Caesar und Kleopatra: Fulminante Ausstellung in Speyer | ABC-Z

Wenn sich Geschwister zanken, müssen Autoritäten entscheiden, die von allen akzeptiert werden. Normalerweise sind das die Eltern. Im Fall von Kleopatra VII. und ihrem Bruder Ptolemaios XIII. entstand der Streit aber, gerade weil der Vater fehlte – der ägyptische König Ptolemaios XII. war im Jahr 51 vor Christus gestorben, und seine damals achtzehnjährige Tochter und Mitregentin Kleopatra hatte dann, alter Sitte folgend, ihren wesentlich jüngeren Bruder geheiratet, der sie aber später aus dem Land jagen ließ.
Nun, im Sommer 48, sollte der römische Machthaber Gaius Iulius Caesar den Streit entscheiden. Er hatte seinen geschlagenen Gegner Gnaeus Pompeius Magnus bis nach Ägypten verfolgt. Als Pompeius dort aber von der Partei des Ptolemaios ermordet wurde, war es an Caesar, die Herrschaftsfrage in Ägypten zu klären. Die verbannte Kleopatra ließ sich, so heißt es, versteckt in den Palast bringen, um Caesar heimlich zu treffen und zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Stoff sogar für “Netflix“
Es war nicht das erste Mal, dass Rom in die Geschicke Ägyptens eingriff. Im Jahr 168 vor Christus etwa hatte eine römische Delegation den siegreichen Seleukidenkönig Antiochos IV., der sich anschickte, Alexandria zu erobern, mit einer bloßen Drohgeste zum Rückzug gebracht. Seither betrachtete der Senat das Land am Nil als Einflussgebiet Roms und die Ptolemäer als Verbündete. Caesar selbst hatte schon mit Kleopatras Vater ein Abkommen getroffen, das den ägyptischen König politisch absicherte und den Römer ökonomisch bereicherte. Nun also entschied er sich, Kleopatra gegen ihren Bruder zu unterstützen, obwohl dieser über die größere Streitmacht verfügte. Am Ende kam Ptolemaios XIII. in einer Schlacht um, Kleopatra war die unangefochtene Herrscherin Ägyptens. Und erwartete ein Kind von Caesar.
Die Geschichte dieser Beziehung wurde bereits zu Lebzeiten der Beteiligten häufig erzählt und ist bis in unsere Gegenwart ein beliebter, immer wieder neu adaptierter Stoff. Überliefert von Historiographen, aufgegriffen von Literaten und Bühnenautoren, fand sie schließlich ihren Weg in Filme wie den monumentalen „Cleopatra“ (1963) von Joseph L. Mankiewicz und jüngst in das Dokudrama „Queen Cleopatra“ auf Netflix.
Kulturen hatten sich längst angenährt
Die groß angelegte Ausstellung, die Samstagabend (12. April) unter dem Titel „Caesar & Kleopatra“ im Historischen Museum der Pfalz eröffnet wird, geht von dem Bild des Paares in der Populärkultur aus und stellt es im nächsten Schritt kühl infrage. Gleich zu Beginn inszeniert sie die Legende von der in den Palast geschmuggelten Königin, indem die rechte Seitenwand des Raumes mit einem riesigen Textilbehang ausgekleidet ist – er steht für den Teppich, in den Cleopatra sich habe einwickeln lassen, um ihm dann mit einiger theatralischer Wirkung vor dem römischen Besucher zu entsteigen. Die prosaische Variante in der Historiographie – kein Teppich, sondern ein Wäschesack – wird, wenn auch im kleineren Maßstab, ebenso zitiert.
Dieser wirkungsvolle Auftakt findet glücklicherweise in jenem Raum auch gleich sein Ende: Die Ausstellung ist zwar nicht arm an weiteren Inszenierungen in Form von Monitoren, großformatigen Fotos oder Rekonstruktionen von Gebäuden, setzt aber vor allem aber auf über vierhundert Artefakte, von denen die meisten aus der Zeit um Christi Geburt stammen und dem ahistorischen Mythos die Stirn bieten.
