noch ein Detail, das dem Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) große Sorgen be­reitet: „Für militärische Zwecke untersagt China den Export von Seltenen Erden ganz“, sagt Peter Buchholz. „Das ist eine Herausforderung, deren Tragweite noch nicht jedem bewusst ist.“ Die neuen Regeln greifen von Anfang Dezember an.

Verteidigungsbereich vor einem Dilemma

Als Leiter der DERA ist Buchholz gewissermaßen der oberste Rohstoffbeauftragte des Bundes. Die Rohstoffagentur wurde im Jahr 2010 gegründet, als China schon einmal Exportrestriktionen verhängte und damit in Politik und Wirtschaft große Unruhe auslöste. Die Agentur ist bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe angesiedelt, die zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums gehört.

Die aktuelle Lage schätzt Buchholz als ähnlich gravierend ein wie die vor 15 Jahren. „Der Verteidigungsbereich steht vor einem Dilemma“, sagt er. „Ohne Seltene Erden beziehungsweise Hochleistungsmagnete aus Seltenen Erden geht dort kaum etwas. Wichtige Lieferketten werden damit ausgebremst.“ Was das in letzter Konsequenz bedeutet, ob und wann der Rüstungsindustrie die Seltenen Erden ausgehen, dazu wollen sich weder Buchholz noch die Bundesregierung äußern. „Natürlich“ tausche man sich mit der Industrie und mit den Partnern in der EU und der NATO aus, schreibt eine Sprecherin von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Diese Gespräche seien aber vertraulich. Grundsätzlich gelte: „Das Management der in- und auslän­dischen Zulieferketten sowie die Bewertung von Rohstoffversorgung und Lieferkettensicherheit obliegt den Hauptauftragnehmern für die zu beschaffenden Artikel.“

Handelskrieg strahlt nach Europa aus

„Als verantwortungsvolle Großmacht“ habe man die Kontrollen eingeführt, „um den Weltfrieden und die regionale Sta­bilität besser zu wahren“: Mit diesen Worten begründet die chinesische Regierung ihren Schritt. In westlichen Ohren mag das wie Hohn klingen, unterstützt China doch aktiv Russlands Krieg in der Ukraine. Die kommunistische Führung wirft zudem ausländischen Unternehmen vor, bisherige Exportregeln umgangen zu haben. Die Unternehmen hätten Seltene Erden aus China exportiert und sie „zur direkten oder indirekten Verwendung in sensiblen Bereichen wie militärischen Operationen weitergegeben oder bereitgestellt“, rügte ein Sprecher des Handelsministeriums.

Hintergrund des Ganzen ist der Handelskrieg zwischen China und den USA, in dem sich beide Länder auf die natio­nale Sicherheit berufen, um ihre Maßnahmen zu rechtfertigen. Beide werfen sich zugleich vor, diesen Begriff zu überdehnen. Während die Vereinigten Staaten China von fortschrittlichen Halbleitern abschneiden, kontrolliert die Volksrepublik den Zugang zu kritischen Roh­stoffen. Schon im April hatte China Ex­portkontrollen für einige mittlere und schwere Seltene Erden eingeführt, dabei aber nicht explizit gesagt, dass der Export für militärische Zwecke komplett ausgesetzt wird.

Extrem hohe Abhängigkeit

Als „extrem hoch“ bezeichnet DERA-Leiter Peter Buchholz die Abhängigkeit Deutschlands von Seltenen Erden aus China. „Die sogenannten leichten Seltenen Erden sind technisch einfacher zu gewinnen, da gibt es inzwischen auch alternative Bezugsquellen, etwa in den USA, Malaysia oder Estland“, erläutert er. „Bei den Hochleistungsmagneten aus den schweren Seltenen Erden beträgt die Abhängigkeit von China dagegen nahezu 100 Prozent.“ Japan habe auf die Beschränkungen nach 2010 reagiert, indem es sich an Bergbauprojekten in Australien und Weiterverarbeitungsanlagen in Malaysia beteiligt habe. „So konnten sie zumindest bei den leichten Seltenen Erden die Abhängigkeit senken.“ Die Amerikaner seien ähnlich vorgegangen.

Buchholz ist überzeugt, dass Europa seine Abhängigkeit ebenfalls senken kann. „Es gibt genügend Potential, Bergwerke auf der Welt zu öffnen.“ Das Nadelöhr sei die Separation der Seltenen Erden. Die Europäer müssten die Zusammenarbeit mit Ländern wie Australien, Kanada und Brasilien suchen. „Wir kommen aus dieser Abhängigkeit sicherlich nicht innerhalb weniger Monate raus“, sagt er, „aber in den nächsten zwei bis fünf Jahren wäre es halbwegs realistisch.“ Voraussetzung sei, dass „massiv“ Kapital in diesen Bereich investiert werde. Was die Sache jedoch erschwert: „China verbietet auch den Export von Technik und Software für die Separation von Seltenen Erden. Chinesische Wissenschaftler, die sich damit auskennen, dürfen nicht im Ausland tätig sein.“

Der DERA-Chef macht keinen Hehl daraus, dass er die sich abzeichnenden Versorgungsengpässe zumindest teilweise für selbst verschuldet hält. „Die deutsche Industrie hätte aus den Erfahrungen in den Jahren 2010 bis 2012 lernen können.“ Doch sie habe ihre Lieferketten zu wenig diversifiziert. Das Fördern von Seltenen Erden außerhalb Chinas sei mit deutlich höheren Preisen verbunden. „Mein Eindruck ist bislang nicht, dass die Industrie diesen Preis zu zahlen bereit ist. Die Unternehmen spekulieren darauf, dass sie weiter günstig in China einkaufen können – und die Lieferengpässe jetzt nur etwas länger dauern.“

Mit dem schon zu Ampelzeiten geschaffenen Rohstofffonds will die Politik die Wirtschaft dazu bringen, neue Bezugsquellen zu erschließen. Eine Milliarde Euro steht darin für Eigenkapitalbeteiligungen durch die staatliche Förderbank KfW bereit, maximal 150 Millionen Euro je Unternehmen. Die ersten Zuschläge sollen bis Jahresende vergeben sein. Von der im Koalitionsvertrag angekündigten Aufstockung des Fonds ist angesichts der Haushaltsnöte indes keine Rede mehr. Manche Industrievertreter schauen derzeit neidisch in die USA, wo das Verteidigungsministerium für eine Milliarde Dollar selbst kritische Rohstoffe ankauft. „Derzeit ist der Druck auf den Kessel hoch, von überall kommen die Ru­fe nach mehr staatlicher Lagerhaltung“, sagt Buchholz. „Aber werden die Unternehmen dann auch darauf zurückgreifen? Oder doch versuchen, weiter in China einzukaufen, wenn die Preise fallen?“ Der DERA-Chef lässt die Antwort offen. Man ahnt, was er vermutet.

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