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Hunderte Menschen würdigen die Familie der beiden Opfer des Attentats bei der Trauerfeier an der Seidlstraße – München | ABC-Z

Still ist es, trotz der vielen Hundert Menschen. Einige haben gelbe Westen an, es sind die gleichen, wie sie viele vor einer Woche an dieser Stelle getragen haben, Westen von Verdi, der Gewerkschaft. Vor einer Woche raste ein Mann mit seinem Auto in eine Verdi-Demo, viele Menschen wurden verletzt, einige schwer, zwei starben. Amel und Hafsa, Mutter und Tochter. Am frühen Donnerstagabend gedenkt Verdi der Getöteten und Verletzten, auf der Seidlstraße, wo es passiert ist.

Amel bedeute Hoffnung, Hafsa bedeute Löwin. Claudia Weber sagt das mehrmals, die Verdi-Geschäftsführerin in München, und es klingt, als stemme sie sich gegen die Verzweiflung, mit Hoffnung und der Kraft einer Löwin. Die Familie der Getöteten will, dass nur ihre Vornamen genannt werden: Amel, 37, hat als Ingenieurin bei der Münchner Stadtentwässerung gearbeitet, Hafsa war zwei Jahre alt. „Wir können es nicht fassen“, sagt Weber. Sie dankt für das Mitgefühl, das sie und ihre Gewerkschaft seit einer Woche erfahren, es tue gut.

Weber erinnert an das Statement, das Familie und Freunde an dem Tag veröffentlichten, als Amel und Hafsa starben, am Samstag. Es zeuge von großer Stärke, dass die Angehörigen trotz ihres Schmerzes dazu aufrufen, zusammenzustehen und die Tat nicht politisch zu instrumentalisieren.

„Wir hören und sehen euch“

Eine Arbeitskollegin von Amel verliest eine neue Botschaft der Familie. Sie bedankt sich „für die positive Resonanz, die Liebe und die Kraft“ der vielen Menschen. „Wir möchten, dass ihr wisst: Wir hören und sehen euch.“ Sie seien in Gedanken bei all den anderen Betroffenen, „die auch mit den schrecklichen Bildern zu kämpfen haben“. Sie danken allen Helfern und behandelnden Ärzten. Bei jeder anderen Versammlung würde es Applaus geben, hier bleibt es still.

Oberbürgermeister Dieter Reiter sagt, dass dieser Ort, die Seidlstraße, auch sinnbildlich stehe für eine Gewerkschaft, „die in einer Notsituation zusammensteht“. Auch er rühmt die „ungeheure Stärke“ der Familie und berichtet, dass er am Vortag mit dem Ehemann und dem Vater der Getöteten und dessen Schwester gesprochen habe. „Sie sind unglaublich tapfer.“ Ausdrücklich bedankt sich Reiter bei Stefan Jagel. Er ist Stadtrat der Linken und unterstützt die Familie; er will kein Aufhebens darum machen oder gar politisches Kapital daraus schlagen, er will im Hintergrund helfen. Reiter verspricht die Solidarität für die Betroffenen des Anschlags: „Die Stadt München lässt niemanden allein.“

Die beiden Verdi-Fahnen auf der Bühne sind mit Trauerflor versehen. Ein Bläserquartett spielt, dann sagt Frank Werneke, der Bundesvorsitzende von Verdi, dass der Anschlag der schwerste Angriff auf eine gewerkschaftliche Versammlung in der Bundesrepublik sei. Er macht die politische Dimension der Tat deutlich: Ein Angriff auf Menschen sei es gewesen, die ihre demokratischen Grundrechte wahrnahmen. Und da ist noch die zweite politische Dimension: „Wir lassen es nicht zu, wenn Feinde der Demokratie versuchen, das Attentat für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.“ Er spielt auf AfD-Politiker an, die am Sonntag nach einer Kundgebung versuchten, am Haupt-Gedenkort Rosen abzulegen. Eine Menschenkette, vorwiegend wohl aus Gewerkschaftern und Antifa-Aktivisten, verhinderte dies, die AfDler legten ihre Blumen an einem nahegelegenen Baum ab. Es war ein stundenlanges, unwürdiges Schauspiel. Werneke erinnert daran, dass viele Opfer des Anschlags Migrationsgeschichte haben, die Demo sei ein Spiegelbild der Arbeitswelt gewesen. „Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Fluchtgeschichte, sind unverzichtbar für uns.“

Neben der Stelle auf dem Fußweg, wo jeden Tag mehr Blumen, Kerzen und Kuscheltiere abgelegt werden, stehen Menschen mit selbstgebastelten Tafeln: „Solidarität kennt keine Herkunft.“ Oder: „Afghanische Stimmen für ein sicheres München.“ Oder: „Afghanen für Frieden.“ Es sind Menschen mit afghanischen Wurzeln, die ihre Trauer ausdrücken. Der Täter ist Afghane.

Claudia Weber bittet alle Anwesenden, die Hand der nebenstehenden Person zu ergreifen. „Der Hass wird nicht gewinnen.“, sagt sie. „Amel bedeutet Hoffnung, Hafsa bedeutet Löwin.“ Die Menschen halten sich und heben ihre Hände nach oben. Das Gedenken endet so still, wie es begonnen hat.

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