Sport

Chicago White Sox in der MLB: 121 Niederlagen in einer Saison? Gute Geschichte! – Sport | ABC-Z

Die erste gute Nachricht für die Chicago White Sox: Sie haben gewonnen am Sonntagnachmittag, 9:5 bei Midwest-Rivale Detroit Tigers. Sie haben sich also mit einem Sieg aus dieser Saison verabschiedet, die eine historische ist für den Traditionsverein, 1894 als Sioux City Cornhuskers gegründet und seit 1900 in Chicago beheimatet. 121 Spiele haben sie verloren in dieser Saison, mehr als jemals eine Franchise der nordamerikanischen Baseballliga MLB zuvor. Den traurigen Rekord hielten bislang die New York Mets, doch sei zu deren Verteidigung gesagt, dass sie 1962 ihre erste Saison nach der Gründung absolviert hatten. Die White Sox gibt es seit 130 Jahren, sie gehörten 1901 zu den Gründern der American League – einer der zwei Ligen, aus denen sich die MLB zusammensetzt und deren jeweilige Champions jeden Herbst in der World Series um den Titel spielen.

Die zweite gute Nachricht: Die White Sox werden trotz historisch vieler Niederlagen auch in der kommenden Spielzeit in der MLB antreten. Im US-Sport wird nicht auf- und abgestiegen wie in Europa. Die White Sox könnten kommendes Jahr sogar Meister werden, also worst to first, wie man in den USA sagt; die Minnesota Twins haben das 1991 geschafft, die Boston Red Sox 2013. Das wäre eine Geschichte, und als genau das muss man auch diese Saison der White Sox, vielleicht sogar den kompletten US-Sport betrachten: Es geht nebenbei schon auch um Sport und die Suche nach den Besten einer Disziplin. Letztlich aber geht es ums Geldverdienen über Unterhaltung der Massen – und dazu braucht es: Geschichten.

Es braucht natürlich auch Heroen. In dieser Saison hat Shohei Ohtani von den Los Angeles Dodgers als erster Spieler der MLB-Geschichte sowohl mindestens 50 Homeruns (exakt waren es 54) als auch 50 Stolen Bases (am Sonntag stibitzte er seine 59.) geschafft. Nun soll er die Dodgers zum Titel führen.

Es braucht aber auch Dramen wie jenes der White Sox: Aufgrund ihrer 121 Niederlagen haben sie nur 41 Partien gewonnen, das bedeutet: Sie haben pro Sieg 3,26 Millionen Dollar an Gehältern bezahlt. Das ist fast so viel wie die Geldspeicherklubs und Playoff-Teilnehmer aus New York, die ihren Spielern in dieser Saison insgesamt sagenhafte 626 Millionen Dollar bezahlten: die Mets 317,7, die Yankees 308,6 Millionen Dollar. Das sind für die Mets (88 Siege) 3,6, für die Yankees (94 Siege) 3,28 Millionen Dollar pro Sieg – deren Saison jedoch eben in der Ausschlussrunde fortgesetzt wird. Die White Sox liegen mit 133,8 Millionen Dollar an Gehältern auf Platz 18 der 30 MLB-Klubs.

Am Ende hofften ihre Fans sogar, dass die White Sox den Niederlagenrekord brechen

Noch ein paar Geschichten des Scheiterns: 37 Mal haben die White Sox einen Vorsprung verspielt in dieser Saison. Wirklich dramatisch an dieser Zahl ist die Tatsache, dass sie nur 35 Prozent aller Spiele gewonnen haben, in denen sie vor dem letzten Spielabschnitt geführt hatten. Auf Platz zwei der Negativliste: die Miami Marlins mit 52 Prozent. Der Liga-Schnitt liegt bei 63 Prozent.

Für die kommende Saison bedeutet das sportlich überhaupt nichts – aber natürlich werden sie all die Statistiken und Geschichten auspacken, sollten die White Sox in den kommenden Jahren etwas taugen. Das ist die Geschichte, die sie so gerne erzählen in diesem Land: Wenn ein Verein nach historischer Niederlagenserie oder Titeldurststrecke endlich gewinnt. Nur sollte man sich immer wieder bewusst machen: Diese Heldensagen sind kein Zufall, sondern letztlich auch übers Regelwerk kreiert – weil etwa die schlechteren Teams einer Saison bei den folgenden Auswahlen der besten Nachwuchsspieler als Erste zugreifen dürfen. Das garantiert langfristig jeder Franchise eine Chance auf den Titel und spendet Fans Hoffnung auf eine Wohlfühlgeschichte. Und die White Sox haben nach einigen schlechteren Jahren und dank Tauschgeschäften bereits ein gut gefülltes Reservoir an Talenten.

Man kann das System für schlimmen Sentimental-Kapitalismus halten. Fans von Schalke 04 oder 1860 München, die zu Lebzeiten wohl eher keine deutsche Meisterschaft ihres Lieblingsvereins mehr feiern werden, dürften indes ein bisschen wehmütig nach Chicago blicken. Denn diese sehr traurige Gewissheit droht den Anhängern der White Sox trotz dieser historisch schlechten Saison ja nicht. Übrigens: 81,7 Prozent der White-Sox-Fans wollten einer Umfrage der Chicago Sun-Times zufolge drei Wochen vor Ende der Saison gar, dass ihr Klub den Niederlagenrekord bricht. Die Geschichte wird so nur besser.

Back to top button