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Causa Rammstein: Was Shelby Lynn sagen darf – und was nicht | ABC-Z

Das Landgericht Hamburg hat der Nordirin Shelby Lynn drei Aussagen untersagt, die diese im Mai 2023 in der Causa Rammstein auf sozialen Netzwerken verbreitet hat. Das bestätigte das Gericht auf Anfrage der F.A.Z. Lynn hatte vor zweieinhalb Jahren auf verschiedenen Plattformen berichtet, sie sei am 22. Mai 2023 auf einem Rammstein-Konzert in Vilnius bei der Party der Band „gespiked“, also unter Drogen gesetzt worden. Ihre Beiträge erlangten große Aufmerksamkeit und zogen eine umfassende mediale Berichterstattung nach sich, in deren Rahmen mehrere Frauen anonym Vorwürfe gegen den Rammstein-Frontmann Till Lindemann erhoben. Dieser hatte im Juni 2023 bereits vergeblich beantragt, eine einstweilige Verfügung gegen mehrere Aussagen Lynns zu erlassen. Nun ist in der Sache eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen.

Drei konkrete Aussagen darf Lynn demnach nicht mehr verbreiten: „I was spiked by Rammstein at pre party“ (Deutsch: „Ich wurde von Rammstein auf der Pre-Party gespiked“), so hatte sie es im Mai 2023 in einem Beitrag auf der Plattform Reddit formuliert. Weiterhin die Formulierung, die für einige Tage in ihrem Profil bei X, damals noch Twitter, zu lesen war: „That girl that got spiked by Rammstein“ (Deutsch: „Das Mädchen, das von Rammstein gespiked wurde“). Sowie die Aussage: „SOMEBODY on Rammstein crew spiked me and many other girls“ (Deutsch: „JEMAND von der Rammstein-Crew hat mich und viele andere Mädchen gespiked), die Lynn ebenfalls im Mai 2023 in einer Instagram-Story neben einem Foto von sich geteilt hatte.

Als Begründung führte die Kammer an, dass Lindemann als Frontmann und Gesicht der Band von den Aussagen betroffen sei. Das gelte auch für die Formulierung „JEMAND von der Rammstein-Crew“, da Band und Frontmann „auch die Verhaltensweisen von untergeordneten Mitarbeitern von der Öffentlichkeit zugerechnet“ würden. Bei allen drei nun untersagten Aussagen handele es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen. Lynn sei „beweisfällig dafür geblieben, dass ihr von Mitgliedern der Band Drogen in ihr Getränk gemischt worden seien“, so die Kammer. Dies habe sie auch in einer mündlichen Verhandlung nicht nachweisen können.

Teils überwiegt Lynns Meinungsfreiheit

Weiterhin verbreiten darf Lynn laut dem Urteil zwei andere Aussagen: „The girl that got spiked AT Rammstein (Deutsch: „Das Mädchen, das BEI Rammstein gespiked wurde“), außerdem die Schilderung: „I was spiked at the concert, only had 2 drinks at pre party. And Till (Lindemann, Anmerkung d. Redaktion) gave everybody a tequila shot. I don’t know when this happened or how.“ (Deutsch: „Ich wurde bei dem Konzert gespiked, ich hatte nur zwei Drinks bei einer Pre-Party. Und Till gab jedem einen Tequila-Shot. Ich weiß nicht, wann oder wie das passiert ist.“) Hierbei handelt es sich laut Gericht um „Schlussfolgerungen aus unstreitigen Tatsachen“. Dabei handele es sich um eine wertende Äußerung, Lynns Meinungsfreiheit überwiege.

Till Lindemann war schon im Frühsommer 2023 gegen die erhobenen Vorwürfe gerichtlich vorgegangen – teils erfolgreich. (Archivbild)AFP

Der entscheidende Unterschied zu den nun untersagten Aussagen sei, dass Lynn nicht behaupte, zu wissen, wer sie „gespiked“ habe. Für die Kammer besteht demnach ein „großer Unterschied“ zwischen der Behauptung, man wurde während („at“) eines Konzerts der Band oder von („by“) der Band unter Drogen gesetzt. Für ihre Schlussfolgerung habe Lynn „entsprechende Anknüpfungstatsachen vorgetragen“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Lindemann muss zwei Fünftel der Kosten des Verfahrens tragen, Lynn drei Fünftel. In Pressemitteilungen wiesen sowohl die juristischen Vertreter Lindemanns als auch Lynns die Entscheidung jeweils als Erfolg für sich aus. Simon Bergmann, der Lindemann vertritt, teilte mit, Lynn seien die „schwersten Vorwürfe“ gegen den Sänger und seine Band verboten worden. Diese habe eine „weltweite Empörungswelle“ zulasten Lindemanns ausgelöst. „Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil fast die gesamte Medienberichterstattung ab Juni 2023 an den nunmehr verbotenen Vorwürfen von Shelby Lynn angeknüpft hatte“, so Bergmann weiter.

Lynns Vertreter Jasper Prigge hingegen stellte in den Mittelpunkt, dass seine Mandantin weiter angeben dürfe, bei dem Konzert „gespiked“ worden zu sein. Auch von ihrer eigenen Wahrnehmung wie Gedächtnislücken dürfe sie weiterhin berichten. Die nun vom Landgericht Hamburg beanstandeten Aussagen habe Lynn „lediglich kurz nach dem Konzert und unter dem frischen Eindruck der Erlebnisse in Vilnius veröffentlicht, sie waren aber nur kurze Zeit online“. Lynn sei von der Entscheidung „erleichtert“. Sie könne sich das Erlebte nur dadurch erklären, dass ihr etwas ins Getränk gemischt worden sei. „Wie das geschehen ist, weiß ich nicht. Ich weiß aber, was ich erlebt habe. Dass ich darüber weiter sprechen darf, ist für mich sehr wichtig“, erklärte sie laut Pressemitteilung.

Lindemann hatte die von Lynn sowie anderen Frauen in Presseberichten anonym erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. Gegen Teile der Berichterstattung war der Sänger erfolgreich gerichtlich vorgegangen. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte Ermittlungen gegen ihn ein, da sich von den mutmaßlichen Betroffenen keine bei den Ermittlern meldete.

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