Chemiker haben das perfekte Frühstücksei gekocht – man braucht zwei Töpfe und 32 Minuten Zeit – Wissen | ABC-Z

Über das perfekte Ei haben schon die größten Geister sinniert und sind doch nicht zu einem versöhnlichen Schluss gekommen. So wie in Loriots berühmtem Sketch „Das Frühstücksei“, in dem Berta die von Hermann gewünschten viereinhalb Minuten Kochzeit mithilfe ihres Gefühls bemisst, was zum empörten „Berta! Das Ei ist hart!“ und vielen weiteren Verwicklungen führt. Doch auch knapp 50 Jahre später bietet die Frage Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen nicht nur unter Ehepartnern: Wie nur gelingt das perfekte Frühstücksei? Wie kalt muss es gelagert werden, bevor es in den Topf wandert? Soll es ins heiße oder ins kalte Wasser? Und, natürlich: Wie viele Minuten soll es dann kochen?
Nun endlich, nach Jahrzehnten emotionaler Diskussionen, gibt es offenbar die ultimative Antwort. Und sie kommt, ausgerechnet, aus einem Chemie-Labor der Universität von Neapel. Demnach liegt das Geheimnis des perfekten Eis in einer wirklich ausgekochten Garmethode, die allerdings nicht in viereinhalb Minuten zu bewältigen ist und für die man zwei Töpfe benötigt. Die italienischen Chemikerinnen und Chemiker nennen ihr Experiment „periodisches Kochen“.
Dabei machen die Forschenden einen Punkt, der auch Nichtchemikern sofort einleuchtet: Was das Eierkochen für gewöhnlich so schwierig macht, ist die für einen einheitlichen Garprozess ungünstige Zusammensetzung des Eis aus zwei optisch wie chemisch höchst unterschiedlichen Komponenten – dem Eiweiß und dem Eigelb. „Eierköche werden durch die Zwei-Phasen-Struktur des Eis herausgefordert“, schreibt das Forscherteam in seiner Publikation, die soeben im Fachblatt Communications Engineering erschienen ist. Denn Eiweiß und Eigelb benötigen sehr unterschiedliche Temperaturen, um in den jeweils perfekten wachsweichen Zustand überzugehen: Beim Eiweiß sind das 85 Grad Celsius, beim Eigelb hingegen nur 65 Grad.
Das Eigelb bleibt im Wechselbad konstant bei 67 Grad
Wenn man ein eher konventioneller Koch ohne größeren Ehrgeiz ist, gibt es somit genau zwei Optionen: Man zerschlägt das Ei und gart Eigelb und Eiweiß kurzerhand getrennt voneinander, um sie in den optimalen Zustand zu bringen. Oder man wählt zum Kochen „eine Kompromiss-Temperatur“, wie die Forschenden um Pellegrino Musto und Ernesto Di Maio etwas abschätzig schreiben. Das Ergebnis ist bekannt: Entweder wird das Eigelb bei dieser uninspirierten Methode etwas zu hart, oder das Eiweiß bleibt quaddelig.
Es sei denn, man ist Chemiker. Dann kann man beim Nachdenken über das Wesen der Materie womöglich auch den Königsweg des Eierkochens finden. Der lautet: Eigelb und Eiweiß werden bei unterschiedlichen Temperaturen erhitzt, obwohl sie, wie die Natur sie schuf, zusammen in einer Schale sind. Wie das gehen kann? Man tauche das zunächst bei Zimmertemperatur gelagerte Ei abwechselnd für jeweils zwei Minuten in 100 Grad heißes und in 30 Grad kühles Wasser – und zwar insgesamt 32 Minuten lang. Dabei nutzt man den langsamen Übertritt der Wärme ins Eiinnere aus. „Dieses spezielle Temperaturprofil erlaubt das optimale Kochen des Eis in all seinen Teilen“, freuen sich die Forschenden. Während das Eiweiß in der heißen Phase des Wechselbads 87 bis 100 Grad warm wird und in der kalten auf 30 bis 55 Grad abkühlt, bleibt das Eigelb konstant bei 67 Grad – also genau der Temperatur, die es braucht, um perfekt zu sein.
Die genauen Temperaturen und Zeiten hatten die Chemiker zunächst mit einem mathematischen Modell vorausberechnet. Doch sie bewährten sich im Praxistest, wie eine elaborierte Untersuchung auf verschiedene Weise gekochter Eier mit Hightech-Methoden wie hochauflösender Massenspektroskopie und Profilanalyse zeigte. Demnach führt das periodische Kochen tatsächlich zu einer perfekten Textur beider Ei-Komponenten. Geschmack und Nährstoffgehalt sind noch dazu überragend. Für ein gelungenes Sonntagsfrühstück muss man also nur noch die Zwei-Minuten-Schritte exakt abmessen. Berta natürlich nicht, die hat das im Gefühl.