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Cappuccino nach 12 Uhr ist in Ordnung | ABC-Z

Italiens älteste Barista Anna Passi hat den Deutschen in Sachen Kaffeekultur Absolution erteilt. Die 100-Jährige, die oberhalb des Lago Maggiore eine Cafébar betreibt, hat auch gegen einen Cappuccino nach zwölf Uhr mittags nichts einzuwenden. „Wer bin ich, dass ich meinen Gästen vorschreiben muss, wann sie welchen Kaffee zu trinken haben?“, sagte Passi der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Das kann jeder halten, wie er will.“

Die Frage, ob ein Cappuccino – also ein Espresso in einer größeren Tasse mit aufgeschäumter Milch – auch noch nach der Mittagsstunde getrunken werden darf, gehört in der Kaffeewelt zu den großen Streitfragen.

In Deutschland ist das üblich, in Italiens mehr als 130.000 Bars hingegen vielerorts verpönt: In der Regel wird nachmittags nur noch Espresso getrunken. Allerdings haben sich die Regeln in den vergangenen Jahren deutlich gelockert, auch der vielen Touristen wegen.

Die Besitzerin der „Bar Centrale“ im Dörfchen Nebbiuno, die dort schon seit 1958 an der Kaffeemaschine steht, sieht das alles eher locker. „Ich habe auch Stammgäste, die nach zwölf noch gern einen Cappuccino trinken“, sagt Passi. „Und die bekommen ihn auch – egal, wie spät es ist.“ Nur in Kombination mit einem Orangensaft oder unmittelbar nach dem Mittagessen findet sie das nicht gut, weil der Magen dann zu voll sei. „Nonna Anna“ („Oma Anna“) selbst betrifft das ohnehin nicht mehr: Die 100-Jährige hat schon Mitte der 1970er Jahre aufgehört, Kaffee zu trinken – des Blutdrucks wegen.

Viel Geld verdient Nonna Anna nicht. Der Caffè kostet 1,20 Euro, der Cappuccino 1,50 Euro. Wenn keine Touristen kommen, hat sie an manchen Tagen abends nicht mehr als 40 Euro in der Kasse. An Rente bekommt sie 590 Euro. „Aber ich brauche nicht viel. Wichtig ist, dass ich unter Menschen bin. Dann geht es mir gut.

Offiziell ist sie mit 60 in Rente gegangen: also 1984. „Aber warum sollte ich aufhören? Meine Bar ist für mich so viel mehr als Arbeit. Das ist mein Leben.“ Selbst an Sonn- und Feiertagen steht sie an der Maschine. „Die Leute wollen Weihnachten ja auch ihren Kaffee trinken.“ Den letzten Urlaub habe sie in den 1950ern gemacht, erzählt sie, acht Tage in Paris.

Darüber, was mit der „Bar Centrale“ geschehen wird, macht sie sich keine Illusionen. „Wenn ich nicht mehr bin, ist auch meine Bar nicht mehr.“ Zwischenzeitlich hatte sie die Hoffnung, dass die Tochter übernehmen könnte, aber die hat es sich anders überlegt. „Aber warum soll es mir besser gehen als anderen?“ Nonna Anna zuckt mit den Schultern. Dann holt sie das Strickzeug wieder heraus.

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