Politik

Caren Miosga, Baerbock und Laschet zur Ukraine | ABC-Z

Dass sie nicht mehr lange im Amt der Außenministerin sein wird, wurde Annalena Baerbock in der Talkshow von Caren Miosga ziemlich brutal vor Augen geführt: Üblicherweise führt die Moderatorin mit besonders wichtigen Gästen ein Solo-Gespräch am Anfang, bevor B-Prominenz dazustößt, um bei der weiteren Behandlung des Gegenstands behilflich zu sein.

Doch an diesem Sonntagabend ist Baerbock einfach ein Gast unter vieren. Außer ihr sind da noch die sicherheitspolitische Expertin Claudia Major und der CNN-Journalist Frederik Pleitgen. Und auch Armin Laschet sitzt am Debattiertisch, außenpolitischer Experte der CDU. Der Name des einstigen Kanzlerkandidaten der Union taucht in den Aufzählungen der heiß gehandelten Kandidaten seiner Partei für ein Kabinett Merz nicht mehr auf – obwohl sich da einige andere Gescheiterte finden, die für sich das Recht auf eine zweite Chance in Anspruch nehmen.

Als höfliche Gastgeberin, die zudem der eigenen Marke keinen Schaden zufügen möchte, thematisiert Miosga natürlich nicht, dass an diesem Abend interessantere politische Gäste denkbar gewesen wären. Dabei ist dieser Umstand nicht nur bemerkenswert, sondern sogar vielsagend. Er ist schließlich ein Symptom dafür, dass die Bundesrepublik in einem welthistorisch entscheidenden Moment ohne echte Führung dasteht.

Land ohne Führung

In dem Moment, in dem die Zukunft der Ukraine und der EU verhandelt wird und Großbritannien den engen Anschluss an Europa sucht, steht also nur die Bald-Ex-Außenministerin bereit, um auf dem traditionell wichtigsten Talkshow-Sendeplatz des Landes zu erklären, was vor sich geht und was zu tun ist. Beim Zuschauer hinterlässt sie nicht den Eindruck, noch an den arcana imperii teilzuhaben, was sie durch atemlos in Stichworten vorgetragene Analysen der Weltlage zu kompensieren sucht. Man darf hoffen, dass ihr Nachfolger mehr Ruhe und Kompetenz ausstrahlt.

Die Tatsache, ob es nicht verantwortungslos war, dass Scholz ein Machtvakuum in Deutschland zum denkbar gefährlichsten Zeitpunkt in Kauf genommen hat, als er unmittelbar nach dem Wahlsieg von Trump den Bruch der Ampelkoalition vollzog, wäre durchaus einen Schlenker in der Diskussion wert gewesen. Schließlich war es zu jenem Zeitpunkt bereits abzusehen, dass die ersten Monate der zweiten Amtszeit Trumps heftige Turbulenzen mit sich bringen würden.

Verpasste Chance für Scholz?

Man hätte sogar fragen können, ob sich Scholz womöglich ärgern muss, im November 2024 nicht gewartet zu haben; Trumps Disruption sorgt schließlich inzwischen dafür, dass das bis vor kurzem Undenkbare in der deutschen Politik möglich wird: SPD und CDU verhandeln über Riesenausgaben für Rüstung und Infrastruktur – immerhin. Scholz, der nach eigenem Dafürhalten immer alle Möglichkeiten vorausberechnet, hätte in dieser Situation von einem Kanzler für die Fußnoten der Geschichtsbücher zu einem gestaltenden Staatsmann werden können.

Miosga folgte diesen Fährten im Irrealis nicht, und tatsächlich gab es ja auch so genügend Wichtiges zu besprechen. Wobei sich die Differenzen in der Runde in Grenzen hielten, aus der glücklicherweise Putinfreunde von AfD oder BSW ausgesperrt waren. In der Einschätzung, es mit einem Epochenbruch von welthistorischer Bedeutung zu tun zu haben, bestand unter den Gästen Einigkeit: Einen solchen Vorgang habe es „in der internationalen Diplomatie selbst zwischen verfeindeten Staaten bisher nicht gegeben“ (Laschet); „die USA sind kein Verbündeter mehr“ (Major), man habe es „nicht mehr mit normaler Außenpolitik zu tun“ (Baerbock, die sich mit ihrem am Vortag ins Spiel gebrachten Begriff von der neuen „Ruchlosigkeit“ ganz ergriffen selbst zitierte).

