Geopolitik

Bürokratie-Dickicht in der EU: Jetzt fordern Europas Konservative drastischen Regulierungsabbau – Söder will „Green Deal“ kippen | ABC-Z

Die EU soll ihr Milliarden verschlingendes Bürokratie-Dickicht entschlossen lichten. Die konservative EVP, der auch CDU und CSU angehören, hat eine drastische Forderung: Für jede neue Regel sollen zwei alte Vorschriften gestrichen werden. CSU-Chef Söder geht noch einen Schritt weiter.

Ganze 74 Artikel umfasst das Bürokratieentlastungsgesetz, das Bundestag und Bundesrat im vergangenen Herbst verabschiedet hatten. Mehr als eine Milliarde Euro sollen Bürger und Unternehmen sparen können, weil sie sich künftig mit weniger Vorschriften, Regulierungen und Papierkram herumschlagen müssen. Es war das vierte Entlastungsgesetz dieser Art, die vorangegangenen hatten kaum etwas bewirkt. Im Gegenteil.

Die Bürokratie wuchert munter weiter, allen Gegenmaßnahmen zum Trotz. Die volkswirtschaftlichen Kosten dafür lagen nach Angaben der Bundesregierung allein im vergangenen Jahr in Deutschland bei rund 67 Milliarden Euro. Das waren eine Milliarde mehr als 2023 und zwei Milliarden Euro mehr als 2022. Das Problem gibt es freilich auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Nun wollen die bürgerlich-konservativen Parteien, die sich unter dem Dach der Europäischen Volkspartei (EVP) zusammengeschlossen haben, den Vorschriftendschungel wirksam lichten. Das Vorhaben: Regulierungen rückabwickeln und vor allem die vielen Berichtspflichten, die Europas Unternehmen zunehmend belasten, spürbar reduzieren. Im Rahmen einer Klausur in Berlin am Freitag und Samstag, zu welcher der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz geladen hat, wollen ihre Spitzenvertreter ein Maßnahmen-Papier zu einem entschlossenen Bürokratieabbau beschließen.

Erwartet werden dazu neben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und dem EVP-Vorsitzenden Manfred Weber (CSU) neun Staats- und Regierungschefs, darunter die Premierminister aus Schweden und Finnland, Ulf Kristersson und Petteri Orpo, mehrere zur EVP zählende Oppositionsführer sowie CSU-Chef Markus Söder.

„Deutschland und Europa müssen sich aus dem Griff der lähmenden Bürokratie befreien. Bayern ist beim Bürokratieabbau Vorbild“, sagte Ministerpräsident Söder WELT AM SONNTAG vor Beginn des Treffens in der CDU-Parteizentrale. „Für Deutschland wollen wir: das Prinzip ,One in, two out’, Entrümpelungsgesetze, Statistikpflichten abbauen, das Draufsatteln bei EU-Vorschriften beenden und das Lieferkettengesetz abschaffen. Wir brauchen weniger Normen, um endlich wieder mehr zu performen.“

„One in, two out“ bedeutet, dass für jede neue belastende Regelung zwei alte, noch wirksame Vorschriften abgeschafft werden. Die EVP-Spitzen fordern im Entwurf ihres Maßnahmenpapiers, das WELT AM SONNTAG vorliegt, dass das Prinzip „konsequent umgesetzt wird“. Die EU-Richtlinien, die Unternehmen zu Angaben ihrer Nachhaltigkeitsanstrengungen verpflichten oder zur Einhaltung des Lieferkettengesetzes zwingen, sollen „für zwei Jahre vorübergehend ausgesetzt werden“, heißt es in dem Papier.

Vor allem auch Vorgaben für die Land- und Forstwirtschaft sollen „von der EU-Ebene bis zur lokalen Ebene“ abgebaut werden. „Wir fordern weitere Vereinfachungen bei Themen wie Flächenstilllegungen oder Pestiziden sowie bei der Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung“, erklären die EVP-Spitzen dem Entwurf zufolge.

Darüber hinaus sollen Regelungen in den Mitgliedstaaten, die über die Vorgaben der EU hinausgehen, das sogenannte Gold-Plating (wörtlich: Vergoldung) „zurückgenommen (…) und jede künftige Übererfüllung in geeigneter Weise, zum Beispiel durch maximale Harmonisierung, verhindert werden“. Der Plan der konservativen Parteien sieht außerdem vor, „das gesamte öffentliche Vergaberecht zu überprüfen und vereinfachen“. Dazu gehört für sie auch eine Anhebung der Schwellenwerte, ab denen europaweite Ausschreibungen erforderlich sein sollen.

CSU-Chef Söder plädiert mit Blick auf die EU sogar dafür, den gesamten „Green Deal“, das umfassende Klimaschutzkonzept Ursula von der Leyens, aufzuheben, ebenso wie das Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren. „Dafür braucht es eine Initiative aus den Mitgliedstaaten“, sagte Söder. „Es ist wichtig und gut, dass Friedrich Merz das jetzt schon in der EVP vorantreibt. Ein schwaches Deutschland schadet auch Europa. Das wird sich mit Friedrich Merz als Kanzler ändern.“ Das Konzept „Für Wachstum und Arbeitsplätze“ soll am heutigen Samstag vorgestellt werden.

Nikolaus Doll ist bei WELT zuständig für innenpolitische Themen und insbesondere für die Berichterstattung über die Union.

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