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BVB geht in Leipzig unter: Löslich wie Würfelzucker unter Wasser – Sport | ABC-Z

Die Spieler des Ballspielverein Borussia Dortmund klangen so, als müssten sie erst mal in den Spiegel schauen, um zu sehen, ob die Lippen noch richtig hängen. “Das war ein kompletter Schlag aufs Maul”, sagte Julian Brandt, als er nach dem 1:4 bei RB Leipzig in den Katakomben vor den Reportern stand. Auch sein Trainer Edin Terzic gab sich “frustriert” und “sauer” – über die Niederlage an sich, die sich nach dem schönen Führungstreffer von Jadon Sancho in dieser Höhe kaum angedeutet hatte. Vor allem aber über dies: “Wir haben nicht nur das Spiel, sondern ab der 20. Minute auch unser Spiel verloren”, urteilte Terzic treffend. Vier Tage vor dem Hinspiel im Champions-League-Halbfinale gegen Paris Saint-Germain entsprach das eher nicht dem Wunschszenario des BVB.

Die Leipziger konsolidierten mit dem Sieg indes den vierten Tabellenplatz, sie liegen nun fünf Punkte vor dem BVB. Eine solche Distanz bei drei verbleibenden Spielen wäre unter normalen Umständen dramatisch für die Westfalen; wegen des Berechnungsschlüssels der europäischen Fußballunion Uefa für die Vergabe der Champions-League-Plätze werden sich die Folgen eines fünften Platzes aber wohl in eng bemessenen Grenzen halten. Holen die in Europa verbliebenen Bundesligisten – der FC Bayern, der BVB und Bayer Leverkusen – in den kommenden Spielen einen Sieg und ein Unentschieden, ist der Bundesliga ein fünfter Startplatz in der nächsten Königsklasse nicht mehr zu nehmen. Für diesen Umstand, sagte Brandt, “kannst du abends dreimal beten und sagen: Gott sei Dank.” Amen.

Genau genommen stehen dem BVB sogar zwei Wege in die nächste Champions League offen: Der Sieger des diesjährigen Wettbewerbs wird seinen Titel in der kommenden Saison verteidigen wollen. Angesichts der Leistung vom Samstag liegt der Gedanke, dass der BVB das Finale in London am 1. Juni erreichen und dann auch noch siegreich gestalten kann, nicht gerade naheliegend. Auch in Leipzig begab es sich, dass sich der Fast-Meister des Vorjahres als labiles Gebilde entpuppte.

Openda setzt den Ton für den Rest der Partie

Man habe zumindest in der Anfangsphase klar erkennen können, was und wie viel man sich vorgenommen habe, sagte Trainer Edin Terzic. Erst zwang Niclas Füllkrug den Jubilar Peter Gulasci in dessen 300. Pflichtspiel für RB zu einer Glanztat, weil er nach einer Flanke von der rechten Seite den Ball per Kopf gegen die Laufrichtung von Gulasci drückte; dann prüfte Brandt den Leipziger Torwart mit einem Schuss aus 25 Metern. In der 20. Minute gab sich Gulasci nach fünf Spielen ohne Gegentor dann geschlagen: Nach einer unglücklichen Abwehraktion von Dani Olmo schlenzte Sancho den Ball von links in den rechten Winkel. Gulasci hätte ob der bellezza des Treffers gut und gern applaudieren dürfen. Weder er noch seine Kollegen holten aber zu Anerkennung aus – sondern zum Gegenschlag. Und sie entdeckten dabei, dass der BVB manchmal löslich sein kann wie ein Stück Würfelzucker unter Wasser.

Den Ausgleich fabrizierten die Leipziger nur zwei Minuten nach der Dortmunder Führung. Xavi war in abseitsverdächtiger Position gestartet und hatte den Ball mit dem rechten Außenrist auf Loïs Openda gelegt. Dessen Torjubel erstickte zunächst, weil der Linienrichter die Fahne wegen Abseitsstellung hob – und brandete wieder auf, als der Videoschiedsrichter (VAR) korrigierend eingriff. Mit dem Tor war der Ton für den Rest der Partie gesetzt.

Die Leichtigkeit des Torschützen: Leipzigs Loïs Openda (Mitte) bejubelt seinen Treffer zum 1:1 gegen Borussia Dortmund. (Foto: Ronny Hartmann/AFP)

In der 29. Minute griff der VAR wieder ein – diesmal um einen alles andere als völlig absurden Elfmeter zu kassieren. Salih Özcan hatte Dani Olmo im Strafraum aus dem Gleichgewicht gebracht. Weitere sieben Minuten später schien erneut die Brillanz von Xavi Simons auf: Er nahm BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck an der Außenlinie im Liegen den Ball ab, zog nach innen und setzte den Ball an den linken Pfosten. Das war, in Summe, das Präludium für die Nachspielzeit der ersten und die Anfangsminute der zweiten Halbzeit, die sich aus Dortmunder Sicht als fatal erwiesen.

Kurz vor der Pause wehrte BVB-Torwart Gregor Kobel einen Distanzschuss von Xaver Schlager nach vorn ab; RB-Stürmer Benjamin Sesko staubte zum 2:1 ab. Kurz nach Wiederanpfiff bediente Openda den aufgerückten Rechtsverteidiger Mohamed Simakan mit einem Querpass im Strafraum so präzise, dass der Franzose den Ball wohl auch ins Tor bugsiert hätte, hätte er Holz-Clogs getragen.

Mats Hummels wird wegen einer Fleischwunde am Schienbein ausgewechselt

Terzic wechselte mutig und offensiv, seine Mannschaft trachtete nach einem Anschlusstreffer, der aber nicht mehr kam; die beste Chance ließ Marco Reus liegen. Leipzig fühlte sich mit der Führung wie der Fisch im Wasser, hatte durch gut ausgespielte Umschaltmomente eine höhere Anzahl an Torchancen – unter den Augen von Mats Hummels, der zu Beginn der zweiten Halbzeit wegen einer Fleischwunde am Schienbein ausgewechselt werden musste, gegen PSG aber wohl zur Verfügung stehen wird.

Dem 4:1 für die selbstsicheren und strukturierten Leipziger wohnte eine gewisse Logik inne, der eingewechselte Christoph Baumgartner rumpelte nach Vorarbeit von Benjamin Henrichs den Ball über die Linie (80.). “Ich fühle mich beschissen heute, das nervt extrem”, bilanzierte Julian Brandt. Zugleich gab er sich gewiss, dass die Sinne für das Spiel gegen PSG am Mittwoch in anderer Weise geschärft sein werden. Allzu viel Raum nach unten bietet sich nach diesem Samstag freilich auch nicht.

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