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Carlos Alcaraz und Jannik Sinner: Der Konkurrenz enteilt | ABC-Z

Stand: 09.06.2025 00:32 Uhr

Carlos Alcaraz gewinnt eines der besten Grand-Slam-Finals der Geschichte gegen Jannik Sinner. Die fünfeinhalb Stunden in Paris haben gezeigt, dass Alcaraz und Sinner ihren Konkurrenten ein Stück voraus sind.

Eigentlich war dieses Finale doch schon vorbei, oder? Drei Stunden und dreiundvierzig Minuten waren gespielt. Jannik Sinner hatte sich im vierten Satz beim Stand von 5:3 drei Matchbälle gegen Carlos Alcaraz erarbeitet. Intensiv war es bis hierhin zugegangen an diesem Sonntagnachmittag, oft sogar hochklassig. Was wollte man mehr von einem ersten Grand-Slam-Finale zwischen den beiden Spielern, die in den letzten anderthalb Jahren aus einem Versprechen für die Zukunft die prächtige Gegenwart des Tennis gemacht haben?

Schon zu diesem Zeitpunkt, um kurz vor 19 Uhr, gehörte dieses Match zu den besseren der jüngeren Gegenwart. Doch es brauchte noch weitere 106 Minuten, bis wirklich ein Sieger gefunden war und bis aus einem bemerkenswerten Finale eines für die Tennisgeschichtsbücher geworden war, eines über das noch in Jahren gesprochen werden wird. Denn erst dann fiel Alcaraz in den roten Sand – erschöpft, glücklich, der neue König von Paris.

Auf dem Zenit ihres Könnens

Doch auch Jannik Sinner trug seinen Teil zu diesen fünfeinhalb Stunden Spektakel bei. Denn was die 15.000 Zuschauerinnen und Zuschauer geboten bekamen, war ein perfektes Match zwischen zwei Spielern, die auf dem Zenit ihres Könnens agierten. Selbst im an Dramatik fast unerreichten fünften Satz spielten beide nicht abwartend. Immer wieder suchten sie die Entscheidung, setzten zentimetergenaue Gewinnschläge, überwältigten einander in zermürbenden Ballwechseln.

Sinner schaffte sogar seinerseits ein Comeback von 3:5 hin zu einer 6:5 Führung. Doch am Ende gewann der ein Jahr jüngere Alcaraz, der in der Pressekonferenz energisch beteuerte, immer an seine Chance geglaubt zu haben: “Natürlich habe ich daran geglaubt, das Match zu gewinnen. Selbst als ich drei Matchbälle abwehren musste. Es kamen schon häufiger Spieler nach Abwehr von Matchball zurück. Ich wollte einer von ihnen sein.”

Nachfolge von Federer, Nadal, Murray und bald Djokovic

Was der Sonntag ein weiteres Mal bestätigte: Jannik Sinner und Carlos Alcaraz sind der Konkurrenz derzeit enteilt. Sinner war locker ins Finale gekommen, hatte bis zum dritten Satz im Endspiel nicht mal einen Satz abgegeben im Turnier. Sein präzises Tennis ist zurzeit für die allermeisten zu viel, wie ja auch Alexander Zverev bitter im Endspiel der Australian Open erfahren musste. Seit Anfang letzten Jahres hat Sinner nur acht Mal verloren, fünf Mal davon gegen Alcaraz. Der ist mit seiner überbordenden Spielfreude der perfekte Widerpart von Sinner. Schon 2024 teilten sie die Titel der vier Grand-Slam-Turniere untereinander auf, auch in Wimbledon und bei den US Open sind die beiden die absoluten Topfavoriten.

Dass das Tennis nach dem Rücktritt von Roger Federer, Rafael Nadal, Andy Murray und bald auch Novak Djokovic in guten Händen ist, wusste man schon etwas länger. Seit diesem Sonntag weiß die Tenniswelt zudem, dass es auch in Zukunft faszinierende Aufeinandertreffen geben wird. Schließlich haben die zwei Protagonisten noch große Teile ihrer Karriere vor sich – und haben mit diesem Klassiker von Paris gleich mal den Maßstab für eine neue Generation gesetzt.

Der Handlungsstrang ist sowieso schon klar: Hier der kühle Sinner, der so gut wie keine Schwäche besitzt, der adäquat auf alle Spielstände und Schwierigkeiten reagieren kann. Auf der anderen Seite Alcaraz, dessen Variabilität unerreicht ist. Auch wenn die Leistungen von Alcaraz außerhalb der Grand Slams nicht so konstant sind wie die von Sinner, so hat er in den direkten Duellen im Moment die Nase vorn. Außerdem ist Alcaraz herausragend gut in engen Situationen. Hier im Finale gelang ihm zum dreizehnten Mal in vierzehn Fünfsatzmatches der Sieg. Doch dass er und Sinner trotzdem auf Augenhöhe sind, zeigte sich im heutigen Duell für die Ewigkeit.

Konkurrenz muss sich strecken

Wer sich hingegen wird strecken müssen, sind die Konkurrenten. Dieser unvergessliche Sonntagnachmittag war die Bestätigung, dass sich die Konkurrenz entweder mit der Überlegenheit der beiden wird abfinden müssen, oder dass einige Spieler aus der zweiten Reihe ihre Herangehensweise werden anpassen müssen. Jungprofis wie Jack Draper oder Arthur Fils werden sich wohl noch steigern können und in Zukunft zu echter Konkurrenz heranwachsen.

Doch die “Sandwich-Generation” rund um Stefanos Tsitsipas und Alexander Zverev sollte spätestens jetzt gesehen haben, dass großes Talent alleine nicht reichen wird, um auch große Titel zu gewinnen. Denn die zwei neuen Hüter des Spiels haben am Sonntag endgültig ihren Platz eingenommen und zwar mit einem Knall, dessen Nachhall die Tenniswelt noch lange beschäftigen wird.

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