Im Detail blieb allerdings Vieles Spekulation, auch in der Frage, was Trump im Schilde führt und wie kalkuliert die Provokation Selenskyjs durch den Präsidenten und seinen Vize war. Pleitgen verwendete für Trumps Streben nach Deals den gebildeter klingenden Begriff der „transaktionalen Außenpolitik“. Dazu gehöre, dass Trump sich seinem eigenen Volk als harter, erfolgreicher Verhandler präsentierten wolle.

Major, die auch in dieser Runde durch die klarsten und strukturiertesten Analysen für sich einnahm, griff den Faden auf: Trump sei gescheitert mit seiner Ankündigung, innerhalb von 48 Stunden den Krieg in der Ukraine zu beenden. Das habe Putin, der durch die weitreichenden und vorerst bedingungslosen Zugeständnisse der USA überrascht gewesen sei, verhindert, indem er auf gründlich vorbereiteten Verhandlungen bestand. In diesem Moment habe Trump einen Schuldigen für sein Scheitern gebraucht; und als dieser werde nun Selenskyj den Amerikanern präsentiert.

Resthoffnung auf die USA

Pleitgen und Laschet wollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass die USA doch noch für den Westen zu retten seien, insbesondere wenn die anderen NATO-Staaten zeigten, dass sie mehr für Verteidigung auszugeben bereit seien; Trump könne zudem seine Haltung gegenüber Russland schnell wieder ändern. Major äußerte sich da skeptischer: Trump habe traditionell eine Schwäche für Putin im Speziellen und für Autokratien im Allgemeinen. Dahinter stecke die Vorstellung, dass sich Großmächte an einen Tisch setzten, um sich miteinander zu verständigen. Europa sei in dieser Vorstellungswelt nur Verhandlungsmasse. Das müsse man durch eine gemeinsame Verteidigungspolitik ändern.

DSGVO Platzhalter

Major formulierte vier durchaus anspruchsvolle Aufgaben für Deutschland und Europa: Die Ukraine sei so zu stützen, dass sie keinen russischen Siegfrieden akzeptieren müsse. Man müsse die eigene Verteidigung stärken. Man müsse einen eigenen Plan für eine Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine entwickeln, und man brauche einen sogenannten Transitionsplan – in diesem sei mit den Amerikaner zu vereinbaren, wie man sich langsam von ihnen militärisch emanzipiere, in der Zwischenzeit aber ihren militärischen Beistand sichere.

Baerbock bekräftigte, für eine Beteiligung Deutschlands an einer Truppe zu sein, die einen Frieden in der Ukraine absichere, nachdem es dort zu einem Waffenstillstand gekommen sei. Sie formulierte dabei die Erwartung, dass sich auch die Amerikaner daran beteiligen. Schließlich gehe es für die USA um ihre Reputation auch in anderen Weltteilen: Wer wolle noch mit ihnen Geschäfte machen, wenn man sich nicht auf sie verlassen könne. Dumm nur, dass die Amerikaner derzeit keine Anstalten machen, Baerbocks Erwägungen zu entsprechen. Und daran, wie riskant ein schlecht abgesicherter Einsatz in der Ukraine wäre, ließ wiederum Major keinen Zweifel: Ein Russland, das mit einem Krieg durchgekommen sei, werde bald den nächsten Konflikt anzetteln.

Die in Deutschland absehbar besonders schwierige, aber mit neuer Dringlichkeit zu führende Debatte, inwieweit die Europäer eigenständig einen atomaren Schutzschirm herstellen können, wurde in der Runde nicht berührt. Das wird dann womöglich Thema in einer Sendung mit dem neuen Kanzler sein. Das ohnehin ausgeprägte Gefühl, dass dessen Wahl möglichst bald über die Bühne gehen sollte, wurde durch die Miosga-Sendung noch einmal deutlich verstärkt. Vorerst muss man hierzulande sehr dankbar sein, dass Frankreich und Großbritannien von Staatsmännern gelenkt werden, die Geschmeidigkeit mit Mut und Entscheidungskraft verbinden.

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