Caren Miosga in der TV-Kritik: Söder, dein unterhaltsamer Kumpel | ABC-Z

Der erste Eindruck ist kein guter: Die sonst durchaus elegante Caren Miosga trägt dieses Mal Schlagjeans, oben unangenehm eng und unten fallschirmweit. Ihr Gast Markus Söder wiederum hat schon länger staatsmännische Kleidung gegenüber stilfremder Volksnähe eingetauscht; dieses Mal sind über den groben schwarzen Stiefeln sogar kontrastierende weiße Socken zu erkennen. Vor ihm steht ein merkwürdig rot schimmerndes Getränk – Bloody Mary oder doch nur verdünnter Tomatensaft? Bionade dürfte es jedenfalls nicht sein.
Wer sich fragt, warum diesen sogenannten „Äußerlichkeiten“ hier so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, soll an dieser Stelle gar nicht auf die berechtigten ästhetischen Ansprüche der Zuschauer verwiesen werden, die ja schließlich nicht nur Zuhörer sind. Es genügt zu bemerken, dass Söder selbst es ist, der seit Jahren das Persönliche und vermeintlich Unpolitische wie kein zweiter Politiker zur Selbstinszenierung nutzt. Auf seinen Social Media-Kanälen finden sich für jeden Post in offizieller Funktion mindestens einer, bei dem er singt, trinkt oder vor allem isst (Hering, Würstchen oder Döner, nur bloß nichts Vegetarisches). Zweifellos wird dort auch verraten werden, was das am Sonntag für ein rotes Getränk war.
Auf jede Kritik ein Witz
An diesem Abend bei Caren Miosga wird nun deutlich, wie er die Strategie, lieber als unterhaltsamer Kumpeltyp denn als umstrittener Politiker zu erscheinen, auch in die im engeren Sinne politische Arena überträgt. Auf jede Kritik antwortet er mit einem Witz oder einem zumindest nicht ganz ernst gemeinten Ausspruch, der die Fragestellerin im Unklaren darüber lässt, ob er die Kritik damit nun angenommen hat oder nicht, ihr in jedem Fall aber die Lust am ernsthaften Nachfragen nimmt.
Gleich am Anfang will Miosga von ihm mit Blick auf die neuen Sondervermögen wissen, welche Strafe ihn erwarten würde, wenn „Wortbruch in der Politik ein Verbrechen wäre“. Söder lächelnd: „Boah, Sie fangen gleich schon gut an, mit Verbrechen und solchen Dingen!“ Wie er um die Zustimmung der Grünen werben werde? „Ich gar nicht, das überlasse ich Friedrich Merz – so ist es für beide Seiten besser.“ Hätte er sich nicht zumindest während der laufenden Verhandlungen in seinen Äußerungen mäßigen können? „Die Grünen-Vorsitzende hat mich angegriffen, weil ich einen Rollmops gegessen habe. Da esse ich einmal den Grünen zuliebe keine Bratwürste, und schon kriege ich trotzdem Ärger mit ihnen.“ In einem Einspieler vom politischen Aschermittwoch macht er sich sogar die häufigste (und berechtigtste) Kritik an ihm zu eigen und erklärt „Wechsel- und Wandelfähigkeit“ munter zum Grundprinzip der bayerischen Politik seit Napoleon.
Die Lacher des Publikums sind ihm bei dabei sicher, und tatsächlich ist das alles kurzweiliger als die x-te Ausgabe des Scholzomaten. Gegen etwas mehr Ironie in der Politik ist auch nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Doch Inhalte gehören natürlich ebenso dazu, und leider verdeckt der große Gaudi viel zu oft, dass Söder auf dieser Ebene so gut wie gar nichts zu sagen hat. Zur entscheidenden Frage, wo angesichts der riesigen neuen Ausgabenpakete zu sparen sein wird (wie es die Union noch vor der Wahl als prioritär bezeichnet hatte), hört man von ihm nur Allgemeinplätze („wird man in der Koalition sehen“, „wird sind gegen Steuererhöhungen“, „keine Rentenkürzungen“).
Münkler, der weise Welterklärer
Nach knapp der Hälfte der Sendung geht es von der Innen- zur Außenpolitik, und zwei Experten kommen hinzu: der Politikwissenschaftler Herfried Münkler und die Journalistin Sabine Adler. Münkler gefällt sich einmal mehr in der Rolle des weisen Welterklärers: Beim Sprechen spitzt er mal Daumen und Zeigefinger, mal kratzt er sich am weißen Bart und richtet den Blick dabei am liebsten gen Himmel, um keinen Zweifel daran zu lassen, aus welchen höheren Gefilden er seine Inspiration bezieht. Für den Fall, dass diese Quelle einmal versagt, liegt vor ihm ein ledernes Notizbuch.
Was er sagt, ist zwar keine Offenbarung, aber gleichwohl interessant. So geht er davon aus, dass Russland die NATO nicht als erstes militärisch im Suwałki-Korridor zwischen Polen und Litauen angreifen werde, sondern „hybrid“ in Estland, wo es eine starke russische Minderheit mobilisieren könne, oder weiter südlich, indem es Rumänien, Bulgarien und Moldau destabilisiere. Adler wiederum macht die fehlende Verteidigungsbereitschaft der Deutschen Sorge: In einer Forsa-Umfrage hatte sich jüngst nur etwa jeder Dritte bereit erklärt, sein Land bei einem Angriff von außen mit der Waffe zu verteidigen. Ihre Sorge wird von allen in der Runde geteilt, was einer fruchtbaren Diskussion freilich etwas im Wege steht.
Söder wiederum scheint die neue Gesellschaft nicht wirklich zu schmecken: Als Miosga nach zwei oder drei Antworten der anderen ankündigt, ihn gleich etwas fragen zu wollen, ruft er erleichtert „Endlich!“. Gegenüber den Experten versucht er seine Geschichtskenntnisse zu demonstrieren: Preußen habe, wie Münkler sagte, schon lange gerne nach Osten geguckt, weil Friedrich der Große von Russland einst im Siebenjährigen Krieg gerettet worden sei (was nicht ganz stimmt: Russland stellte nach dem Tod von Zarin Elisabeth 1762 lediglich den Kampf gegen Preußen ein).
Ganz in seinem Element ist Söder dann wieder, als Miosga ihn zum Abschluss der Sendung nach zwei Aussagen von Daniel Günther fragt. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hatte ihn zur Mäßigung gegenüber den Grünen aufgefordert und prophezeit, dass Merz ein großer Kanzler werde. Darauf der CSU-Vorsitzende: „Mit Daniel Günther ist es wie mit einer Uhr, die still steht. Die zeigt auch zweimal am Tag die richtige Zeit – und bei Merz hat er mal was Richtiges gesagt.“ Ein paar neue Follower dürften Söder nach dieser Sendung gewiss sein.