Bürgermeister spricht über Burn-out und wie er seine Arbeitsbelastung reduziert – Dachau | ABC-Z
Harald Mundl geht es inzwischen wieder besser. Im Interview erzählt der 61-Jährige, inwiefern Rathauschefs besonders gefährdet sind, sich zu überlasten, und wie er es schafft, mental gesund zu bleiben – und warum das eine Daueraufgabe ist.
SZ: Herr Mundl, Ihr Burn-out ist etwa zweieinhalb Jahre her. Wie geht es Ihnen heute?
Harald Mundl: Wieder relativ gut, aber meine frühere Belastungsfähigkeit ist seitdem nicht mehr zurückgekommen. Ich musste vieles in meinem Arbeitsablauf verändern, um nicht wieder in ein Burn-out zu schlittern; dazu gehörte zum Beispiel, mir selbst den Druck zu nehmen und weniger Termine wahrzunehmen. Früher war ich regelmäßig 50 bis 60 Stunden in der Woche im Einsatz, mit vielen Abend- und Wochenendterminen, das war einfach zu viel. Heute kenne ich die Warnsignale meines Körpers: Wenn ich zu zittern anfange, mein Kopf kribbelt, ich meinen eigenen Herzschlag höre oder meine Lippen bläulich anlaufen, weiß ich, dass ich die Bremse anziehen muss.
Wie ist es zu Ihrem Burn-out gekommen?
Einerseits war da die berufliche Überbelastung, die vielen Termine am Abend und auch an den Wochenenden, ich habe keine Mittagspause gemacht, sondern oft vor dem Computer gegessen. Bevor ich mein Burn-out hatte, habe ich auch nie meinen ganzen Jahresurlaub genommen, weil ich dachte, dass ich als Bürgermeister keine Zeit für Urlaub habe. Dazu kam, dass meine Frau vor vier Jahren schwer erkrankt ist und ich sie für längere Zeit unterstützt habe. Damals arbeitete ich oft am Abend weiter, teilweise bis 24 Uhr. Aber irgendwann schafft es der Körper nicht mehr.
:Bürgermeister macht erneute Pause wegen Burn-outs
Bergkirchens Rathauschef Robert Axtner ist bis Anfang April krankgeschrieben. In einer Gemeinderatssitzung spricht er erstmals öffentlich über seine psychische Erkrankung.
Wie haben Sie damals gemerkt, dass Sie ein Burn-out haben?
Das war ein schleichender Prozess, ich hatte Schlafstörungen, konnte nicht mehr einschlafen, schwitzte in der Nacht und habe nachts nur noch gegrübelt. Außerdem habe ich stark gezittert und zum Beispiel den Schlüssel nicht mehr in das Haustürschloss bekommen. Einmal bin ich dann nach Hause gekommen und habe alles doppelt gesehen, mir war schwindlig und ich hatte Herzrhythmusstörungen. Meine Frau hat den Notarzt gerufen, es bestand erst der Verdacht auf Schlaganfall. Im Krankenhaus wurde ich dann durchgecheckt, und es stellte sich heraus, dass ich stark überbelastet war; ich erhielt die Diagnose Burn-out.
Danach musste ich eine sechsmonatige Arbeitspause einlegen und suchte mir auf Anraten meines Hausarztes sofort einen Psychotherapeuten. Er hat mir wahnsinnig gut geholfen. Da ist auch nichts Schlimmes dabei: Wenn ich den Fuß verknackst habe, gehe ich ja auch zum Arzt. Und eine psychische Erkrankung muss genauso behandelt werden.
Auch andere Rathauschefs haben mit der Diagnose Burn-out zu kämpfen. Bergkirchens Bürgermeister Robert Axtner hat deshalb eine mehrmonatige Auszeit bis April eingelegt. Inwiefern sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister besonders gefährdet, daran zu erkranken?
Das Bürgermeisteramt ist ein tolles, aber sehr anspruchsvolles Amt, man kann dabei sehr viel gestalten. Die Arbeit als Bürgermeister ist sehr erfüllend – sie ist aber auch sehr verantwortungsvoll und zeitintensiv. Man muss deswegen sehr auf sich schauen und sich auch Ruhepausen gönnen. Das ist aber nicht immer einfach, weil man sich als Bürgermeister oft selbst viel Druck macht. Schließlich erwarten die Bürgerinnen und Bürger, die einen gewählt haben, dass man die Gemeinde gut repräsentiert und voranbringt – schafft man das nicht, wird man eben nach sechs Jahren abgewählt.
