Wirtschaft

Bürgergeld für Geflüchtete: “Das wäre ein großer Verschiebebahnhof im Bundeshaushalt” | ABC-Z

47 Milliarden Euro
kostete das Bürgergeld den Bundeshaushalt im vergangenen Jahr, das geht aus einer
Antwort des Sozialministeriums
auf eine kleine Anfrage der
AfD-Bundestagsfraktion hervor. Ein Plus von fast zehn Prozent zu 2023. Wie die AfD fordert nun auch Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder: kein Bürgergeld mehr für Ukrainerinnen
und Ukrainer. Die Debatte sei irreführend, sagt Enzo Weber,
Wirtschaftswissenschaftler und Forschungsbereichsleiter am Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg.

DIE ZEIT: Herr Weber, woher kommt der immense Kostenanstieg
beim Bürgergeld?

Enzo Weber: Der Anstieg kommt erstens durch eine Regelsatzerhöhung. Nach der sprunghaft
angestiegenen Inflation wurde dieser 2023 und 2024 erhöht, von zuletzt 502 auf 563 Euro
für einen alleinstehenden Erwachsenen im Monat. Diese Entwicklung wird sich nicht
fortsetzen: Dieses Jahr gab es eine Nullrunde, das ist auch für 2026 zu
erwarten. Aber die Spitze sorgt für Irritationen.

ZEIT: Aber das erklärt doch nicht allein einen so großen
Anstieg, oder?

Weber: Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Wir hatten
drei Jahre lang einen wirtschaftlichen Abschwung – das hat durchgeschlagen.
Zusätzlich haben wir viele Ukrainerinnen und Ukrainer in die Grundsicherung
integriert – es sind also schlicht mehr Personen geworden. Doch auch dieser
Trend wird sich nicht fortsetzen: Seit Herbst 2024 sinkt die Zahl der
erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.

ZEIT: Seit 2022 haben Geflüchtete aus der Ukraine sofort
Anspruch auf Bürgergeld, sie müssen keinen Asylantrag stellen. 6,3 Milliarden
Euro hat das im vergangenen Jahr gekostet. Hat sich Deutschland damit
übernommen?

Weber: Natürlich ist
kurzfristig eine große Zahl von Menschen zu uns gekommen. Aber nicht zu helfen, wäre doch keine Option gewesen. Beim Bürgergeld spricht man immer nur darüber,
welche Kosten entstehen und wie viel Geld die Menschen bekommen. Aber man muss
viel mehr darauf schauen, was die Grundsicherung leistet: Beratung,
Vermittlung, Qualifizierung. Das ist genau die arbeitsmarktpolitische
Unterstützung, die die Menschen brauchen, um schnell einen Job zu finden.

ZEIT: CSU-Chef Markus Söder forderte jetzt, die
Bürgergeldzahlungen für Ukrainerinnen und Ukrainer zu stoppen. Ließen
sich damit auf einen Schlag 6,3 Milliarden Euro sparen?

Weber: Nein, das funktioniert so nicht. Denn man muss den
Ukrainern ja eine Alternative anbieten – und das wären Asylbewerberleistungen.
Die Leistungen dort sind nur rund 100 Euro pro Erwachsenen geringer. Insgesamt
ließe sich also schon etwas Geld sparen. Aber der Großteil der Kosten müsste
trotzdem erbracht werden, nur eben an anderer Stelle. Das wäre ein großer
Verschiebebahnhof im Bundeshaushalt.

ZEIT: Für wie sinnvoll würden Sie den Schritt aus arbeitsmarktpolitischer
Perspektive halten?

Weber: Entscheidend ist nicht, 100 Euro pro Kopf
einzusparen, indem man einfach die Zuordnung ändert, sondern dass die Menschen
systematisch und schnell qualifiziert werden und nachhaltig in Arbeit kommen. Das
senkt die Kosten für die öffentlichen Haushalte am allermeisten und steigert
die Einnahmen. Wenn man unbedingt in den ersten Monaten finanzielle
Unterstützung nur auf Niveau der Asylbewerberleistungen gewähren will, sollte
man das innerhalb der Grundsicherung tun.

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