Jedes von ihnen steht dort aus eigenem Recht, jede Marmorbüste und Goldschmiedearbeit, jedes Relief und jeder Papyrus bezaubert durch sich selbst und die eigene Geschichte. Sie alle aber dienen zugleich dem Versuch, die aufgeladene Geschichte der beiden Individuen mit einem Kontext zu versehen, der nicht von blinder Liebe und Überwältigung spricht, sondern von politischen und ökonomischen Interessen, von zwei Kulturen, die sich schon längst einander angenähert hatten, als ihre Exponenten Caesar und Kleopatra zusammenkamen.
Dazu ist jener Teil der Ausstellung nützlich, der sich dem ptolemäischen Ägypten widmet, dem Diadochenreich, das nach dem Tod Alexanders des Großen seinem Leibwächter zugefallen war und in dem sich nun die Schicht der Eroberer mit der alten Priesterelite arrangierte. Dabei liegt der Fokus auf der Stadt Alexandria: Gegründet von dem makedonischen Eroberer, avancierte sie bald zur multikulturellen Metropole, deren Glanz diesen Teil der Ausstellung überstrahlt, auch wenn archäologisch nur wenig von ihr fassbar ist.
Von der berühmten Bibliothek etwa wird ein ausgehöhlter Granitblock gezeigt mit der Aufschrift „Dioskurides, 3 Bände“, nur dass der Raum für die Rollen so winzig bemessen ist, dass das System kaum für den Betrieb einer Einrichtung getaugt hätte, der ein Bestand von 700.000 Bänden nachgesagt wurde. Sehr viel sprechender sind die Büsten synkretistischer Gottheiten wie des prächtigen Serapis, in dessen bärtigen Zügen sich Zeus, Hades und Osiris vereinen, oder des rätselhaften Kindergotts Harpokrates mit den alten Augen.
Caesar taxierte Ägyptens Reichtum
Überhaupt haben die Kuratoren um Lars Börner mit Fleiß und Bedacht von den besten Adressen Exponate zusammengetragen, die teils willkommene Wiederbegegnungen darstellen wie der Caesar aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, teils überraschende Begegnungen ermöglichen wie einige der hier gezeigten Kleopatra-Darstellungen, etwa die zarte Marmorbüste aus der Genfer Fondation Gandur pour l’Art.
Gerahmt werden die beiden Patrone der Ausstellung von Exponaten, die ihren jeweiligen Hintergrund erfahrbar machen – Kleopatra etwa von multiethnischen Gesichtern der Bewohner Alexandrias, Caesar von einer Reihe ernster Männerköpfe, deren Namen nicht auf uns gekommen sind, hier aber für die Senatoren stehen, die seinen Ambitionen mit ganz unterschiedlichen Graden von Zustimmung und Ablehnung begegneten.
Dass Caesar wie auch später Marcus Antonius in der Hinwendung zu Kleopatra wach den enormen Reichtum Ägyptens taxierte, den später auch Augustus zu nutzen wusste, macht die Ausstellung sehr deutlich. Spekulationen über den Grad der jeweiligen persönlichen Sympathie zwischen den römischen Feldherrn und der ägyptischen Königin stellt sie nicht an.
Stattdessen lenkt sie den Blick auf die Selbstinszenierungen der beiden Männer und da besonders auf Marcus Antonius’ Auftritte als Dionysos. Was in Rom für Stirnrunzeln sorgte, sollte im östlichen Mittelmeerraum Sympathien einbringen. Und passt insofern in eine Zeit, in der sich die Kulturen trafen, vermischten, gegenseitig befruchteten und am Ende etwas schufen, das für alle etwas Neues bedeutete: das Römische Reich unter dem gottgleichen Alleinherrscher Augustus.
Caesar & Kleopatra. Im Historischen Museum der Pfalz, Speyer; bis 26. Oktober. Der Katalog kostet 24,90 Euro.