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Schillernd: Der neue Roman „Wackelkontakt“ von Wolf Haas | ABC-Z

Die Graphiken von M. C. Escher mit ihren unmöglichen Perspektiven gab es in den 1980er Jahren in jedem Poster-Shop: Ein Haus mit Penrose-Treppe, die an ihren Anfang zurückführt, eine weite Landschaft, deren Felder sich in einen Vogelschar verwandeln, oder zwei Hände, die sich gegenseitig zeichnen.

Der österreichische Schriftsteller Wolf Haas.
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Der österreichische Schriftsteller Wolf Haas.

von IMAGO/dts Nachrichtenagentur

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Jetzt baut Wolf Haas seinen neuen Roman „Wackelkontakt“ wie ein Bild von M.C. Escher: Zwei Geschichten gehen auf eine Weise ineinander über, die in der erlebbaren Wirklichkeit unmöglich ist. Folgerichtig heißt auch eine der Hauptfiguren nach dem niederländischen Künstler: Franz Escher lebt allein, arbeitet als Trauerredner, interessiert sich für Mafia-Literatur und macht gerne tausendteilige Puzzles. Momentan wartet er auf den Elektriker, der ihm den Wackelkontakt einer Steckdose beseitigen soll, und liest ein Buch über Elio Russo, einen Kronzeugen gegen die kalabrische ‚Ndrangheta.

Be- und Enthauptungen in der Malerei von 1520 bis 1620

Und umgekehrt liest Russo ein Buch über Escher. Als Übergang zwischen beiden dient stets der Griff zum Buch. Wie ein Wurmloch in eine andere erzählte Zeit. Anfangs könnte es mit den Ebenen noch einigermaßen hinhauen, aber irgendwann ist das Geschehen im Buch in der unmittelbaren Gegenwart angekommen.

Escher hört gerne die schöne Stimme seiner Ex-Freundin Nellie Wieselburger, aber leider nicht das, was sie sagt. Zusammen mit ihr, die schon ewig an einer Dissertation zum Thema „Be- und Enthauptungen in der Malerei von 1520 bis 1620“ schreibt, hat er schon manches Meisterwerk von Michelangelo, Parmigianino, de Mainieri zusammengepuzzelt. Und Caravaggios „Christi Geburt mit den Heiligen Lorenzo und Francesco“. Es wurde mutmaßlich von der Mafia 1969 aus einer Kirche in Palermo gestohlen und ist bis heute verschwunden.

Leichen pflastern seinen Weg

Die Handlung ist nicht unspannend, aber Nebensache. Es ist auch nicht verkehrt, zu schreiben, dass Leichen Eschers Weg pflastern, es gibt ein paar (ebenfalls reale) Mafia-Morde, eine Entführung. Aber ein Krimi ist dieses Buch vom Schöpfer der Brenner-Reihe beileibe nicht. Sondern ein kunstvoll konstruiertes und unterhaltsames Umkehrspiel, das die begreifbar scheinenden Gesetzmäßigkeiten des Lebens ins Gegenteil dreht: Für „Wackelkontakt“ wählt Haas so oft die Ereignis-Variante des Unwahrscheinlichen, dass dies in der Reihung erstaunlich plausibel wird.

Wolf Haas bei einer Buchpräsentation.
Wolf Haas bei einer Buchpräsentation.
© IMAGO/Manfred Siebinger
Wolf Haas bei einer Buchpräsentation.

von IMAGO/Manfred Siebinger

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Dass darin der schöne österreichische Begriff „Einserschmäh“ eine Rolle spielt, was so viel wie „Trick 17“ bedeutet, wirkt wie ein Stück Selbstironie des Verfassers. Als mache er sich über sich selbst lustig, dass er so viel Spaß daran hat, seinen Roman wie ein Tiroler Möbelschreiner des 16. Jahrhunderts mit doppelten Böden und unzähligen fein ineinandergreifender Intarsien-Teilchen zum Virtuosen-Stück zusammenzufügen.

Denn natürlich spielt Wolf Haas das Umkehrspiel auch auf der Sprachebene: „Escher hatte keine Freude an Nachrichten, die mit dem Satz ,Versteh‘ das jetzt nicht falsch‘ begannen. Solche Sätze verstand man immer richtig, wenn man sie falsch verstand.“ Sein Roman ist voller Widersprüche in sich, doppelsinniger Formulierungen und unterbrochener Sätze. Selbst der Refrain des Georg-Danzer-Songs, den der Elektriker als Klingelton auf dem Handy hat, bleibt unvollendet: „Ruaf mi net o, du waaßt doch genau wo i…“.

Man hört das traurige Lied schon als Ohrwurm einer zukünftigen Verfilmung, Arbeitstitel: „Und täglich grüßt der Elektriker“. Sollte der Autor darin einen Cameo-Auftritt in einer Nebenrolle bekommen, dann wohl als der schlaksige Mitarbeiter einer Bank: „Ein sehr großer Mann in einem schlechtsitzenden Anzug, dessen sanfte Ironie Escher sympathisch war. Vielleicht wurde man so, wenn man immer für alles zu groß war.“ Wolf Haas ist ein ziemlich großer Mann.

Wolf Haas: „Wackelkontakt“ (Hanser, 238 Seiten, 25 Euro)

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