Burghausen: Waldrappe sollen zum Brüten an der Wehrmauer animiert werden – Bayern | ABC-Z

Eine Schönheit ist er nicht, dieser Geronticus eremita, zu Deutsch: Waldrapp, auch Schopf-Ibis genannt. Der Vogel mit den kahlen roten Kopf und der etwas zerrupften Frisur aus Nackenfedern steht auf der Roten Liste bedrohter Arten. In Burghausen läuft seit mehr als 20 Jahren ein Wiederansiedlungsprojekt. Bald sollen die Tiere in der Stadt Nachwuchs zeugen.
Das Waldrapp-Team hat neue Brutnischen an der Wehrmauer der Burg eingerichtet. Im März oder April werden die Tiere erwartet, die nach dem Winter aus dem Süden zurückkehren. Sie haben mehr als elf Quadratmeter in 20 Nischen zur Verfügung – genug Platz für etwa 30 Brutpaare, wie das Projektteam mitteilt.
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Erstmals können Waldrapp-Fans den Tieren beim Brüten und bei der Aufzucht zusehen. Aus acht Nischen sollen Kameras rund um die Uhr Live-Bilder senden. Ebenfalls neu: Attrappen sollen die Brutpaare anlocken. „Es sind ja Kolonie-Brüter. Sie werden angezogen von Artgenossen, die da schon brüten“, erläutert Johannes Fritz, Leiter des Waldrappteams. Die Attrappen waren im Vorjahr schon im baden-württembergischen Überlingen eingesetzt worden. Dort besteht das zweite – wenngleich jüngere – Wiederansiedlungsprojekt in Deutschland. Weitere Kolonien gibt es im Rahmen des EU-Projekts „Life“ im Salzburger Land und in Kärnten.
Rund 550 Vögel leben nun wieder in Europa. Damit ist Wissenschaftlern und freiwilligen Helfern ein Novum gelungen. „Noch nie hat jemand einen Zugvogel wieder angesiedelt“, sagt Fritz.Hier sei zu lernen, wie und ob sich eine Waldrapp-Population aufbauen lasse, kommentiert der Vorsitzende des Umweltverbandes LBV, Norbert Schäffer das Projekt. Die Erfahrungen könnten auch bei Wiederansiedlungsprojekten etwa in Algerien und im Mittlerer Osten wichtig sein. „Ganz entscheidend ist, dass die Vögel lernen, möglichst ohne direkte Unterstützung durch den Menschen zu brüten und ihre Wintergebiete zu erreichen.“
Einst waren Waldrappe in Europa weit verbreitet. Doch sie wurden gejagt und verspeist – und so im 17. Jahrhundert ausgerottet. „Sie schmecken gut“, sagt Fritz. Zeitweise wusste kaum jemand noch, dass sie überhaupt existiert hatten. Die überlieferten Zeichnungen hielt man für Darstellungen von Fabelwesen, wie die Deutsche Wildtierstiftung berichtet. Erst als Vögel aus anderen Ländern wieder hierzulande ankamen, würde klar: Diesen Vogel gibt es wirklich.

:Die mit dem Waldrapp fliegen
Um die Art zu retten, müssen Menschen jungen Zugvögeln den Weg ins Winterquartier zeigen. Wegen des Klimawandels führte die jüngste Reise mehr als 2600 Kilometer weit von Oberbayern bis nach Andalusien.
Vor allem aber macht der Klimawandel den Zugvögeln auf ihrem Weg in ihr Winterquartier in der Toskana zu schaffen: Im Herbst fehle immer öfter die Thermik an den Alpen. „Sie brauchen die Thermik, um über die Alpen zu kommen – immer mehr Vögel scheitern im Herbst. Wir müssen jedes Jahr die gescheiterten Vögel wegfangen und über den Alpenkamm bringen – eine Notfallmaßnahme“, sagt Fritz. Nach Spanien ist der Weg mit rund 2600 Kilometer zwar dreimal so weit, dafür geht es nicht über hohe Berge.
Auch heute droht den Tieren noch illegaler Abschuss. Vor allem aber sterben sie durch Stromschlag an ungesicherten Masten.
Lyrisch schildert etwa die Wildtierstiftung den Waldrapp. Er habe etwas von einem begabten Konzertpianisten, der die Nacht durchgespielt hat, heißt es auf der Internetseite der Stiftung. Und er bleibe höflich: „Begegnet ein Waldrapp dem anderen, legen beide ihre Köpfe in den Nacken und verneigen sich.“