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Bürgerräte in Brandenburg: Viel Rat, wenig Tat? | ABC-Z

Bürgerräte in Brandenburg

Viel Rat, wenig Tat?


Mi 09.07.25 | 06:07 Uhr | Von Markus Woller

Bild: dpa/Koall

Bürgerräte sollen nach dem Willen der Brandenburger Landtagspräsidentin mehr Mitsprache bei gesellschaftlich relevanten Themen ermöglichen. Nicht alle finden die Idee gut. Von Markus Woller

Die Brandenburger Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) drängt auf mehr Mitsprache von Menschen, die sonst mit Politik nicht viel am Hut haben, und will deshalb sogenannte Bürgerräte schaffen. Schon im nächsten Jahr könnten sie loslegen. “Ich möchte das Wissen und die Erfahrungen der ‘Alltagsexpertinnen und -experten’ nutzen”, erklärt Liedtke ihre Initiative.

Die Idee: Im Losverfahren sollen etwa 50 Brandenburgerinnen und Brandenburger zufällig ausgewählt werden. Über drei Monate hinweg, so die Pläne der Präsidentin, solle der Rat über ein Thema in Präsenz und online beraten. Experten sollen den Teilnehmern für Input beiseite stehen. Am Ende soll eine Handlungsempfehlung für die Politik dabei herauskommen, die in den Petitionsausschuss und schlussendlich auch in die Arbeit der Fachausschüsse und in Parlamentsdebatten einfließen soll.

100.000 Euro im Haushalt eingestellt

Welche Themen diskutiert werden, soll das Parlament entscheiden. Mit der Durchführung der Räte soll eine Agentur beauftragt werden, die bereits Erfahrung mit Bürgerbeteiligung in ähnlicher Weise hat. 100.000 Euro sind dafür schon im Haushalt eingestellt.

Liedtke sagt, sie wolle mit den Bürgerräten dazu beitragen, das Verständnis für die Prozesse von Demokratie zu vertiefen und Konflikte im parlamentarischen Prozess auflösen. “Wir bleiben oft ein bisschen stecken in dem Gegeneinander von Koalition und Opposition”, so die Landtagspräsidentin.

Der Rat solle den gewählten Vertretern im Parlament dabei keine Konkurrenz machen. Es gehe vielmehr um Probleme, bei denen man in der Diskussion im politischen Raum nicht weiterkomme und bei denen man sich so der Meinung der Bürger versichern könne.

Auch einige andere Bundesländer experimentieren mit Bürgerräten als Form der verstärkten Einwohner-Beteiligung. In Baden-Württemberg war beispielsweile “Künstliche Intelligenz und Freiheit” das Thema, im Saarland ging es um die Umsetzung von Klimaschutzzielen. Auch auf Bundesebene wurde im vergangenen Jahr mit einem Bürgerrat experimentiert. Auf Einladung der damaligen Parlamentspräsidentin Bärbel Bas beschäftigten sich 160 repräsentativ Ausgewählte mit der “Ernährung im Wandel”.

Schwergewichtiges Votum oder überflüssig?

In Brandenburg schwebt der Landtagspräsidentin beispielsweise vor, über die Weiterentwicklung ländlicher Regionen oder den Tierschutz zu debattieren. Auch über den Sinn des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in Medizin, Pflege oder der Justiz könnten Bürgerräte ab dem kommenden Jahr diskutieren.

Bei den Parteien, die im Brandenburger Landtag sitzen, stößt der Vorschlag auf unterschiedliche Reaktionen. SPD und BSW finden das Vorhaben gut. Es diene der Förderung der Demokratie, sagt beispielsweile Falk Peschel vom BSW. “Es geht darum, die 88 Abgeordneten im Landtag aus Sicht der Bürger durchaus kritisch zu begleiten.” Wenn es dort um Themen gehe, die im Landtag bisher in den Hintergrund treten, könne der Bürgerrat ein schwergewichtiges Votum abgeben, das auch im Parlament gehört werde, so Peschel.

Opposition will keine Bürgerrate

Die AfD hingegen hält von der Idee nicht viel. “Das ist eine Art von Ersatzparlamentarismus”, kritisiert der parlamentarische Geschäftsführer, Dennis Hohloch. Leute per Los auszuwählen sei im parlamentarischen System Deutschlands weder vorgesehen noch zielführend. Stattdessen brauche man mehr direkte Demokratie, so der AfD-Abgeordnete.

Auch die CDU-Fraktion ist kritisch: Die Abgeordnete Ellen Fährmann weist auf bereits bestehende Beteiligungsmöglichkeiten hin, beispielsweise über den Petitionsausschuss oder bei Fachgesprächen in Ausschüssen. “Bürgerräte brauchen wir nicht auch noch”, so Fährmann. Man simuliere damit nur Bürgerbeteiligung, sorge für mehr Arbeit, die am Ende aber nicht das bringen werde, was man sich von einem Bürgerrat erhoffen würde.

Der Verein “Mehr Demokratie wagen” warnt vor diesem Hintergrund vor Frust, wenn die Ergebnisse von Bürgerräten nicht ernst genommen würden. Zentral ist aus der Sicht des Vereins die Auswahl der Themen und Fragestellungen. Diese müssten konkret sein, an die Lebenswirklichkeit der Teilnehmer andocken und auch innerhalb der Wahlperiode im Landtag entschieden werden. Warnendes Beispiel sei der Bürgerrat auf Bundesebene zum Thema Ernährung: Hier sei von den neun erarbeiteten Empfehlungen auch anderthalb Jahre nach Ende der Arbeit noch nichts umgesetzt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.07.2025, 15:10 Uhr

Beitrag von Markus Woller


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