Christen in Syrien
:„Und wer sind die, die Syrien angeblich befreit haben?“
Lamita Tanus lebt seit 2014 in Dachau, zur Welt gekommen ist sie aber in Homs. Die 20-Jährige verfolgt die Entwicklungen in ihrem Herkunftsland Syrien aus der Ferne genau – und sorgt sich um Menschen, die wie sie Christen sind.
Hatten Sie in Ihrem früheren Job als Teamleiter bei einer Krankenkasse weniger Druck?
Damals hatte ich auch Verantwortung für mein Team, das aus circa 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestand. Aber ein Arbeitstag war meist um 17 Uhr beendet; die Abende und Wochenenden waren frei. Als Bürgermeister ist man eigentlich rund um die Uhr beschäftigt, oft am Abend und am Wochenende unterwegs, denn es gibt viele Veranstaltungen, wo man als Bürgermeister gerne gesehen ist. Aber auf Dauer hält man das nicht durch. Mein Therapeut hat mir deshalb geraten, genau auszusortieren, welcher Termin wirklich wichtig für die Gemeinde ist und was nur „nice to have“ ist.
Was raten Sie Ihrem Bürgermeisterkollegen Axtner, um wieder gesund zu werden?
Das ist schwierig, einem Kollegen etwas zu raten. Jeder muss für sich seine eigene Strategie entwickeln. Aber mir selbst hat es sehr geholfen, mir einen Psychotherapeuten zu suchen. Dort gehe ich immer noch einmal im Monat hin, weil er mir aufzeigt, wie ich meine Arbeit umstrukturieren kann. Ich arbeite seitdem nicht mehr nachts und verschaffe mir Ruhepausen; auch die Mittagspause halte ich jetzt ein. Zudem habe ich einige Zusatzämter aufgegeben. Ich sitze zum Beispiel nicht mehr im Kreistag und bin auch nicht mehr Vorsitzender des Landschaftspflegeverbandes Dachau. Außerdem haben wir seit drei Jahren eine Hündin, mit der ich viel in der Natur unterwegs bin, das ist ein guter Ausgleich zur Arbeit am PC, man braucht einfach Bewegung, um den Kopf wieder freizubekommen. Und ich versuche, mehr Aufgaben zu delegieren.
Welche denn?
Seit meinem Burn-out übernimmt unser Zweiter Bürgermeister Vereinsveranstaltungen und als Standesbeamter alle Trauungen in Weichs. Zu runden Geburtstagen komme ich auch nicht mehr selbst, dies übernimmt meine Verwaltung. Das ist zwar schade für die Bürgerinnen und Bürger, aber um gesund zu bleiben, habe ich für mich gelernt: Dinge, die man abgeben kann, sollte man auch abgeben.
Haben Sie noch Tipps für Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten, die bei der Kommunalwahl 2026 antreten wollen? Worauf sollten sie sich einstellen?
Das Bürgermeisteramt ist sehr interessant und man kann viel bewegen. Aber man sollte sich auch bewusst sein, dass man nach 40 Stunden in der Woche als Bürgermeister nicht den Stift aus der Hand legen kann. Eigentlich ist man 24/7 (Anm. d. Red. 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche) Bürgermeister. Und die eigene Familie muss wegen der vielen Termine auch sehr viel zurückstecken, man hat einfach sehr wenig Freizeit.
In den meisten größeren Unternehmen gibt es eine Doppelspitze. Was halten Sie davon, das Amt des ersten Bürgermeisters aufzuteilen?
Das macht für mich keinen Sinn, weil zwei Personen oft unterschiedliche Vorstellungen und Gedankengänge haben, die man gegebenenfalls nicht zusammenbringt. Gewählt wird der 1. Bürgermeister vom Volk und dieser gibt dann auch die Richtung vor.
Sie selbst werden bei der Kommunalwahl 2026 nicht mehr antreten. Gehen Sie dann in Rente?
Ja, und ich freue mich schon sehr darauf. Nach 47 Berufsjahren will ich dann nachholen, was ich in dieser Zeit versäumt habe. Und der Gemeinde tut es auch gut, wenn nach 18 Jahren wieder ein neuer Wind weht, und ein neuer Bürgermeister oder Bürgermeisterin neue Ideen einbringt. Ich selbst freue mich auf mehr Zeit für die Familie und auf viele Unternehmungen im Ruhestand. Bis ich aber in Rente gehe, muss ich mich fit halten und auf mich achten, um weiter gesund zu bleiben.